Arpège (***)

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Paris, Rue de Varenne.
In einem eher unscheinbaren Gebäude befindet sich eines der bemerkenswertesten Restaurants des europäischen Kontinents: Das Arpège.

Alain Passard bekam für seine kreative Küche 1996 den dritten Michelinstern, den er seitdem meisterhaft Jahr für Jahr bestätigen konnte.
In der vielbeachteten Liste „World’s 50 Best Restaurants-Award by S. Pellegrino“ für das Jahr 2013 belegte er einen herausragenden 16. Platz.
2001 entschied er sich, den vegetabilen Elementen seiner Küche neuen Raum zu geben. Angeblich, so war zu lesen, wollte er künftig kein Fleisch mehr zubereiten. Tatsächlich galt sein Interesse zunehmend dem Gemüse, welches er mittlerweile an drei Standorten selbst anbaut. Den Fleischgerichten hat er jedoch nicht gänzlich abgeschworen, wie man diesem Bericht unschwer entnehmen kann.
Seine Hinwendung zu mehr Gemüse ist aber nicht der Tatsache geschuldet, dass er sich, wie es heute floskelhaft so gerne heißt „neu erfunden hat“, sondern ist vielmehr eine logische Weiterentwicklung in seinem kreativen Schaffen. Ihn als „Gemüsekoch“ zu bezeichnen ist mehr als unzureichend, wird ihm keinesfalls gerecht.

Das Ambiente des Restaurant ist von nahezu beeindruckender Schlichtheit. Holzverkleidungen an den Wänden sorgen für Wärme und eine Atmosphäre von Vertraulichkeit. Besonders originell die verschiedenen Gemüsesorten als Tischdekoration. Lauch- und Rharbarbergebinde zierten die Nachbartische, während bei uns ein Kräutertopf zu bewundern war.

Gourmets aus aller Welt finden sich bei Alain Passard ein, der bereits im zarten Alter von 14 Jahren seine Lehre begann. Die Begeisterung für die Küche verdankt er seiner bretonischen Großmutter. Mit 26 Jahren wurde er erstmals mit zwei Michelinsternen im Le Duc d’Enghien ausgezeichnet.

Die Amuse gueules sind mir leider nicht mehr erinnerlich. Das intensive Studium der Menü- und Weinkarte lenkte zu sehr ab. Die Weinkarte, natürlich hauptsächlich auf französische Erzeugnisse ausgerichtet, offerierte eine stattliche Anzahl durchaus erschwinglicher Flaschen. Ein guter Chablis war schnell gefunden und geordert.

Schon häufig konnte ich vernehmen, dass nur durch à la carte ausgewählte Gänge ein nachhaltiger Eindruck über Leistung und Kreativität einer Küche zu erfahren ist.
Die angebotenen Degustationsmenüs bieten jedoch einen besseren und vielschichtigeren Einblick in die Leistungsfähigkeit der Küche. Nicht nur aber auch deshalb sind die à la carte Gerichte im Rückzug, greifen Köche vermehrt auf ein oder zwei Menüs zurück.
So haben wir für Sie das nachfolgende Menü kritisch unter die Lupe genommen.

1 Brot_0906

Das servierte Brot aus einem Roggenmischteig wurde als „Country-bread“ annonciert und war trotz des rustikalen Eindrucks geschmacklich vortrefflich.
Zwar sind mehrere Sorten Brot oder Brötchen in der Spitzengastronomie eher die Regel, aber man sieht, es geht durchaus auch so und zwar ohne Qualitätsverlust.

3 Ei 0905

Da das Ei mittlerweile wie eine Landplage in die Sternegastronomie eingebrochen ist, durfte es natürlich auch hier nicht fehlen.
Die von Passard präsentierte Kreation wurde leicht pochiert und mit Creme aufgeschlagen, gewürzt und mit etwas Essig versehen, schließlich mit Ahorn-Likor und Schnittlauch verfeinert. Fertig war der cremige, mit mittlerer Viskosität ausgestattete, perfekte Einstieg in das Menü.

vegetarisches Sushi I

Vegetarisches Sushi.

Optisch im Vordergrund, eindeutig die Rote Bete, welche mit Knoblauch und Essig angenehm verfeinert wurde.
Die Essigsäure dominierte nicht, war vielmehr eine Nuance im Zusammenspiel mit Knoblauch und dem herrlich körnigen, bissfesten Reis.

Hummer I

Auch der Hummer konnte dem gesundheitsfördernden Essig nicht entkommen.
Diesmal wurde hauchdünn geschnittener Rettich mit einer mit Honig verfeinerten Essigcreme bestrichen und offenbarte erneut ein eindrucksvolles Aroma ohne übertriebene Säurenoten. Hohe geschmackliche Substanz und eine optisch ansprechende Präsentation fielen besonders ins Gewicht.

Die Hummerstückchen waren, es bedarf eigentlich keiner besonderen Erwähnung, von großartiger Qualität. Ein paar Bissen mehr hätten es gerne sein dürfen.

Gemüseravioli

Besonders auffallend war, dass bei diesem Menü nicht ein Höhepunkt den anderen jagte, sondern der Reiz eher im Detail zu finden war. Die Detailverliebtheit, nicht im Anrichten der Teller, sondern in den Akkorden, Texturen und makellosen Aromen, einem beispiellos harmonischen Zusammenspiel aller Komponenten, zeichnete das Menü aus.

Wie auch bei den bunten Gemüse-Ravioli, welche in einer Consommée von Rote Bete und Karotten vortrefflich auftrumpften. Mit intensivem Geschmack, das Gemüse leicht erschmeckbar, gelang es Passard immer wieder, scheinbar Gewöhnliches in ungewöhnliche Geschmackseindrücke zu verwandeln und so den Esser in seinen Bann zu ziehen. Hier ist gutes Handwerk zu erkennen und Kreativität zu spüren.

Collection légumière

Der Saison geschuldet durfte ein Spargelgericht natürlich auch hier nicht fehlen. In der Pfanne leicht angebraten und bissfest, mit einer angenehmen Würze ausgestattet, bot sich uns ein „Bild des Gartens an diesem Morgen“, wie Passard seine Kreation nannte.
Die bereits erwähnte Würze des Gerichts wurde durch den leicht nussigen Geschmack des kultivierten Lattichs begleitet. Dazu ein Sud von grünem Salat, etwas Koblauch und Radiccio.

Karottensuppe

In der Küche schien man an diesem Abend sowohl an uns wie auch an den eigenen Kreationen Gefallen gefunden zu haben und so wurden wir mit einem zusätzlichen Gericht bedacht.
Eine Karottensamtsuppe mit Speckschaum, bei der sie Süße der Karotten gänzlich herausgefiltert war und die mit gerade noch spürbaren Räuchernoten brillierte.
Die Bezeichnung Schaum ist dabei etwas irreführend, zeichnete ihn doch eine hohe Festigkeit und Duktilität aus.

Steinbutt

Der Steinbutt, der zum Beginn des Abends den Gästen noch in seiner ganzen Größe zur Bewunderung präsentiert wurde, kam mit perfekt getroffenem Garpunkt auf den Teller. Ein Hauch Fleur de sel, geräucherte Kartoffel, Frühlingszwiebeln und eine vortreffliche Weinsauce verzauberten diesen Gang.

Gemüse-cous-cous

Mit Gemüsecouscous wurden die Freunde der vegetarischen Kost erneut zufrieden gestellt.
Es gab Fenchel, Rettich aus Malaga, Weintrauben und Rotkohl in einem leicht nussigen Arganöl.

Kalb I

Das Kalbfleisch, eine Hommage an Louise Passard, die Großmutter des Küchenchefs, wurde nach deren Rezept zubereitet.
Beilagen und Gewürze sind schnell aufgezählt:
Rettich, Spargel, Mangold, etwas Zitronensaft, Rosmarin, Koreander und ein kleiner Kartoffelklos.

Ein zurückhaltendes Säurespiel der Zitrone, etwas schärfere Noten durch Mangold und Rettich und ein erstklassiges Stück Kalbfleisch fügten sich zu einem frischen und leichten Gesamteindruck mit mediterranem Einschlag.

Blätterteig I

Zum Abschluss des Menüs, bevor Bonbons, Macarons und andere süße Kleinigkeiten die Szenerie einnahmen, gab es noch einen Blätterteig von ausgezeichneter Qualität.
Minzcreme, Minzblätter, eine französische Leichtigkeit.

Service:

Der überwiegend weibliche Service war außergewöhnlich engagiert, professionell, mit spürbarer Freude unterwegs und stets auskunftsbereit.

FAZIT:

Alain Passards Kreationen kommen gänzlich ohne effektheischende Inszenierungen aus.

Der Geschmack, die sauber herausgearbeiteten Aromen, die wie zwangsläufig passenden Kombinationen und das immer wiederkehrende Spiel mit Temperaturen und Akkorden, verweisen auf die Genialität und Kreativität des Küchenchefs.

Es ist ungemein kompliziert eine angemessene Würdigung zu formulieren ohne sofort in höchsten Tönen zu loben. Die nüchterne Präsentation erschwert dies zudem. Hilfsweise könnte man nach einer Schublade suchen, in der man Koch und Küchenrichtung ablegen kann. Hat man nun einen französischen Klassiker vor sich oder einen eher zeitgemäßen Avantgardisten? Ich kann mir vorstellen, wozu die Mehrheit neigt.

Nun, Passard folgt keinesfalls rückwärtsgewandten oder pragmatischen Überlegungen zur Bedienung marktrelevanter Gegebenheiten beim vermehrten Einsatz und eigenem Anbau von Gemüse. Vielmehr hat er ein ehrliches Interesse an einer Weiterentwicklung der Hochküche mit damit verbundener Nachhaltigkeit und Schonung von Ressourcen.
Dies zeichnet ihn schließlich als wahren Avantgardisten aus.

Die Homepage des Restaurants erreichen Sie hier: www.alain-passard.com

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