Cinco by Paco Perez (*)

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Der Katalane Paco Pérez ist ein recht erfolgreicher, in Deutschland jedoch nicht so sehr bekannter Koch. In dem im Berliner Diplomatenvierten gelegenen Hotel „Das Stue“ zeichnet er für das Restaurant „5 (Cinco) – by Paco Pérez“ verantwortlich ohne jedoch am Herd zu stehen.

Es ist nicht unüblich, dass überaus erfolgreiche Köche weitere Restaurants eröffnen und sich damit ein Kochimperium zulegen. Alain Ducasse, Joël Robuchon oder mein unangefochtener Favorit Pierre Gagnaire haben das nachhaltig bewiesen.
Nun will ich Paco Pérez in diesen illustren Kreis (noch) nicht einführen, doch die Berliner Sternegastronomie wird selbst durch die nur virtuelle Anwesenheit des charismatischen Kochs durchaus bunter.

Nach seiner Ausbildung zum Koch machte Pérez mehrfach Station bei Michel Guérard, mit drei Michelinsternen dekorierter Koch und einer der Erfinder der heute vielfach missverstandenen Nouvelle Cuisine. Nachhaltig geprägt hat ihn allerdings auch Ferran Adrià, der im „El Bulli“ Weltruhm erlangte und mit seiner Molekularküche die Hochküche revolutioniert hat.

Essen als ganzheitliche Erfahrung, das Ansprechen aller Sinne, Verfremdung von Zutaten in neue Formen und Aggregatzustände, das Heranrücken der Kochkunst an die Wissenschaft, all dies scheint Pérez fasziniert zu haben.

Pérez hat sich im Restaurant Miramar im eher winzigen Llançà zwei Michelinsterne erkocht und diesen Erfolg im Restaurant Enoteca im Hotel Arts in Barcelona wiederholt. Der 5. Stern strahlt nun in Berlin. Doch in der letzten Ausgabe des Gault&Millau Deutschland gab es für die Küchencrew im Cinco einen herben Dämpfer. 11 Punkte und reichlich Kritik, mit der in der Sprache so sehr geschätzen Boshaftigkeit der Redakteure, dürften nachhaltig für Missstimmung gesorgt haben. In wenigen Wochen hat der G&M die Chance zur Wiedergutmachung. Hier bin ich zuversichtlich.

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Der Empfang im Restaurant ist herzlich. Das Ambiente interessant. Das Konzept für das Restaurant, wie auch für die weiteren öffentlichen Bereiche des Hotels, stammt von der spanischen Ausnahme-Designerin Patrizia Urquiola. Über dem großen Tisch hängen 86 Kupferkessel, der Blickfang schlechthin im Restaurant.

Wir wählen das Menü „Umgebung & (Kon)Sequenzen welches aus mehr als 20 Teilen besteht. Dies ist nicht neu für uns, schließlich hat uns Ferran Adrià 2007 mehr als 30 kleine Teile zugemutet.

Das Menü:

UMGEBUNG & (KON)SEQUENZEN

Cronut
Bankok
Wald Consommé

DER GARTEN
Himbeere – Erbse – „Piquillo“ – Kartoffel – Ingwer

Blumenkohl und Bechamel
„Champignon“
Karotte

DAS MEER

Tigergarnele Thai
Thunfisch
„Kokotxas“
Zackenbarsch
Pure Garnele

DER WALD
„Molette“ – Croissant – Saam – Knuspriges Hühnchen

Egg Benedict
„Ou de Reig“ Risotto
Wagyu-Tatar

„Hot Dolc“
Crépe Suzette
Whisky Torte
Kleinigkeiten

Auf die in Fettdruck aufgeführten Gerichte gehe ich im Folgenden etwas näher ein.

Der-Garten

DER GARTEN
Himbeere – Erbse – „Piquillo“ – Kartoffel – Ingwer

In einem ersten Reflex will ich die Präsentation schon verteufeln. Letztlich ist es jedoch völlig gleichgültig, ob ein Landschaftsgärtner geländegängig Essen anrichtet oder ob mit kleinen Schälchen der Tisch vollgestellt wird, noch bevor man Gelegenheit hatte Miff oder Muff zu sagen. Zumal wir in diesem Falle den Aperitif bereits genießen konnten.

Der berühmte zweite Blick auf das Dargebotene fällt bereits freundlicher aus.

Zunächst wenden wir uns der Himbeere zu: Himbeerbaiser, Himbeergranitée, Sauerrahm, Wasabi und Kresse mit intensivem Himbeergeschmack. Der kleine Happen war äußerst aromenstark und texturell vielseitig.

Aromenstärke und texturelle Vielfalt wird sich in den folgenden Gerichten ständig wiederholen.
Daher erwähne ich dies nicht jedes mal ausdrücklich.. Das muss man sich einfach dazudenken.

Ganz links befindet sich die Erbse, Schote als Creme, Sphäre, Erbsensprossen und Panchetta.

In der Mitte finden wir eine spanische Spitzpaprika, rechts daneben eine Kartoffel-Mousseline

und schließlich Ingwer in verschiedenen Texturen,
sehr intensiv schmeckend und als Übergang für die nächsten Gerichte gedacht.

Die „Erde“ die Sie hier erkennen können, ist eine schwarze Oliven“Erde“.
Sehr trocken und schmackhaft.

Ob wir es hier mit der kochenden Avantgarde zu tun haben oder nicht erkennen Sie unschwer an der Tatsache, dass Verkostungshinweise bezüglich der besten Reihenfolge erteilt werden.

Blumenkohl

Blumenkohl und Bechamel

Blumenkohl in Texturen: Blumenkohlcouscous und eine Blumenkohlsphäre

Béchamel in fester Form als gelbe Kügelchen.
Intensiver kann Blumenkohl nicht schmecken.

Champignon

„Champignon“

Tatar, Eis, Essenz,
verfeinert mit Schnittlauch und Pinienkernen.

Großartig.

Karotte

Karotte

Karottengrün als Granité, Karottengnocchi, Schaum, Sauce

Bereits an dieser Stelle waren wir uns einig, dass der Abend weitaus besser verlief als wir zu hoffen gewagt hatten. Molekularküche hat in unserer Erinnerung sehr viel von einem Kindergeburtstag. Der Vergleich ist nicht von mir, aber auch schön.
Doch die Küche verzichtet auf die bekannten vordergründigen Effekte.
Hier ist Essen noch Essen. Trotz Dekonstruktion und nahezu überbordender Texturen.

Tuna

Thunfisch

Ein sehr schnörkelloses Gericht, klar und intensiv im Geschmack.

Pure-Garnele

Pure Garnele

Von links nach rechts: Gegrillt, mariniert, roh

Für mein Empfinden, der schwächste Gang an diesem Abend.

Der-Wald

DER WALD
„Molette“ – Croissant – Saam – Knuspriges Hühnchen

Zweiter Auftritt des Landschaftsgärtners. Soviel Ironie sei gestattet.

Bemerkenswert ist auf der rechten Seite ein Teigbällchen, in der Mitte ein kleines
Croissant mit Foie gras und eine Sphäre von Soja und Taube.

Risotto

„Ou de Reig“ Risotto

Zu fortgeschrittener Stunde und nach so vielen kleinen Gängen wird nicht nur das Tempo der Küche merklich verlangsamt. Auch die Konzentrationsfähigkeit des Gastes leidet.
Doch nicht die einsetzende Musik aus der Bar weckt unsere Lebensgeister sondern das endlich servierte und überaus gelungene Pilzrisotto.

Schlotzig (inspiriert von Tim Mälzer), pilzig (inspiriert von mir), fabelhaft.
Der Pilz, ein Kaiserling, war schon in der Antike als Speisepilz bekannt.

Hot-Dolc

„Hot Dolc“

Baiser gefüllt mit weißer und dunkler Schokolade
Mango- Himbeersauce als Majo und Ketchup.
Ein wunderbares Dessert.

Kleinigkeiten

Kleinigkeiten

Beim süßen Abschluss lässt man sich von Salvador Dali inspirieren.
Übrigens: Das berühmte Lippensofa ließ Dali 1972 für sein Teatre-Museu im spanischen Figueras anfertigen. Als Patin für diese Idee musste das amerikanische Sexsymbol Mae West herhalten.

Wein und Service

2006, Recaredo, Brut de Brut, Gran Reserva Finca Serral de Vell, Cava
2013, Quinta da Muradella Alanda Blanco
Merlitsch, Ex Vero I 2008, Spätfüllung, Steirerland, Österreich

Der Service ist sehr engagiert, kundig und auskunftsfreudig.
Der Sommelier hat uns überzeugt, konnte er doch unsere spärlichen Vorgaben hinsichtlich eines spanischen Weißweins hervorragend umsetzen.

FAZIT:

Der spanische Molekularvorreiter Ferran Adrià hat seine Küche selbst als „Avantgarde-Küche“ bezeichnet. Er stand wie kein anderer für die Begegnung von Küche und Kunst. Paco Pérez bewegt sich auf diesen, mittlerweile leicht ausgetretenen, Pfaden. Er nutzt moderne Küchentechnik und erfreut seine Gäste durch verständliche Kreationen, klaren Geschmacksrichtungen, handwerklich überaus anspruchsvollen Präsentationen und vor allem mit einer guten Qualität der Produkte.

Die Dramaturgie des Menüs ist stimmig und eindrucksvoll. Es wird, und das ist durchaus erfreulich, auf die zu Beginn des molekularen Siegeszuges viel zu oft gezeigte Effekthascherei verzichtet.

Natürlich habe ich nicht vergessen, dass Pérez nicht in der Küche steht. Die Crew um
Monty Aguiló Wray jedenfalls scheint die Ideen des katalanischen Sternekochs punktgenau umsetzen zu können. Ihnen gilt an diesem Abend unser Dank.

Mit dem nachfolgenden Link geht es zur Website des Restaurants.

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