Die Besten, Wohlfahrt und noch viel mehr…

Die Besten, Wohlfahrt und noch viel mehr…

Eine Glosse von Bernhard Steinmann.

Hurra, endlich gibt es wieder ein Thema auf welches sich Gourmets und Gourmetnerds stürzen und trefflich streiten können:
„The World’s 50 Best Restaurants sponsored by S. Pellegrino & Acqua Panna“ hat seine neueste Liste veröffentlicht. Dieses Jahr zwar mit Verspätung, aber egal.

Meiner Meinung nach fällt auf, dass sich die sogenannte „klassische Küche“ auf dem Rückmarsch des Interesses befindet. Auch wenn der Beleg dafür durch die Liste nicht unbedingt erbracht wird. Vielmehr scheint es daran zu liegen, dass eventhungrige Neugourmets unter Klassik eine Art „Hausmannskost“ vermuten und sich lieber nach Madrid wenden um beim Aufsteiger der neuen Liste DiverXO (von Rang 94 auf Rang 59) direkt vom Tisch zu essen oder als gut dressierter Gast in misslungener Choreografie Essen von an der Decke hängenden Schnüren abzupuzzeln.

Gerne kann man auch im hippen Bistro Le Chateaubriand in Paris (https://www.bsteinmann-gourmet-unterwegs.de/le-chateaubriand/), jetzt auf Rang 21,
sich die Frage stellen, ob man anspruchsvolle Küche erlebt oder ohne Ansprüche einen Abend verbracht hat.

Auch Deutschlands bester „Asiate“, Tim Raue, soll nicht vergessen werden.
Er wird sich freuen, unter den 50 weltbesten Restaurants Platz 52 erklommen zu haben.
Er mag mir diese etwas freche Formulierung nachsehen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Raue zuletzt noch Rang 78 zierte. Also allemal ein Erfolg.

Harald Wohlfahrt aus der Baiersbronner Schwarzwaldstube, Lehrmeister einer großen Zahl erfolgreicher Küchenchefs, früher selbst einmal unter den TOP 50, spielt indessen dort keine Rolle mehr. Dazu habe ich eine provokante These:
Die nachrückenden „Gourmets“ mögen anscheinend lieber „einen wönzigen Schlock“ aus dem Reagenzglas, speisen vom Gehölz oder Kieselsteinen oder reisen viel lieber zum nordischen High-End-“Resto“ um die dortige regionale Küche zu suchen und verstehen dabei die moderne Haute cuisine und den dazugehörigen kulinarischen Aufwand immer weniger.
Gourmet wird man nicht, indem man an einem Abend das aus der Mikrowelle stammende Essen gegen ein Hochpreismenü austauscht, sondern indem man das Essen versteht, nachhaltig denkt, seine althergebrachten redundanten Neigungen über Bord wirft und anfängt bewusster einzukaufen.
Und wer das alles versteht und beherzigt wird in der Lage sein, Harald Wohlfahrts Küchenphilosophie zu begreifen und die Speisen zu genießen, anstatt verfrüht dessen Lebenswerk zu preisen, lange bevor der Meister den Kochlöffel weiterreicht.

Doch will ich niemendem etwas vorschreiben. Frei nach Friedrich II. „mus ein jeder nach
Seiner Faßon Selich werden.“

Durchforstet man meinen Blog aufmerksam, wird deutlich, dass ich nicht ausschließlich die französischen Klassiker bevorzuge, sondern der Avantgarde ebenso huldigen kann.
Doch für ein entweder/oder bin ich nicht zu haben.

Zurück zur Liste.
Die eigentliche Stärke dieser willkürlichen Zusammenstellung ist die Tatsache, dass der Blick über den Tellerrand wandert, man die unvollständige Binnensicht verlassen kann und einen weitrechenderen Einblick erhält.

Sie finden die Liste unter: http://www.theworlds50best.com
Doch denken Sie daran, dass Sie dafür meinen Beitrag verlassen müssen. Tun Sie das erst wenn Sie hier alles gelesen haben.

Während einer black-tie-Veranstaltung wurde am 1. Juni 2015 in London die Liste vorgestellt.
Die neue Nummer 1 ist El Celler de Can Roca in Spanien. Congrats.
Aus deutscher Sicht sicherlich eine Enttäuschung, Wisslers Vendôme abgestürzt auf Platz 30. Da ist Sven Elferfeld auf Platz 33, mit dem Verlust von nur 5 Plätzen scheinbar gut bedient.

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