Reinstoff (**)

Den Reigen Berliner Spitzenrestaurants setzen wir heute im Reinstoff fort, das nicht nur durch die Verleihung zweier Michelinsterne hohe Erwartungen in uns weckte, sondern auch durch die Tatsache, dass Daniel Achilles früher in Langen bei Juan Amador tätig war. Innerhalb kürzester Zeit kochte er sich in Berlin nicht nur in die städtische, sondern auch landesweit, in die Oberklasse. Der Empfang war routiniert und führte in ein eher bescheiden wirkendes Restaurant, das, zumindest an den Zweiertischen, nicht mit einem üppigen Platzangebot aufwartete. Durch den Sommelier und Restaurantleiter Ivo Ebert, den wir auch schon in Langen erleben durften, steigerte sich die Stimmung von routiniert freundlich auf herzlich.

Wir wählten das große Menü, das bei Daniel Achilles „weiterdraußen“ genannt wird.

Gestartet wurde mit anspruchsvollen Miniaturen unter dem Titel

„die Sinne erwecken“.

Diese entpuppten sich als

Maiswaffel und Gänseleber,
Austernkraut und Stachelbeersaft,
Kumquat und Maränenkaviar,
Kleiner Waldegerling.

Das Dargebote präsentierte sich interessant gestaltet, nuancenreich und schmackhaft. Dazu wählten wir Cava mit Holunderessenz.

Vor dem ersten Gang gab es eine weitere kleine Überrasschung:

Waldorfsalat, Topinambur und Walnussespuma.

Das Menü schließlich startete fulminant mit einem Cocktail von der norwegischen Steinkrabbe,
die sich nicht nur optisch ansprechend gestaltet präsentierte sondern auch geschmacklich zu überzeugen wusste.

Es folgten Jakobsmuscheln, Winterkohl und Herbsttrompeten. Die Jakobsmuscheln waren von bestechender Qualität, der Geschmack unverfälscht, die Pilze eher neutral. Gekrönt wurde das Ganze von einem Jakobsmuschelchip, kross und sehr gelungen.

Nun zur „Heißen Marone, kalten Kastanie und weißem Trüffel“. Es hätte ein perfekter Gang sein können, doch die so gewollten verschiedenen Temperaturen kamen nicht zur Geltung. Die geeiste Kastanie war gut, der Rest leider lauwarm.

Nicht nur hier hatte ich den Eindruck, dass bei einem erfreulich vollbesetztem Restaurant der Weg von der Küche zum Tisch unverhältnismäßig viel Zeit verbrauchte. Gerade bei diesem ansonsten handwerklich gut gemachten, liebevoll arrangierten Teller, umso bedauerlicher.

„Tataki“ vom Hirschkalb auf Eichenholzkohle, Quitte, Ingwer und Lakritze. Erneut ein aufwendig gestaltetes Gericht. Die Bezeichnung „Tataki“ kommt aus der japanischen Sprache und bedeutet im Grunde nur, dass das Fleisch, in diesem Falle Fleisch vom Hirschkalb, lediglich angebraten wurde.

Am meisten in Erinnerung blieb mir jedoch die Lakritzjus, hauptsächlich wegen des hervorragenden Geschmacks, andererseits jedoch weil sie für mein Empfinden nicht warm genug war.

Dorade des Nordens, Sepia und Selleriewürfel.
Da ich mit diesem Begriff nichts verbinden konnte, habe ich nachgefragt, was eine Dorade des Nordens denn nun sei. Es stellte sich heraus, dass es keine Goldbrasse war, wie die Dorade bei uns auch genannt wird, sondern dass es sich um den geselligen Rotbarsch handelte, der bestens zubereitet war.
Perfekter Garpunkt, wunderbarer Geschmack, zurückhaltend die Selleriewürfel. Nicht nur ein echter Hingucker, sondern geschmacklich außerordentlich interessant, der zur Gruppe der zehnarmigen Tintenfische zählende, extravagant inszenierte Begleiter. Als gelungen erwies sich das Bemühen, alle Komponenten in eine Balance zu bringen.

Limone, Zitrone, Elsbeeren und Martin Miller´s Gin.
Beeindruckend erfrischend.

Charolais-Rind, Ochsenmaulsalat und Knoblauchcreme.
Punktgenau gegart mit einer erfreulich dezenten Knoblauchcreme.
Auch hier zeigte sich die elegante Stilistik von Daniel Achilles und sein hoher Anspruch an die Qualität der Produkte.

Danach gabe es Schafskäse Ossau-Iraty AOC, gegrillte Schwarzwurzel,
Vollkornbrioche, durchaus interessant und wohlschmeckend.

Desserts:
Schokolade, Honigkuchen, Gewürzstraße und Apfelsine,
serviert in zwei Gängen, wobei mit Birnensorbet in flüssiger Schokolade gestartet wurde.

Zuletzt wurden „die Sinne gestreichelt“ mit:

Eiskonfekt und Rote Bete
Berliner Pfannkuchen
Grüner Berg
Macadamia und Joghurt

Weinbegleitung:

Cava mit Holunderessenz
2009 Silvaner „Keuper“, Odinstal, Pfalz
2008 Grüner Veltliner „Loibenberg“, Veyder-Malberg, Wachau
2003 Riesling GG „Marcobrunn“, Schloss Schönborn, Rheingau
2009 Planetes de Nin, Familia Nin-Ortiz, Priorat,
2008 Le Patriot, Domaine de l´Horizon, Languedoc
2008 Sestal, Finca Ses Talaioles, Mallorca
2005 Chassagne-Montrachet 1er Cru Les Caillerets, Côte de Beaune
1983 Vintage Port, Graham´s, Porto

Hier hat das Team um Ivo Ebert wirklich ganze Arbeit geleistet. Eine gelungene Weinbegleitung und ein aufmerksamer und engagierter Service.

FAZIT:

Ein insgesamt netter und größtenteils zufriedenstellender Abend.

Die erst kürzlich erfolgte Aufwertung durch den Guide Michelin, das damit verbundene Echo und vor allem meine hohe Erwartungshaltung, drängte förmlich zu Vergleichen mit anderen, ebenso hoch bewerteten und eingeschätzten Restaurants.
Zur Erklärung, weshalb ich letztlich diesem Reflex widerstanden habe, erlaube ich mir auf ein Zitat des dänischen Philosophen S. Kierkegaard hinzuweisen:

„ Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit “.

Zur Internetseite des Restaurants gelangen Sie hier: www.reinstoff.eu

Kommentare

Eine Antwort zu “Reinstoff (**)”

  1. kuechenreise sagt:

    Herzlichen Dank für den sehr interessanten Bericht mit – wie mir scheint – vielen feinen Differenzierungen!

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