Richard (*)

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Die zuletzt von mir aufgesuchten Restaurants weisen eine interessante Gemeinsamkeit auf. Alle wurden im November 2015 vom Hotel- und Restaurantführer eines bekannten französischen Reifenherstellers ausgezeichnet und damit einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Mit der Auszeichnung durch einen oder mehrere Sterne des Guide Michelin scheint ein weit sichtbares Licht über den Restaurants aufzuleuchten, welches den Schritt umherziehender Gourmets in diese Richtung lenkt. Die „Sterndeuter“ der Neuzeit suchen jedoch keinen gerade geborenen König, sondern schlicht Geschmackserlebnisse. Ihre mitgebrachten Gaben sind Kameras, Papier und Bleistift. Doch zum Leidwesen so mancher Küchenchefs, kommen die neuen Sterndeuter nicht in erster Linie zur Huldigung sondern zur kritischen Betrachtung und Begutachtung.

Heutiges Ziel unserer Sternensuche ist das Restaurant Richard in der Köpenicker Straße in Berlin-Kreuzberg. Der Bezirk, von Boulevardmagazinen gerne als Szeneviertel bezeichnet, ist für seine langen Nächte mit einem lebendigen Kulturleben bekannt.

Der Schweizer Hans Richard eröffnete im Herbst 2012 sein eigenes Restaurant, nachdem er zunächst Malerei an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel studiert hatte. Parallel dazu entwickelte er ein leidenschaftliches Interesse für das Kochen.
Die operative Leitung der Küche obliegt allerdings dem Schweizer Till Bühlmann. Er bringt, so ist auf der Homepage des Restaurants nachzulesen, langjährige Erfahrung aus dem In- und Ausland mit. Zur Motivation haben sich die Herren als Vorbild den wohl hellsten Stern am Sternenhimmel auserkoren: Alain Ducasse.

Die Perfektion eines Alain Ducasse im Hinterkopf behaltend, werden wir Till Bühlmann dennoch nicht zu streng am Vorbild messen. Doch zunächst schauen wir uns das Restaurant einmal an. Noch auf dem Bürgersteig stehend, gönnen wir uns einen Blick in das eher mäßig beleuchtete Restaurant. Draußen ist es schon dunkel und wir fühlen uns etwas verloren in der langweiligen und reizlosen, zudem menschenleeren Köpenicker Straße. Wir werden freundlich empfangen, nehmen die uns zugedachten Plätze ein und bewundern die alte Kassettendecke des hohen Gastraumes. Die Wände zieren Gemälde und Fotografien und schaffen damit eine gediegene Atmosphäre. Für mäßige Beleuchtung sorgen pastellfarbene Glaskugeln, welche in unterschiedlichen Größen an der Decke angebracht sind.

Es gibt ein scheinbar monatlich wechselndes Menü, aus welchem man 4 bis 8 Gänge auswählen kann sowie ein vegetarisches Menü.

Amuse-Gueule:

Püree von Roter Bete und eine Nocke von Auberginen und Senfsaat (o.Abb.).
Feines Auberginenaroma wird mit einem Hauch von Schärfe begleitet.

Auster

VICHYSSOISE MIT SYLTER ROYAL AUSTER
UND VERKOHLTEM LAUCH
Lardo di Colonnata und Zitronen-Oliven-Marmelade

Colonnata in der Toscana ist zunächst einmal für den Abbau von Marmor bekannt. Kein Geringerer als Michelangelo soll hier für seinen „David“ den weißen „marmo statuario“ aus dem Fels gewonnen haben.

Ebenso bekannt ist der Ort für seinen fetten Speck. Dieser wird überwiegend mit Rosmarin, Lorbeer und Pfeffer eingerieben und in Marmorbecken aufgeschichtet.
Speck und die kalte gebundene Gemüsesuppe als Rahmen für die gehobelte Auster ist als äußerst gelungener Einfall anzuerkennen. Die nussige und feinherbe Sylter Royal auf diese Art zu präsentieren, hat uns sehr imponiert.
Fein abgestimmte Säurenoten adeln das cremige Gericht.

Burrata

BRANDENBURGER BURRATA MIT FENCHEL
UND GRÜNEM APFEL
Anis und Kräutersalat

Frucht- und Säurenoten unterstützen den Weichkäse vortrefflich.
Geschmacksintensives Anisespuma, für sich genommen etwas befremdlich, in Verbindung mit den restlichen Komponenten allerdings vortrefflich, wird mir wohl noch einige Zeit in Erinnerung bleiben.

Entenleber

GEBRATENE ENTENLEBER
MIT ROHEN CHAMPIGNONS
Brioche und Madeira-Jus

Der aufgespritete Wein gibt der dunklen Bratensauce den entscheidenden Kick. Die Entenleber ist wunderbar cremig, schmelzig und von vortrefflichem Geschmack.
Die französische Backspezialität Brioche, ein geborener Begleiter für Entenleber, kommt hier in Form von Croutons auf den Teller.

Ei

64° GRAD EI MIT SELLERIE
UND SCHWARZEM TRÜFFEL
Vin Jaune

Ei und Trüffel harmonieren prächtig und hätte man auf den gebackenen, harten Sellerie verzichtet, wäre ich mehr als zufrieden gewesen. Der Sellerie war mir geschmacklich und texturell viel zu dominierend. Über Vin Jaune, den gelben Wein aus dem Jura, habe ich bereits früher berichtet. Dieses Gericht ist sicherlich ausbaufähig.

Karotte

CAROTTES DE SABLE MIT GERÖSTETEM PULPO 
UND KAROTTEN-INGWER CREME
Koriander und Karottensaft, Estragonöl

Der Krake kommt geröstet, insgesamt sehr gut gegart, auf den Tisch.
Die Karotte in Texturen beherrscht jedoch die Szenerie mit köstlichem, intensiven Aroma.

Wolfsbarsch

GEBRATENER WOLFSBARSCH
 UND CHAMPAGNER-RISOTTO MIT CIMA DI RAPA
Estragon, Kapern und Schalotten

Der Wolfsbarsch ist scharf angebraten und hat daher eine sehr krosse Haut.
Begleitet wird das Fischlein von nur leicht blanchiertem und bissfesten Stängelkohl sowie von einem Risotto, welches geschmacklich dezent auftritt.
Erst der würzig-pikante Geschmack der eingelegten Blütenknospen verleiht dem Gericht den entscheidenden Kick.

Perlhuhn

MIERAL-PERLHUHN MIT SAUCE ALBUFERA
 UND KOHLRABI MIT SENFSAAT

Jean-Claude Mieral, allein der Name scheint das Geflügel zu veredeln. Frei gehalten mit natürlicher Fütterung begeistert das saftige Fleisch.
Schwarze Kartoffel, Kohlrabi mit Senfsaat und die Abwandlung einer Sauce Veloutés, eine Sauce Albufera, stellen sich als perfekte Begleiter des edlen Geflügels heraus.

Vordessert

Vordessert:
Joghurteis, Mangotatar und Minze.

Fruchtig und erfrischend.

Mango

MANGO-PASSIONSFRUCHT „MONTE CARLO“
MIT MANGOTATAR UND KALAMANSI-EIS
und etwas rosa Pfeffer

Ein würdiger Abschluss eines denkwürdigen Menüs.

Wein und Service:

Mauler Cordon Rosé Brut Vin Mousseux, Mauler & Cie SA, Schweiz,
2013, Meursault, Domaine Fabien Coche,
2012, Sottoroccia, Tenuta San Giorgio della Famiglia Rudolph, Schweiz,
2014, Graacher Himmelreich, Riesling Spätlese, Willi Schaefer, Mosel

Die Servicekräfte sind engagiert, locker, freundlich und auskunftsfreudig.
Die ausgesuchten Weine, wir haben natürlich auch etwas aus dem Herkunftsland der Herren gewählt, haben uns gefallen.

FAZIT:

Bei der Würdigung des Menüs neige ich dazu, eine Zweiteilung vorzunehmen.
Von der Auster bis zur Karotte erleben wir eine kreative, französisch inspirierte Küche moderner Ausprägung. Temperaturen, Texturen, Akkorde, die Zusammenstellung der einzelnen Komponenten und die Komplexität der Geschmacksbilder sind mit einem Stern fast unterbewertet. Wolfsbarsch und Perlhuhn scheinen dagegen eher der gehobenen bürgerlichen Küche zurechenbar und zwar in deren bestem Sinne.

Die eingesetzten Produkte sind hochwertig, der Arbeitsaufwand hoch und der Ideenreichtum beträchtlich.

Die Desserts schließlich, halten das Niveau sowohl geschmacklich als auch gestalterisch.

Till Bühlmann wird uns noch häufig begeistern.

Zum Internetauftritt des Restaurants gelangen Sie unter
www.restaurant-richard.de

Kommentare

Eine Antwort zu “Richard (*)”

  1. Alex sagt:

    Toller Bericht – das Lokal werde ich mir auch mal anschauen 🙂

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