Sur mesure par Thierry Marx (**)

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Am 28. Juni 2011 eröffnete mit dem Mandarin Oriental Hotel in Paris ein weiteres Luxusressort seine Pforten. 251 Rue Saint-Honoré, 75001 Paris, so die noble Adresse.
Für das im Erdgeschoss befindliche Gourmetrestaurant wurde mit Thierry Marx ein erfahrener Chefkoch gefunden, der auch als F&B Direktor für das gesamte kulinarische Konzept des Mandarin Oriental verantwortlich zeichnet. Thierry Marx konnte schon im Châteaux Cordeillan-Bages erfolgreich wirken und hat dort zwei Michelinsterne erkocht.
Der Gault & Millau Restaurantführer Frankreich wählte ihn im Jahr 2006 zum „Koch des Jahres“.

Ausgebildet wurde Marx in so namhaften Restaurants wie dem Ledoyen, Taillevent und bei Robuchon. Seine Handschrift ist klar avantgardistisch, sein Hintergrund durch französische Klassik geprägt. Die Grenzen sind ebenso fließend wie seine Vorliebe für regionale Einflüsse gepaart mit fernöstlichen Inspirationen.

Das Restaurant „ Sur mesure par Thierry Marx“ präsentiert sich in modernem Design. Weiße und cremfarbene Elemente wechseln sich ab und bestimmen die Szenerie. Stoffe an Wänden und Decke sollen an Wolken erinnern. Besonders beeindruckend ist ein elliptischer Kronleuchter, der in der Mitte des Restaurants förmlich zu schweben scheint.

Der Empfang war angenehm freundlich. Die Tische boten ausreichend Platz, die Sessel sind groß und bequem.

Während wir die Menükarte studierten wurden wir mit Gewürz- und Schinkencrackern versorgt.

Wir wählten das „Tasting menu 9 courses“ und erlebten unser, soviel darf ich jetzt schon sagen, bisher bestes Dinner in Paris. Ein herrlicher Chablis begeitete die Gänge vortrefflich.

Reis

Structured & destructured rice

Thierry Marx startet gerne mit einem sogenannten Dreierlei eines bestimmten Produktes. Heute sollte Reis im Mittelpunkt stehen.

Wir beginnen rechts unten mit einem gebratenen Risotto mit Mango – zart cremig im Innern und leicht knusprig außen.

Links sehen wir eine ausgebackene, mit Käse gefüllte Reiskugel, die dazu noch auf etwas Käse trapiert wurde. Wiederum zwei verschiedene Texturen, cremig und kross.

In der Mitte schließlich eine Wildreiskugel mit roten Bohnen und japanischem Gemüse. Diesmal eine eher feste Konsistenz.
Alle Miniaturen waren sehr schmackhaft und aromatisch, die Akkorde deutlich.

Der Auftakt gab bereits einen deutlichen Fingerzeig auf die Kreativität der Küche. Bei dem Produkt Reis möchte ich nicht so weit gehen und vom „roten Faden“ des Menüs reden, doch Marx griff immer wieder darauf zurück.
Für fast die Hälfte der Menschheit gilt Reis als Grundnahrungsmittel. Er wurde bereits 400 v. Chr. in Mesopotamien angebaut und etwa im 10. Jahrhundert in Europa eingeführt. Es waren die Mauren, die ihn nach Spanien verbracht haben. Von den fast unzähligen Reissorten, die Zahlenangaben sind je nach Quelle sehr unterschiedlich, werden rund 1400 Reissorten kultiviert, wovon ca. 90 % in Asien angebaut werden.

Ei

Dass als bestimmende Komponente im Laufe eines Menüs ein Ei angeboten wird, scheint sich allmählich in Sternerestaurants durchzusetzen bzw. längst durchgesetzt zu haben.
Nie bin ich mir sicher, ob die Wahl deshalb auf das Ei gefallen ist, um den Preis des Menüs für den Anbieter etwas reizvoller zu gestalten oder ob sich die Küchencrew bei diesem Produkt zu kreativen Höchstleistungen angespornt fühlt. Diesem zweiten Aspekt wenden wir uns nun zu.

Serviert wurde gedämpftes Eigelb mit grünen Erbsen. Dazu gab es ein knuspriges Tomatenfoccacia. In einem weiteren Schälchen befand sich eine Erbsen-Minze-Velouté. Äußerst gelungen, zart und erfreulich unaufdringlich der Geschmack von Minze.
Der beliebten Hülsenfrucht wird eine cholesterinsenkende Wirkung zugeschrieben. Neben dem ausgezeichneten Geschmack ein weiterer positiver Aspekt.

Morel

Aufmerksame Leser meines Blogs kennen natürlich das Pfaffenschnittchen.
„Sot-l´y-laisse“ (ein Narr, wer es liegen lässt). Wir erlebten zartes Fleisch, dezente Röstaromen und eine wunderbar unaufdringliche Würze. Hinzu kam eine Morchel, nicht nur als saisonale Komponente und ein bissfester, geschichteter Kartoffelwürfel sowie ein Kartoffelchip. Die schlicht wirkende doch kreativ beeindruckende und geschmacklich hervorragende Kombination wurde durch einem intensiven Geflügelsud komplettiert. Dazu wurde etwas Brot gereicht.

King crab

Sehr gute, gebratene Königskrabben, fest und dennoch mit zartem Biss, marinierte Gurke, etwas Zitrone und Olivenöl, dazu ein Reisröllchen und fertig war der nächste Gang. Schnell wurde deutlich, dass alle Komponeten sich gegenseitig benötigen um sich zu einem harmonischen und aromatischen Ganzen zu vereinen.

Soy and oysters risotto

Cremig und reich an Aromen erlebten wir das Soja-Austern-Risotto.

Das Foto kann leider keinen Einblick in die gelungene Kombination und auf die große Viskosität unterhalb der Schaumkrone gewähren. Das muss man einfach genießen.
Zum „Risotto“, völlig neu interpretiert, geradezu neu erfunden, gesellte sich eine Morchel als kongeniale Begleitung. Die Austern von erlesener Qualität, ein Hauch von Meer. Dazu etwas Morchelöl. Bei aufmerksamer Betrachtung des Bildes, ist das farblose Morchelöl auf dem Löffel zu erkennen. Ein leichtes, kreatives Highlight.

Der Service, das möchte ich an dieser Stelle bereits erwähnen, war gut aufgelegt, professionell und überaus freundlich. So verwundert es nicht, dass meiner Frau, die ein leicht abgewandeltes Menü gewählt hatte, ebenfalls ein Löffel zur gemeinsamen Verkostung angeboten wurde.

Lobster I

Schließlich erreichte uns ein Stück gebratener Hummer mit Paprika und Auberginen.
In einer Sphäre (oben) befand sich ein hervorragender, leicht würziger Ratatouillesud. Auf der rechten Seite sieht man eine Auberginenkugel.

Intensive Gemüsearomen, abgerundet mit rotem und gelben Paprikagelee sowie rotem und schwarzen Pfeffer, ließen keine Wünsche offen.

Rinderfilet

Für den Hautgang entschied sich meine Frau für ein wirklich ausgezeichnetes Stück vom Charolais-Rind. Die Fettbildung dieser mächtigen Rinder ist eher gering. Pfiffig und würzig flankiert wurde das ausgezeichnete, zarte und saftige Fleisch von Erdnusscreme und Würfeln von Petersilienschaum. Der zart geröstete Blumenkohl lieferte unaufdringliche Kohlaromen, dazu gab es Aceto balsamico in überwältigender Qualität.

Pork

Für mich gab es würziges Schweinefleisch mit etwas Senf, dazu wurde in Comté Gelee ein dezenter Käseschaum mit Gurken eingebettet. Perfekte Pommeswürfelchen, frittiert und schmackhaft, vervollständigten mit einer sehr guten Sauce diesen Gang.

Das Schweinefleisch kam ohne Wucht aus, eher zeigte die Küche, wie übrigens im gesamten Menü, eine erfreuliche Leichtigkeit.

Sweet Bento & Ylang-ylang

Zu den Desserts:

Sweet Bento & Ylang-ylang

Eine knappe Ansage für ein mehr als komplexes Dessert.
Ylang-ylang bedeutet in der malaiischen Sprache „Blume der Blumen“. Gemeint ist damit eine Pflanzenart sowie deren Blüte aus der man ätherische Öle gewinnt.
Bento schließlich ist eine Darreichungsform von Speisen in Japan. Eine Speisenbox sozusagen.

Im Einzelnen:
Rechts unten sehen wir Merinque (Baiser). Ein Schaumgebäck aus gezuckertem Eischnee, aromatisiert mit eben diesem ätherischen Öl. Eine zarte Masse, eher eine leichte Creme, dazu ein Eis mit Orange und Zitrone. Erfrischend und von einzigartiger Raffinesse.

Links unten sind Kirsche, Kirschcreme und Rote Bete-Würfel verarbeitet.

Als nächste Frucht folgt Himbeere begleitet von Nüssen und Mangoknusper.

Schließlich noch eine Schokomousse, Macademia, Sahne und besonders eindrucksvoll, ein Orangenwindbeutel.

sponge cake

Der Abschluss des Menüs war so fulminant wie sein Start.
Ein sponge cake aus Blutorangen mit Rote Bete, herrlich frische Erdbeeren Gariguette, welche besonders saftig sind und die man an der spitz zulaufenden Form leicht erkennen kann.
Die natürliche Süße der Erbeere wurde durch Muscovado, ein ungereinigter und unraffinierter Rohrzucker, noch leicht unterstützt.
Kontrastreich ergänzt wurde das Dessert durch einen Nougatwürfel und intensiv nach Sherry schmeckenden Geleewürfel.

Service:

Der überwiegend weibliche Service agierte wie schon erwähnt, beeindruckend professionell, kompetent, charmant und freundlich. Vom ersten Moment an fühlte man sich gut aufgehoben.

FAZIT:

Der Avantgardist Marx zeichnet sich besonders durch Detailverliebtheit und enorme Kreativität aus. Seine Gerichte sind „erschmeckbar“. Damit will ich sagen, dass die klaren Aromen der Produkte tonangebend und leicht erkennbar sind, in der Gesamtschau aller Komponenten jedoch völlig neue Eindrücke entstehen.

Marx erliegt durchaus asiatischen Einflüssen, die er geschickt und intelligent in die französische bzw. europäische Hochküche integriert. Damit erleben wir keine Abziehbilder asiatischer Speisen sondern eine eigenständige, ja einzigartige und leicht identifizierbare Handschrift eines europäischen Spitzenkochs.

Zur Homepage des Restaurants gelangen Sie über diesen Link

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