Amador (***)

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Der Avantgardist Juan Amador hat nach seiner Ausbildung zum Koch in mehreren Restaurants Michelinsterne erkocht. In Lüdenscheid, auf Sylt und im Schlosshotel „Die Weyberhöfe“ bei Aschaffenburg. Er wurde als früher Vertreter der Molekularküche bekannt und hat, meiner Meinung nach, daraus die richtigen Schlüsse gezogen und bietet heute eine zeitgenössische Küche auf höchstem Niveau dar.

Drei Besuche bei Juan Amador in Langen liegen hinter mir.
In dem hessischen Ort nahe Frankfurt eröffnete er im Jahre 2004 sein eigenes Restaurant. Das charmante und gemütliche Restaurant in Langen wurde durch ein modernes, etwas futuristisch anmutendes in Mannheim ersetzt. Nach dem durchaus interessanten Frankfurter Einzugsgebiet wechselte er also in das wirtschaftliche Zentrum der europäischen Metropolregion Rhein-Neckar.

Dort ist das „Amador“,  in einem Gewerbegebiet liegend, von sachlicher Nüchternheit umgeben. Bei einbrechender Nacht wirkt die Gegend noch weniger anziehend. Nichts deutet darauf hin, dass hinter den Mauern einer ehemaligen Fabrik eines der besten Restaurants Deutschlands beheimatet ist.

Drei Sterne ist die Küchenleistung dem Guide Michelin wert. Der Gault Millau Deutschland schien sich eine Zeit lang jedes Jahr neu entscheiden zu wollen. In den letzten Jahren legte man sich dort auf 18 Punkte fest.

Der Empfang im Restaurant war erwartungsgemäß freundlich, beinahe herzlich.
Der Raum ist hell, die Sessel sehr bequem, die Tische von der erhofften Größe.

Es werden zwei Menüs angeboten. Wir wählten die Version „Momentaufnahme“.
Wobei die Speisekarte, wie seinerzeit in Langen, versiegelt ist und man nach dem Öffnen der Karte fröhlich und zwangsläufig Siegellack auf dem Tisch verteilt.

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„Tapas und Snacks“, so nennen sich die obligatorischen Küchengrüße bei Amador. Diese werden rasch gereicht und das Vergnügen kann beginnen.

Obel links:
Crissini Sepia Quinoa, Petersilienwurzel, Sesam

Oben rechts:
Kabeljau

Unten links:
Enokipilze

Unten rechts:
Roastbeef mit Meerrettich

Im Gegensatz zum anschließenden Menü schienen mir hier die Hauptkomponenten im Vordergrund zu stehen. Die Snacks waren aromatisch eindrucksvoll und interessant.

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Hinzu kam eine Brotauswahl mit leicht gesalzener Butter.
Besonders interessant und daher erwähne ich es ausdrücklich, ein Sepia-Cranberry-Brot (zweites von unten).

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Gillardeau No.2
Sauerampfer, Kiwi, Schmand

Dass Gerard Gillardeau sich als Austernzüchter einen Namen gemacht hat ist sicher ein Allgemeinplatz. Darüber hatte ich bereits früher ausführlich berichtet. Die Nummer hinter der Auster steht für die Größenbezeichnung. Je kleiner die Nummer, je größer die Auster. Nr. 2 punktet mit dem stolzen Gewicht von ca. 100g.

Das Gericht war erfrischend, leicht und von einer eindrucksvollen Harmonie. Schmandespuma und knackige „Popcornkrümel“ waren geschmacklich und texturell nicht nur interessant, sondern außergewöhnlich aromatisch und wohlschmeckend. Kiwi und die nach Austern schmeckenden gleichnamigen Blätter vervollständigten diesen, auch von der Präsentation her, eleganten und perfekten Gang. Für mich das Austerngericht des Jahres.

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Kaisergranat
Rettich, Lustenauer Senf, Lauch

Der Kaisergranat, oftmals auch Norwegischer Hummer genannt, gehört zur Ordnung der Zehnfußkrebse und verfügt hauptsächlich über köstliches Schwanzfleisch. Nur bei größeren Tieren findet man auch in den Scheren noch genügend Fleisch.

Der bissfeste Krebs war von sehr guter Qualität und feinem Geschmack. Noch auffallender jedoch erschien mir der Rettich, der zunächst als Gegenpol, letztlich aber im Zusammenspiel mit dem Krebs und weiteren Komponenten, schwarzer, süßer Senf und Lauch, für ein insgesamt aromenreiches Gesamterlebnis sorgte. Auch wenn ich mich wiederhole, es war die Harmonie dieser Komposition, die so durchdringend und auffällig zu begeistern wusste.

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Gänseleber
Holunder, Schwarze Oliven, Salz – Zitrone

Die Textur der Kügelchen war von zartem Schmelz. Besonders eindrucksvoll empfand ich die Verbindung salzig-fruchtiger Noten mit leicht säuerlichem Einschlag. Eine nahezu perfekte Balance zwischen den einzelnen Komponenten. Hohe Kreativität und handwerkliche Perfektion zeichnen die Küche nicht nur bei diesem Gericht aus.
Ebenso überzeugend war die puristische Architektur des Gerichtes. Beim ersten Hinsehen konnte man die Fülle der schmeckbaren Eindrucke allenfalls vermuten.

Auch die lauwarm servierte Brioche zählte zu den besten die ich bisher genießen durfte.

Wir waren uns am Tisch schnell einig, dass die Balance, die unglaubliche Harmonie der einzelnen Gerichte, das wirkungsvolle Zusammenspiel aller Einzelteile, bereits zu diesem frühen Zeitpunkt mehr als augenfällig war.
Eine bestimmende Komponente in den Vordergrund zu stellen und diese für sich punkten zu lassen ist sicher eine einfachere Methode. Einfachheit ist jedoch nicht Amadors Ding.
Ich möchte an dieser Stelle der abschließenden Einschätzung nicht vorgreifen, doch Amadors Spiel mit Texturen, das Wissen um die Produktbeschaffenheit, die Verbindung scheinbarer Gegensätze, dies alles führt zu unglaublichen Geschmackserlebnissen, so leicht und beschwingt, wie es in Deutschland nur wenige Köche vermögen.

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Mi Tierra
Jakobsmuschel, Steinpilze, Morcilla, Birne

Eine weitere eindrucksvolle Kombination.

Morcilla ist eine spanische Blutwurst. Bei diesem Gericht brillierte sie als Blutwurst-Erde und wurde so zum Bett der Jakobsmuschel. Die würzige, feinkörnige, fast sandige Konsistenz harmonierte perfekt mit dem saftigen Muschelfleisch. Hinzu kam eine leichte Morcillacreme.
Das erdige Aroma kleiner Steinpilze und die süß-fruchtige Birnencreme vervollständigten diesen bemerkenswerten Gang.

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St. Pierre

Ein feiner Krustentiersud und Aioli umschmeichelten den im Meer grimmig dreinblickenden Heringskönig.
Petersilienknusper und iberischer Speck steuerten die notwendige Würze bei.
Auch hier finden wir wieder kräftige Noten zum edlen Meeresbewohner. Letztlich nicht nur optisch gelungen, sondern auch geschmacklich ein Volltreffer.

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Mieral – Taube
Mango, Cocos, Purple Curry

Das französische Spitzengeflügel habe ich zwar häufig in dieser beeindruckenden Qualität erlebt, die Zubereitung mit einem Jus aus Purple Curry war aber geradezu genial. Die milde, dezente Säure, die zarten Nuancen von Mango und Cocos, alles passte wunderbar zusammen.

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Blueberry Hill
Blaubeeren, Roquefort, Weiße Schokolade

Die, erlaubt sei mir die saloppe Bezeichnung, geeiste Roquefortnudel, war eine wirklich gelungene Überraschung. Erfrischend und nur „wenig käsig“, eher süß und fruchtig, bot sich eine interessante Abwechslung nach dem Hauptgang.

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Brick in the wall
Pastinake, Eisenkraut, Grüner Hafer

Süßlich, aber auch etwas zäh kam die Hauptkomponente des Desserts auf den Tisch. Augenzwinkernd wurde das bunte Kunststoffklötzchen eines bekannten Spielzeugklassikers nachgebildet. Die restlichen Komponenten gefielen durch ihre zeitgemäße Präsentation.

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Der Abschluss:
– Karotten-Sanddorn-Kuchen
– Schwarzwälderkirschlolli mit Speck
– Leckmuschel aus Mandelmilch, das Innenleben nicht mehr erinnerlich
und Pfirsisch-Melba

Das Dessert und die nachfolgenden „Pequeñas locuras“ waren der Abschluss eines beeindruckenden Menüs.
(Anklicken vergrößert die Bilder).

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Freundlich und gut gelaunt:
Chef Patron Juan Amador (links) und Maître Sommelier Sascha Schömel.

Weinbegleitung und Service:

Rimarts Brut Nature Reserva, Bodegas Rimarts
2012 Nisia – Verdejo Old Vines, Rueda

Sauvignon Blanc 2011 Bodegas Reina de Castilla
Botani 2011 Bodegas Ordoñez
Avanthia Godello 2011 Bodegas Avanthia
Alto Moncayo 2010, Garnacha, Bodegas Alto Moncayo

Die kleine Servicebrigade ist engagiert und professionell.
Immer auskunftsbereit und vor allen Dingen auch zu Auskünften fähig.

Sascha Schömel, der für die Weinbegleitung verantwortlich zeichnete, war überaus freundlich und präsentierte die einzelnen Weine mit beeindruckender Sachkunde.

FAZIT:

Amadors Kreationen unterliegen zweifellos einer stetigen Weiterentwicklung und dem Streben nach Perfektion. Konnten wir 2007 noch eine gewisse Verspieltheit konstatieren, so dominiert heute Ernsthaftigkeit und Durchdachtheit, wenn ich das mal so nennen darf. Beherrschende Komponenten, die mit ihrem Eigengeschmack die begleitenden Komponenten überlagern, sucht man vergebens. Die Balance, die Harmonie, die unvorstellbare Ausgeglichenheit der Kompositionen machen den Zauber der Kreationen aus.
Natürlich schmeckt man einzelne Bestandteile heraus, das besondere Vergnügen bereitet aber der gustatorische Mix.

Amador hat, meiner Meinung nach, den Pfad des Zeitgeistes verlassen. Damit will ich sagen: Die Zeit experimenteller Kochkunst ist vorbei. Er geht seinen eigenen Weg mit unverkennbarer Handschrift und großem Engagement.

Chapeau!

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