Bieberbau (*)

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Der Guide Michelin 2016 hat im November letzten Jahres mit der Zuerkennung eines Michelinsternes dem Berliner Restaurant Bieberbau Anerkennung und Würdigung gezollt.

In einer ruhigen Wohngegend in Berlin-Wilmersdorf kocht Stephan Garkisch für eine kulinarisch interessierte Fangemeinde groß auf. Das Haus wurde 1894 vom Stuckateurmeister und Bildhauer Richard Bieber gestaltet und nach Zerstörung im Krieg wieder aufgebaut. Seit 2003 führen Anne und Stephan Garkisch das Restaurant mit seinem denkmalgeschützten Gastraum.

Die Auszeichnung mit einem Michelinstern ist mit dem Hinweis verbunden, dass die „überaus schmackhafte Küche, keinen übertriebenen Luxus braucht, sondern vielmehr auf Kräuter setzt, und obendrein ist sie auch noch preislich fair!“
Eine, wie ich finde, knappe, ja fast zaghafte Begründung.

Daher ist es mir eine besondere Freude, Ihnen das Restaurant und die Küchenleistung etwas näher vorzustellen.

Das Ehepaar Garkisch hat übrigens äußerst souverän und klug auf den Michelinstern reagiert. Nämlich garnicht. Konzept, Preise, alles ist noch so wie vorher.
Beeindruckend und lobenswert, wie ich finde.

Das Ambiente des mit Stuckarbeiten verzierten Gastraumes ist gediegen, die Tischgröße ist gerade ausreichend. Wir entscheiden uns für eines von drei angebotenen Menüs. Auch für Vegetarier ist etwas dabei.

Der erste Gruß aus der Küche:

AB-I

Zwiebelküchlein mit Olivencrèmefraiche und Estragon.

Der Zwiebelgeschmack ist kräftig und intensiv. Hinzu kommt die Frische der Olivencrèmefraiche. Ein gelungener Auftakt.

Es wird selbstgebackenes Brot gereicht: Baquette, Vierkornbrot, Gewürzbrot sowie
Butter mit Mumbaycurry undApfel und Dillbutter.

AB-II

Zu unserer Freude wird ein weiteres Amuse Gueule serviert.
Dillbrot mit Acocadocrème, Schinkencrème und Biergelee.
Crèmes und Biergelee sind besonders schmackhaft.

Pulpo

Pulpo mit Steckrübe,
Ananas, Kreuzkümmel, Petersilie

Der essbare Kopffüsser ist gut gegart und begeistert vor allen Dingen mit der leichten Süße der Fruchtnoten. Ein herrlicher Kontrast und interessantes Aromenspiel.
Die frittierte Steckrübe mit leichtem Biss und eine schmackhafte Steckrübenemulsion runden das harmonische Gericht ab.

Rote-Bete-Suppe

Rote Bete Suppe,
geräucherter Heilbutt, Lemnos Feta und Tahoon Kresse

Natürlich beherrschen die intensiven Betenoten die Szenerie.
Der geräucherte Heilbutt fühlt sich in der Suppe wohl und die Tahoon Kresse ist ohnehin ein geborener Begleiter zum Feta-Käse.

Wels

Müritz Wels mit Wirsing,
Rotkohljus, Meeresfrüchte und Blutorange

Der durch sein Äußeres furchteinflösende nacht- und dämmerungsaktive Raubfisch gehört nicht zu meinen Lieblingsspeisefischen. Doch welch Glück, dass ich mich trotz vordergründiger Abneigung nicht dagegen entschieden habe. Ich hätte sonst das beste Welsgericht meines Lebens verpasst.

Der gedämpfte Fisch war köstlich und erreichte mit der Blutorangenmarmelade ein unglaublich hohes Geschmacksniveau. Muscheln und kleine Schnecken, alles mit einer Rotkohljus abgeschmeckt und etwas Wirsing rundeten die Kombination ab.

Erfreulich fand ich die Tatsache, dass die Speisen auch mengenmäßig einiges zu bieten hatten ohne allzu opulent zu wirken.

Huhn

Schwarzfederhuhn mit Rotweinrisotto,
Wintersalate, Schwarze Nüsse und Tallegio

Die kräftigen Radiccionoten passten hervorragend zum saftigen und kompakten Geflügel.
Wenn ich nicht ganz daneben liege, handelte es sich bei den Nüssen um kandierte Walnüsse. Bissfest, knackig und hervorragend im Geschmack, passten diese wunderbar zum Fleisch.
Geschmacklich großartig war das Rotweinrisotto, von dem ich mir trotz vielleicht etwas weniger gelungener Optik einen Nachschlag gestattete. Der norditalienische Weichkäse vervollständigte das Gericht.

Blumenkohl

Blumenkohl,
Liebstöckel, Sauce Mornay und Boskoop

In der Vorstellung mag diese Kreation etwas schwerfällig erscheinen. Doch der Blumenkohl und ein etwa neun Monate gereifter Bergkäse verbinden sich zu einem köstlichen Mahl. Frittierte Knoblauchchips und leichte Säurenoten des Winterapfels gefallen uns besonders gut.
Das Ganze findet seine Verbindung in einer Sauce Mornay, der Haupt- oder Grundsauce der französischen Küche, ähnlich der uns bekannten Béchamelsauce.

In der Vorbereitung auf den Restaurantbesuch konnte ich lesen, dass Stephan Garkisch Kräuter und Blumen selbst zieht. Und schon wird daraus der „Kräuterkoch“.
Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass Kräuter, Blumen, Gemüse oder Salate eigentlich nie aus den Menüs verschwunden waren.
Sie scheinen jedoch, und das ist eine sehr positive Entwicklung, verstärkt wieder in den Fokus zu geraten.

Die Molekularköche und die ihnen nachfolgenden Avantgardekünstler schienen kurzzeitig so sehr im Blickpunkt, dass der klassische Kochkünstler, mit Kräutern und Gemüse, auch alten Gemüsesorten, Salaten und vor allen Dingen Saucen, in den Hintergrund geriet.
Ich weiß garnicht, wie lange schon Rainer-Maria Halbedel in Bonn-Bad Godesberg ohne großes Aufsehen zu erregen sein Gemüse selbst anbaut.

Jedenfalls erscheint mir die Schublade „Kräuterkoch“ für Stephan Garkisch etwas zu klein geraten. Er hat großes Verständnis für Produkte und wie diese auf dem Teller zu begleiten sind. Er kann Aromen in den Mittelpunkt stellen oder durch geschickt ausgewählte Begleiter verstärken oder verbreitern.

Voresset:
Schokoladencreme, Mangosorbet, geeiste Himbeere (o.Abb.)

Banane

Bananenbisquit, Moccasorbet, Cassis.
Erfrischend und geschmackvoll.

Wein und Service:

2014, Chardonnay R, Rebholz, Pfalz,
etwas Rotwein zum Huhn.

Die Weinkarte erfreut nicht nur mit interessanten deutschen Weinen sondern auch mit gastfreundlich kalkulierten Preisen.
Der Service um Anne Garkisch agiert zurückhaltend, fast schüchtern.
Passend zur guten Atmosphäre des Gastraumes.

FAZIT:

Regional und saisonal.
Damit ist man schon nah an den Kriterien, die von Bedeutung für Stephan Garkischs Küche sind.

Gemüse und Kräuter.
Keine nebensächlichen Beigaben sondern wesentliche Elemente klassischer Kreationen, welche den Geschmack in den Mittelpunkt stellen.

Bodenständigkeit statt Selbstdarstellung.
Triebfeder der Küche ist nicht das Bemühen neue Trends zu setzen.
Statt dessen erwartet den Gast ein Menü welches geschmacklich feinsinnig abgestimmt ist, eine erstaunliche aromatische Dichte aufweist und so reichlich bemessen ist, dass man sich heiter und vergnügt dem Schlemmen hingeben kann.

Zum Internetauftritt des Restaurants gelangen Sie mit diesem L i n k .

Kommentare

Eine Antwort zu “Bieberbau (*)”

  1. Ben brake sagt:

    Danke für die ausführliche Bewertung … dann werde ich das mal auf die Liste der Besuche für 2016 schreiben.

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