first floor (*)

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Kombinationen von bestechender Klarheit und eindrucksvoller Qualität.
Ein Koch der nicht nur am Ende des Abends seine Runde dreht, ein Chefsommelier den man nicht mehr vorstellen muss und ein Service, der zur Professionalität charmante Gelassenheit ausstrahlt, das ist das first floor in Berlin.

Seit fünf Jahren kreiert Matthias Diether im Restaurant first floor des Hotels Palace in Berlin Kombinationen von bestechender Klarheit, Kreativität und eindrucksvoller Qualität.
Dies scheint auch dem Gault&Millau Deutschland aufgefallen zu sein, der durchgehend Gutes in seiner neuesten Ausgabe berichtet, jedoch am Ende mit der Einordnung von 17 Punkten eine gewisse Mutlosigkeit erkennen lässt.

Den hohen Stellenwert und die Anerkennung des first floor in Deutschland kann man unschwer daran erkennen, dass es im aussagekräftigen „Hornstein Ranking 2015“ deutschlandweit den 33. Platz einnimmt.

Jahr für Jahr wird das Restaurant mit einem Michelinstern ausgezeichnet, was bei dem Werdegang Diethers eigentlich niemanden verwundern sollte.
Bei namhaften Köchen machte er Station. Er war bei Lothar Eiermann (Zwei Sterne im Wald- & Schlosshotel Friedrichsruhe in Zweiflingen) und wie kann es anders sein, bei der unbestrittenen Nummer 1 in Deutschland, Harald Wohlfahrt in der Schwarzwaldstube in Baiersbronn.
Er war bei Dieter Müller im Schlosshotel Lerbach und bei Sven Elverfeld im Wolfsburger Aqua. Es folgten Abstecher nach Dubai, Abu Dhabi und Schottland. Zuletzt fand man ihn in Alt Duvenstedt im Töpferhaus.
Diese Aufzählung ist nicht der Chronistenpflicht geschuldet sondern dient der Suche nach Einflüssen auf Diethers Stilistik. Dazu später mehr.

Das Restaurant ist groß, hell, einladend. Große Tische und bequeme Sitze bieten ausreichend Komfort.
Der Empfang ist herzlich. Zum Aperitif werden bereits die ersten Küchengrüße gereicht.
Dreierlei vom Stör ist mir dabei noch in besonders angenehmer Erinnerung.

Matthias Diether kommt nicht erst am Ende des Abends zu seinen Gästen, sondern berät schon im Vorfeld, knüpft die Verbindung mit dem Gast, nimmt Wünsche auf und schafft so eine Atmosphäre des Vertrauens.

Blaue Garnele

Blaue Garnele – Kürbis – Kokos

Auf dem optisch ansprechenden Teller überzeugt uns die Garnele mit festem Biss und naturlichem Geschmack. Den Kürbis empfinde ich als eher unwillkommenen Gast, während der Geschmack von Kokos – alles weiße auf dem Foto ist Kokos – uns beiden gut gefällt. Die eher stumpfe Textur der Kokosraspel mal ausgenommen.

Wolfsbarsch

Wolfsbarsch – Artischocke – Bärlauch

Wenn auch nicht unbedingt eine kulinarische Großtat, so gefällt uns diese Kombination wegen der geschmacklichen Tiefe und der enormem Leichtigkeit.
Einen besonderen Pluspunkt gibt es für den Bärlauch, dessen üblicherweise intensiver Duft nach Knoblauch diesmal angenehm zurückhaltend ist.

Blumenkohl

Blumenkohl – Curry

Der Blumenkohlschaum überrascht mit feinem und unaufdringlichem Aroma.
Das Curryeis, mit leichter Schärfe kokettierend, erfrischt und setzt einen entscheidenden Kontrapunkt mit der gegensätzlichen Temperatur.

Brillat-Savarin

Brillat Savarin – Pata Negra – Kumquat

Der handgeschöpfte Frischkäse aus Kuhmilch ist mild und leicht säuerlich.
Leicht säuerlich beschreibt an dieser Stelle auch meinen Gemütszustand, vermute ich doch tatsächlich mit dem Käsegang den Abschluss des Menüs an dieser allzu frühen Stelle.

Der Käse ist leicht karamellisiert und mit schwarzem Trüffel veredelt.
Feine Säure, intensives Trüffelaroma und der König unter den Schinken überzeugen mit breitem Aromenspektrum.

Wolfsbarschravioli

Ravioli vom Atlantik Wolfsbarsch – Bohne

Nun bin ich ja gewöhnt, dass Menüs nicht immer die Spannung aufrecht erhalten können und ein alles überragender Gang oftmals den Höhepunkt eines Menüs darstellt.
Völlig anders am heutigen Tag. Nicht dass ein Höhepunkt den anderen jagen würde, vielmehr hält die Küche den Spannungsbogen und das hohe Niveau.

Verschiedene Bohnen, schwarze, grüne, ein Ei, welches erst beim Öffnen des Raviolo sichtbar wird, sind schmackhafte Begleiter. Passepierre-Algen komplettieren schließlich das grandiose Gericht.
Die Salzpflanze, wir kennen sie auch unter dem Namen Queller, wächst auf Salzwiesen, die bei Hochwasser vom Meer überflutet werden.
Der Geschmack ist leicht pfeffrig und salzig und erinnert an grünen Spargel.

Taube

Étouffée Taube – Milchreis – Himbeere

angegossen mit einem hervorragenden Taubenfond.
Zimt und Himbeere als kongeniales Paar harmonieren mit der Taube und fügen mit zartem und feinem Aromenspiel eine nahezu exotische Note hinzu.

Der Milchreiscracker findet als Erinnerung aus der Kindheit Eingang in das Gericht und gibt einen Fingerzeig auf Diethers Bodenhaftung.
Mag der Einfluss von Kindheitserinnerungen in die Hochküche auch keine Erfindung von Matthias Diether sein, mir persönlich gefällt diese Hinwendung zu Tradition und Bewahrung positiver Geschmackserlebnisse.
Kreativen Köchen öffnen sich damit ungeahnte Möglichkeiten.
Vor allen Dingen bleiben sie damit dem Gast verständlich. Essen ist schließlich ein Sinnes-und Geschmackserlebnis und kein intellektuelles Kammerspiel.

Der Rückgriff auf kulinarische Frühempfindungen oder Familienrezepte hat auch andere Köche schon inspiriert. Hendrik Otto, Sven Elverfeld oder Alain Passard aus dem Pariser Arpège, der gerne Anleihen bei Omas Rezepten nimmt.
Zurück in die Zukunft für Sterneköche. Ohne DeLorean und Fluxkompensator.

Zwiebelrostbraten

Wagyu Zwiebelrostbraten – Spätzle „first floor“

Der Wagyu Zwiebelrostbraten, ein tadelloses Produkt, weist den perfekten Garpunkt aus und wird mit einem geschmacksintensiven Fond abgerundet.
Die Spätzle „first floor“ dienen der Sättigung und bleiben eine Randerscheinung.

Mein Interesse gilt eindeutig den als Beilagen gereichten Zwiebelchen.

Zwiebel

Zwiebel, mal karamellisiert, gebraten, ein Zwiebelküchlein, Mus, Blätter, Blüte.

Meiner Meinung nach ist mit Hummer, Auster, Kaviar, Jacobsmuschel und anderen Luxusprodukten der Vorstellung herkömmlicher Spitzengastronomie schnell genüge getan.
Doch der eigentliche Zauber, der eigentliche Grund, weshalb ich die Sterneküche so mag ist die Tatsache, dass bei gleichbleibender Bedeutung unterschiedlichster Produkte der wahre Meister darin zu finden ist, dass er diese mit kreativer Ausgestaltung und einer Fülle von Ideen umsetzt und auf ein hohes Niveau bringt.

Der Gault&Millau, den ich anfangs schon erwähnt habe, bringt dies mit der Bemerkung „Seine Küche ist, pardon!, erwachsen geworden“ zum Ausdruck.
Eine Aussage, die trotz beeindruckender Schlichtheit offensichtlich den Punkt trifft.

Doch zurück zum Thema. Die Beilagen dienen als gutes Beispiel für die Ideenvielfalt und die Kreativität von Matthias Diether. Es gibt keine unbedeutenden Details. Allen Bestandtteilen wird die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet, der Beilage, wie dem Garpunkt der Hauptkomponente, so erreicht man den perfekten Genuss.

Rote-Bete

Rote Bete – weiße Schokolade – Banane

Das Vordessert ist modern gestaltet und geschmacklich gut. Verschiedenartige Texturen koalieren vortrefflich. Einzig die Banane wirkt auf mich etwas unelegant.
Insgesamt jedoch hält die Patisserie das Niveau der bisherigen Speisen.

Veilchen

Veilchen „Das kleine Rasenstück“

Zweierlei Rhabarber, ein cremiges Törtchen, etwas Eis.
Welch ein bezaubernder Anblick.

Die Tellerserie, um es einmal so zu nennen, ist von einem spanischen Designer.
Beim nächsten Besuch werde ich versuchen, darüber etwas mehr in Erfahrung zu bringen.
Doch bei all dem modernen Design, was hat man hier nicht schon alles erlebt, ist im first floor das Porzellan nicht nur beeindruckend stylish sondern vor allen Dingen durchaus praktisch zu handhaben.

Wein und Service.

2014 Grauburgunder Friedrich Becker, Pfalz
2013 Sancerre Gérard Boulay, Chavignol
1989 Vouvray Paul Buisse, Loire
2011 Viognier Philipp Kuhn, Pfalz
2007 Synchronicity Martin Meinert, Stellenbosch, Südafrika
Vdulce Colección Javier Sanz, Rueda

Chefsommelier Gunnar Tietz muss man eigentlich nicht mehr vorstellen. Mit Auszeichnungen förmlich überhäuft, möchte ich beispielhaft nur die Titel „Sommelier des Jahres“ 2011 von Gault&Millau und 2008 vom Schlemmer-Atlas oder von den „Partner für Berlin“ die in abgewandelter Form den „Berliner Sommelier des Jahres“ 2006 geehrt haben, nennen.

Auch heute hat mich seine Auswahl an Weinen mehr als zufrieden gestellt. Seine Weinempfehlungen sind fundiert, Vorlieben der Gäste nimmt er auf.
Ein Tropfen hat mir dabei besonders gut gefallen, den ich an dieser Stelle aber nicht herausstellen möchte, da das Angebot beim Winzer begrenzt ist und ich bereits geordert habe.

Mit dem Service war ich schon früher zufrieden. Auch zu Zeiten von Matthias Buchholz gab es keinen Anlass zur Klage.
Mittlerweile jedoch ist eine gewisse Gelassenheit zur Professionalität hinzugekommen, das Gespräch mit dem kundigen Service fällt leichter und die Atmosphäre ist ungezwungener geworden. Eine überaus erfreuliche Entwicklung.

FAZIT:

Matthias Diether ist nun schon fünf Jahre Küchenchef im first floor und hat es in dieser Zeit scheinbar mühelos geschafft einen eigenen Stil zu entwickeln und seine Gäste mit klassischer Küche zu verwöhnen.

Wobei klassikliebende Gourmets oftmals einen Rechtfertigungszwang gegenüber einer wachsenden Schar eventverliebter postmolekularer Avantgardisten und neuerdings auch nordisch angehauchter Regionalküchenweltverbesserer empfinden.

Diether jedenfalls interpretiert seine Klassik vorwärtsgewandt und modern. Seine Kreationen sind leicht, aromatisch, er vermeidet Opulenz ohne allzusehr puristisch zu wirken, belässt den Produkten den Eigengeschmack und verzaubert mit kreativ eingesetzten und klug ausgewählten Begleitern.
Er beherrscht Temperatur und Textur, nimmt neue Entwicklungen auf ohne ihnen zu erliegen, weiß Akkorde des Geschmacks zu setzen und verzichtet auch nicht auf eine anspruchsvolle Optik, ohne die Kunst des Anrichtens zum Selbstzweck zu erheben.

Zur Homepage des Restaurants kommen Sie mit diesem Link

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