Fischers Fritz (**)

Ende Januar habe ich im Bericht über das Lorenz Adlon Esszimmer darüber spekuliert, wann und an wen der dritte Michelinstern eines Tages in Berlin gehen könnte.
Derzeit gibt es in Berlin die stattliche Zahl von sieben Restaurants mit jeweils zwei Sternen. Grundsätzlich wäre damit jeder ein Anwärter auf den dritten Stern. Meine persönlichen Favoriten sind das bereits genannte Lorenz Adlon Esszimmer und natürlich Tim Raue. 12 weitere Restaurants sind mit einem Stern ausgezeichnet. Damit ist Berlin als kulinarischer Standort recht gut aufgestellt.

Der Boom begann nach der Jahrtausendwende. Sternerestaurants kamen in Mode und 2007 erhielt Berlin nach langen Jahren des Wartens endlich wieder ein Zweisternerestaurant: Das Fischers Fritz mit dem Küchenchef Christian Lohse. Zugegeben, die Ehrung kam für mich überraschend, hatte ich doch eindeutig Tim Raue auf dem Zettel. Doch Raue hat mittlerweile nachgezogen und Lohse sogar deutlich überholt.

Das Fischers Fritz war also 2007 zur Speerspitze der Berliner Spitzengastronomie geworden. Doch Restaurants mit zwei Michelinsternen gab es bereits früher in der Stadt. Ende 1975 war es der Franzose Henry Levy, der mit dem „Maitre“ in der Meinekestraße, in der ich einige Jahre gewohnt habe, zwei Michelinsterne erkochen konnte und später kam der unglückliche Siegfried Rockendorf dazu, der allzu früh im Jahr 2000 im Alter von 50 Jahren verstarb.

Nun sitzen wir also erneut im Fischers Fritz und sehen uns mit der Tatsache konfrontiert, dass Christian Lohse durch Abwesenheit glänzt. Mit sichtlichem Stolz wies man uns daraufhin, dass wir Herrn Lohse ja bestimmt schon im TV gesehen hätten. Und ja, hatten wir tatsächlich. Bei der Kochshow „Game of Chefs“ auf dem Sender VOX konnte man 12 Folgen lang die „Sterneköche“ Lohse, Christian Jürgens und Holger Bodendorf bewundern. Nach zwei Folgen hatten wir allerdings genug von von dem, meiner Meinung nach, sehr trägen Format und von Sterneköchen, die gerne beim Verkosten von Speisen die Finger ablecken.

Zurück zum eigentlichen Thema. Ein gut geführtes Restaurant, eine gut geführte und ehrgeizige Küchencrew funktioniert auch ohne Anwesenheit des Küchenchefs. Zu Beginn des Abends war ich jedenfalls davon noch überzeugt.

Wir entschieden uns à la carte zu speisen, wählten zur Begleitung einen 2015er Chablis 1er Cru, Montmain Domaine Gerard Tremblay und widmeten sodann unsere Aufmerksamkeit den Amuse Bouches.


Marinierter Lachs mit grünem Spargel, Koriander und Pistazienpesto, Burratawürfelchen und hausgemachte Aniscracker


Geflügelbrühe mit Bärlauch und floralen Noten, Kalbstatarkugel im Grünkernmantel, Johannisbeeren

Die Küchengrüße bestätigen, was wir längst wissen. Die Küche bewegt sich auf sicheren Pfaden durch die französische Klassik, zeigt gutes Handwerk und eine gute Balance.


ANGUILLE FUMEE ET FOIE GRAS
Terrine von Gänsestopfleber und geräuchertem Havelaal, Pfefferkaramell und Konfitüre von violetten Auberginen

„Die knusprig glasierte, hauchdünne Decke Pfefferkaramell vollendete ein ohnehin schon außergewöhnlich geschmacksintensives Gericht, welches durch die an den Enden platzierte Auberginenkonfitüre ein geradezu futuristisches Aussehen bekam.“

Das habe ich bereits 2011 geschrieben. Dem ist im Jahr 2017 eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Die französische Haute Cuisine ist typisch für das Fischers Fritz und Christian Lohse, deshalb sind wir schließlich hier. Lohse war Auszubildender im Restaurant „Jean Pierre Billoux“ in Dijon und u.a. im Zwei-Sterne-Restaurant „Charles Barrier“ in Tours sowie im „Guy Savoy“ (drei Michelinsterne) in Paris tätig. Das hat ihn anscheinend nachhaltig geprägt.


OEUF ONSEN ET CRESSON
Knusprig gebackenes Demeter Onsenei mit Frühlingspilzen, Gänsestopfleber und Brunnenkressecoulis

Ein Signature dish von Christian Lohse, bei dem Zubereitungsart und die begleitenden Komponenten ständig variieren und ohne den im Fischers Fritz etwas fehlen würde.

Das Onsen-Ei hat seinen Ursprung in Japan. Dort werden die Eier bei ca. 60 bis 70 Grad in heißen Quellen gegart. Onsen werden die Quellen genannt, Onsen-Tamago das Ei. Genau genommen heißt es, wenn man es einfach übersetzt „Eier aus den heißen Quellen“. So einfach kann es manchmal sein.

Keinesfalls einfach, sondern geschmacklich sehr gelungen, ist Lohses Gericht an diesem Abend. Gänsestopfleber und Brunnenkressecoulis passen vortrefflich zum Ei.


Wachtelei mit Kartoffelpüree und Morcheln, Brunnenkressecoulis

Während ich das Onsenei auswählte, wollte meine Frau einen Gang aussetzen.
Die Küche überraschte sie mit dem Wachtelei. Eine großzügige Geste.


LANGOUSTINES ET CAVIAR D’OMBLE CHEVALIER Carpaccio von Atlantik-Langostinos
geschlagener Sauerrahm und Saiblingskaviar

Das grüne Segel ist ein Chip aus Kartoffelpüree und Algensaft. Ein echter Hingucker, der geschmacklich recht gut gefiel.



JARRET DE VEAU ET PERSIL Milchkalbshaxe vom Röstblech grüne Petersilienwurzel
Sauce béarnaise mit Morcheln für 2 Personen

Das Gericht wurde zu unserer Überraschung in zwei Gängen serviert. Die Karte gab darüber keine Auskunft.

Beim zweiten Service gab es als Beilage Salat mit Walnussjus.

Befremdlich fand ich die Tatsache, dass Salz, Pfeffer und Senf zum Nachwürzen aufgetischt wurden. Meiner Meinung nach ist der Koch für die Würze eines Gerichtes verantwortlich und nicht der Gast.

Freunde opulenter Fleischportionen wären sicherlich über die insgesamt ca. 9 oder 10 Fleischteile erfreut. Für mich, obwohl ein „guter Esser“, war dies deutlich zu viel. Jedoch möchte ich nicht meine Vorlieben oder Abneigungen zum Maßstab machen, sondern dies jedem selbst überlassen. Doch wie bei der Würze eines Gerichtes, muss man auch bei der Portionierung das rechte Maß finden. Der erste Teller war völlig ausreichend. In beiden Fällen haben uns die Beilagen besonders zugesagt. Die Sauce béarnaise mit Morcheln hatte es uns besonders angetan.


CACAHUETE ET CHOCOLAT
Erdnussmilcheis mit Misokaramell-Milchschokolade in Texturen

Sie erkennen das Dessert nicht auf dem Foto? Ich auch nicht. Zwar hatte ich das Dessert geordert, doch beglückt wurde ich mit dem nachfolgenden Gang. Sollte eigentlich nicht passieren.

GRUE DE CACAO ET LEGUMES RACINE
Weiße Mousseline von Kakaobohnen und Sauerrahm
Crèmes von gebackenen Wurzelgemüsen, Coulis von Balsamico di Modena,
geeistes Olivenöl (o.Abb.)

Die Crèmes von gebackenen Wurzelgemüsen waren das eigentliche Highlight bei diesem Dessert. Die Pâtisserie zeigt sich damit deutlich moderner und experimentierfreudiger, als man es in diesem klassisch-französischen Restaurant vermuten würde.


Petits Fours

FAZIT:

Christian Lohse hatte den Restaurantführer Gault&Millau Deutschland einst so begeistert, dass dieser ihn mit 19 Punkten belohnt hatte. Mittlerweile vergibt der G&M hier nur noch 16 Punkte.

Dabei sind die klassischen Gerichte größtenteils vorzüglich ausbalanciert sowie aromatisch und handwerklich gut gemacht. Die Kritikpunkte habe ich ja hinreichend benannt.
Die Pâtisserie, die etwas experimentierfreudiger agiert, möchte ich noch einmal hervorheben. Die Verwechslung des Desserts war ein typisches Kommunikationsproblem mit dem Service und geht jedenfalls nicht zu Lasten der Pâtisserie.

Bei kritischer Abwägung halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass höhere Bewertungen und positivere Kritiken zunächst deutlichere Anstrengungen voraussetzen. Dass sowohl die Küchencrew als auch die Servicebrigade dazu in der Lage ist, konnten wir in der Vergangenheit bereits konstatieren.

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