Der Einstieg in einen Bericht über gutes Essen bei einem Restaurantbesuch beginnt regelmäßig mit einem Überblick über den Werdegang des Koches. In diesem Falle handelt es sich um eine Köchin: Sonja Frühsammer, Berlins einzige Sterneköchin.
Hier können wir uns getrost eine lange Einleitung ersparen, da Sonja Frühsammers Lebensgeschichte hinlänglich bekannt ist und wir schon häufiger über sie berichtet haben. Erwähnenswert erscheint mir allerdings die Tatsache, dass sie bei Siemens eine Kochlehre absolvierte und nicht, wie gefühlt jeder dritte Sternekoch, bei Harald Wohlfahrt in der Küche begonnen hat. Ein Engagement bei Karl Wannenmacher im Alt-Luxemburg, hat mit Sicherheit zu interessanten Einsichten und weiterführenden Kenntnissen geführt. Wannenmacher kochte bereits in den Siebzigerjahren auf hohem Niveau, nämlich in Berlins erstem Zweisterner, dem Maitre in der Meinekestraße.
Für Sonja Frühsammer also eine durchaus wichtige und interessante Station.
Sonja und Peter Frühsammer bei der Michelin-Pressekonferenz im November 2014.
Natürlich kann man nicht über Sonja Früsammer schreiben ohne deren Ehemann Peter zu erwähnen. Peter Frühsammer, selbst in jungen Jahren mit einem Michelinstern ausgezeichnet, ist eher der klassisch, konservativen Küche zugewandt. Sonja hingegen ist offener gegenüber moderneren Einflüssen, ohne jedoch jedem modischen Unfug hinterherzulaufen. Die Gespräche des Ehepaares über die strategische Ausrichtung der Küche stelle ich mir jedenfalls recht unterhaltsam bis anstrengend vor.
Nachdem wir unsere Plätze in dem hellen, großen Gastraum eingenommen haben, wählen wir unterschiedliche Gänge aus dem angebotenen Menü.
Im Folgenden gehe ich nicht auf alle Gerichte ein, da ich ja schon mehrfach über Frühsammers Restaurant geschrieben habe.
Sphärische Olive
Parmesanpraline und Eberesche
Kumquat und Thunfisch
Die ersten Küchengrüße lassen nicht lange auf sich warten.
Und mit diesen kommt auch unser einziger, zugegeben sehr subjektiver, Kritikpunkt.
Wer, wie wir im Jahr 2007, die sphärische Olive bei Ferran Adria in Roses serviert bekam, wird wohl kaum vergleichbares finden. Es war ein fürwahr eindrucksvolles Erlebnis. Aus einem großen Einmachglas, in welchem sich eine Kräuterölmischung befand, wurde mit einem dafür designten Löffel die Olivensphäre geangelt und vorsichtig auf einen Probierlöffel gelegt. Im Mund zerplatze das Ganze und endete in einer wuchtigen Geschmackserfahrung mit hohem Spaßfaktor.
Nun mag es unfair erscheinen, Adrias Signature dish zum Vergleich hervorzukramen, doch die unbewusste Verknüpfung ist zu deutlich und das Pendel schlägt hier leider zu ungunsten von Sonja Frühsammer aus.
Gelingt es, das Vorerlebnis auszublenden, wird die Olivensphäre gleich viel positiver beurteilt.
Schnell wenden wir uns nun den weiteren Amuse bouches zu, die allesamt handwerklich gut geraten sind und geschmacklich durchaus beeindrucken.
Petersilienwurzel, Zitrone und Kapern
Ein erstaunlich leichtes Gericht mit einem aromatischen Gänselebereis.
Suppenshots.
Aubergine
Lamm
Hokaidokürbis mit Tonkabohne
Die Suppenshots dürfen bei Sonja Frühsammer nicht fehlen.
Wie immer sind sie äußerst schmackhaft.
Jakobsmuschel, Schwarzwurzeln, rosa Grapefruit, Koriander, Safransud
Loup de Mer, Topinambur, Fenchelsalat, Meerrettich, Dill
Ein sehr schön gegartes Teil vom Wolfsbarsch.
Schweinebäckchen, Pak Choi, Shi Take, Zitrone, Pancetta
Auffallend zarte Säurenoten koalieren mit einer geschmacklichen Schärfe.
Nun gut, Schärfe ist keine Geschmacksrichtung, doch Sie wissen, was ich meine.
Das Gericht ist vielschichtig und bestens ausbalanciert.
Ostalb Lamm, Blumenkohl, Beluga Linsen, grüner Pfeffer
Beelitzer Hirschfilet, Rote Bete, Mohnschupfnudeln. Estragon, Süßholz
Ein klassischer Hauptgang. Die Mohnschupfnudel passen vortrefflich zum perfekt gegarten Hirschfilet. Rote Bete zur Begleitung klingt vielleicht etwas simpel, doch stellen sich diese schließlich als ideale Ergänzung heraus.
Mandarine, Kopfsalat und Basilikumeis
und
Mandarine, Basilikum, Gin
Vordesserts sind grundsätzlich so eine Art Vorbereitung auf das Finale. Sie sind regelmäßig nicht nur kleiner als die nachfolgenden Desserts sondern, meiner Meinung nach, auch geschmacklich weniger auffallend. Kein Wunder, sie sollen ja vorbereiten und den Endeffekt nicht vorwegnehmen.
Doch mon Dieu, was passiert hier?
Der kleine Zwischengang mit seinen klar konstruierten Aromen, augenzwinkernd serviert, entpuppt sich als veritabler Glücksfall. Eine Kleinigkeit mit großer Wirkung. Fruchtig, erfrischend, einfach toll.
Thai Mango, Kokos, Zitronengras
Sehr leichte und erfrischende Desserts.
Ein Auszug aus der Weinbegleitung und Service:
2012, Rieslaner Auslese, Wachtstetter
2010, Grüner Veltliner, Steinleithn, Kremstal Reserve
2003, Riesling, Gondorfer Gäns GK, Weingut Lubentiushof, Mosel
2008, Tempranillo, Monteabellon Reserva 24 Meses
2011, Nero Assolutamente Merlot IGT Veneto Bosco del Gal
Der Service agiert wie immer freundlich, kompetent und mit äußerster Zurückhaltung.
FAZIT:
Auf den ersten Blick wirkt die Küche Sonja Frühsammers immer gleich. Gleich gut.
Bei näherem Hinschauen jedoch bemerkt man die Entwicklung der Köchin, deren Handschrift gegenüber unserem letzten Besuch unglaublich gereift ist.
Nicht nur die Hauptkomponenten der Kreationen erfahren die notwendige Aufmerksamkeit, auch das Beiwerk findet entsprechende Beachtung und wird geschickt eingesetzt. So ergeben sich aromatische Geschmacksbilder, die selbst im Einsternebereich nicht alltäglich sind.
Einfacher ausgedrückt: Bei der Ausgestaltung der komplexen und stimmigen Aromenbilder kennt die sonst so bescheiden auftretende Küchenchefin keine Zurückhaltung. Ein Flirt mit dem Perfektionismus ist unverkennbar.
Die zeitgemäß kochende und experimentierfreudigere Hälfte des Ehepaares scheint derzeit den Ton anzugeben.
Zum Internetauftritt des Restaurants gelangen Sie mit diesem L i n k .
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