Bei der Präsentation des Guide Michelin Deutschland 2015 am 6. November 2014 in Berlin wurde das Grunewalder Restaurant Frühsammer mit einem Michelinstern ausgezeichnet. Der Gault&Millau Deutschland hat erneut 17 Punkte vergeben.
Mit Sonja Frühsammer wird zum ersten Mal in Berlin eine Frau mit einem Michelinstern ausgezeichnet. Respekt.
Wenn man die Küchenleistung seit Jahren kennt und zum Maßstab nimmt, darf man schon einmal darüber nachdenken, warum gerade in diesem Jahr der ersehnte Stern seinen Weg in den Grunewald gefunden hat. Hat sich hier etwas signifikant verändert?
Das Restaurant ist noch immer so, wie wir es bereits kennen.
Der Gastraum ist hübsch dekoriert. Mit viel Liebe zum Detail und geschickter Hand. So erhält der schlichte Raum seine gemütliche Atmosphäre.
Auf dem Foto sehen wir Sonja und Peter Frühsammer bei der Pressevorstellung des Guide Michelin Deutschland 2015.
Wir haben das Überraschungsmenü „Frühsammers Abend“ gewählt. Es beinhaltet fünf Gerichte welche „bezeichnend“ für die Küche sind. Diese „signiver dishes“, erfährt man auf der Homepage des Restaurants (http://www.fruehsammers-restaurant.jimdo.com), werden von vielen kleinen Überraschungen eingerahmt. Die Getränke sind eingeschlossen.
Wir starten mit einem
Brotchip,
Entenrilette,
Cranberrys,
gefolgt von Brandenburger Büffelmozarella, Chicorée, und Mandarine.
Herb mit deutlichen Bitternoten.
Schließlich die obligatorischen Süppchen,
Sellerie, Räucheraal, mit einem kleinen Stück Aal
Miso und grüne Erbsen mit Tonkabohne.
Bereits hier zeigt sich geschicktes Handwerk und ein ausgewogenes Geschmacksbild.
Brust und Keule von der Wachtel,
Kräutersalat, Cashewkerne, Marone
Ein sehr schmackhafter und leichter Gang bei der die Wachtelkeule (auch wenn hier Keule steht bleibt es doch nur ein sehr kleines Beinchen) besonders gemundet hat.
Die Cashewkerne sind mit dem feinen und dezent süßlichen Geschmack eine reizvolle Ergänzung.
Brandenburger Zwiebel (o.A.)
aus Frühsammers Garten,
Espuma, Chip
Ein netter kleiner Zwischengang.
Seezunge, Kerbel, Champignon, Champignoncreme
Erneut ein leichter und stilsicherer Vortrag.
Rotbarbe
mit Olivenkaviar,
Calamaris
Das perfekt gegarte
Fleisch der Rotbarbe
wird von krosser Haut
ummantelt.
Der begleitende Olivenkaviar,
eine Anleihe an die Molekularküche,
ist eine nette Spielerei ohne kulinarisch
bedeutsam zu sein.
Insgesamt ein geschmacklich
aber auch optisch
sehr gelungener Gang.
Garnele, Pomelo, Topinambur
Die Garnele wird von leichten Bitternoten und sehr dezenter Säure begleitet.
Die nährstoffreiche Knolle, in Deutschland längst von der Kartoffel ersetzt, passt hervorragend zum Geschmacksbild.
Lamm,
Filet und Bries, Köfte mit Joghurt,
Rote Bete, Kumin, Birnensaft
Das intensive Kreuzkümmelaroma kennen Sie bestimmt von der Falafel.
In diesem Gericht wird der typische Geschmack durch die weiteren Begleiter gebändigt und taucht so in einem breit angelegten aromatischen Gericht unter.
Auch wenn die Anzahl der Zutaten etwas zunimmt, verliert Sonja Frühsammer den Gesamtausdruck nicht aus den Augen. Alles passt zusammen, nichts dominiert, Harmonie pur. Der Birnensaft (als Spielerei gedacht) rundet den Gang mit zarter Süße perfekt ab.
Brandenburger Hirschfilet mit Sellerie
Ein sehr schöner Fleischgang. Allerdings geschmacklich stark vom Doldenblütler beherrscht.
Vordessert:
Feige, weiße Schokolade und Dill (o.A.)
Valrhona mit Kokosnuß, Praline und Gelee, Eis
Auch der süße Abschluss war gelungen.
Wein und Service:
Ruinart Blanc de Blanc
Klemens Busch Riesling 2012, GG
2014, Rousanne, the Bernard Series, Whole Bunch, Bellingham, Paarl
2011, Klostermühle, Grauburgunder
2006, Hospices de Beaune, Cuvée Nicolas Rolin, Premier Cru
Zu Peter Frühsammer als Gastgeber muss man eigentlich nicht mehr viel sagen.
Er dirigiert den Service nahezu unauffällig und widmet jedem Gast die gleiche Aufmerksamkeit. Seine Weinempfehlungen sind ausgewogen, stimmig und interessant.
Der Service insgesamt ist engagiert, freundlich und aufmerksam.
FAZIT:
Zu der eingangs aufgeworfenen Frage, weshalb gerade in diesem Jahr die Küchenleistung mit einem Michelinstern bedacht wird, habe ich eine Erklärung anzubieten.
Sonja Frühsammer, der ich in der Vergangenheit durchaus eine Hinwendung zur Opulenz attestiert hatte, kocht mittlerweile leichter und beschwingter. Ihre Kreationen sind ausgewogen, geradezu harmonisch im Geschmack und dicht am Produkt. Zartes Säurespiel, dezente Süße, keine aufdringliche Würze, modern und kreativ, aufgeschlossen und bewahrend. Sie beherrscht Klassik und Moderne, meidet Streberteller, hat aber gerade bei den Fischgerichten deutliche Stärken.
Hinzu kommt, dass sie eine angenehme Gesprächspartnerin ist, uneitel und bescheiden.
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