Gault&Millau 2022

Ein Kommentar

Die Zeiten, in denen das Erscheinen des Gault&Millau Deutschland für Furore gesorgt hat sind vorbei. Es liegt nicht daran, dass man sich an die, man muss sagen frühere kritischen, teilweise frechen Texte gewöhnt hätte, nein es liegt schlicht und ergreifend daran, dass der Restaurantführer just zu dem Zeitpunkt erscheint, in dem die anderen Restaurantführer längst geliefert haben und die Aufmerksamkeit einer größeren Journaille (im positiven Sinne) sich legt und die Minderheit der Gourmets wieder unter sich ist.

Der Marsch ist längst verklungen, die Kapelle um drei Ecken gewandert, da kommt der Gault&Millau mit einem spät gestarteten Fanfarenzug um die Ecke. Er bringt Neuerungen mit. Nicht weniger als die Neuerfindung der Restaurantbewertungen. „Wir verzichten mit diesem Guide auf die Punktevergabe im Rahmen unserer Restaurantbewertungen. Wir sind der Ansicht, dass sich Schulnoten zur Beurteilung von Fragen der Kultur – und dazu gehört die Gastronomie ja zweifellos – nicht wirklich eignen…, soweit Dr. Christoph Wirtz, Chefredakteur.

Der Gault&Millau wurde 1969 in Frankreich von den Journalisten Henri Gault und Christian Millau gegründet. Kern der Bewertungen war von Anfang an die Vergabe von französischen Schulnoten. Das muss ich hier nicht weiter ausführen. Neben den Schulnoten wurden Kochmützen vergeben, in Österreich Hauben genannt. Sterne, Hauben, Löffel, Pfannen u.s.w. alles soll so einfach wie möglich Unterschiede deutlich machen. Natürlich ist ein System mit Schulnoten von 11 bis 20 etwas differenzierter als drei Kategorien, die in Sternen ausgedrückt werden. Die fünf Hauben, Verzeihung Toques, des Gault&Millau sind da schon noch ausbaufähig. Und gerade das hat man gemacht. Jetzt kommen die Farben ins Spiel. Herausragende Restaurants innerhalb ihrer Kategorie werden künftig farblich kenntlich gemacht. Sie werden rot hervorgehoben. Nun hat man also keine fünf Kategorien mehr, sondern 10. Eigentlich hat sich kaum etwas verändert, oder?

Das Farbenspiel ist eine überaus kluge Entscheidung. Man kann fein differenzieren. Das Echo ist in diesen Fällen wie immer. Wer vom neuen System profitiert ist zufrieden, wer nicht, wechselt ins Lager der Kritiker.

Denn über allem liegt der Schatten der Abwertung. Schauen wir uns doch mal kurz den Spitzenbereich an. Acht Restaurants erhalten fünf Toques.

Vendôme

Victor’s Fine Dining by Christian Bau

Sonnora

Aqua

Haerlin

Schwarzwaldstube

Tim Raue

schanz.restaurant

Die ersten drei sind also die neuen Knaller, sie bekommen rote Toques. Im letzten Jahr hatten sechs Restaurants 19,5 Punkte. 

Aqua, Schwarzwaldstube und Tim Raue wurden abgewertet und in die zweite Reihe verschoben. Haerlin und schanz.restaurant waren mit 19 Punkten bereits in der zweiten Stufe und verbleiben dort mit den fünf schwarzen Toques. Sie zählen zweifelsohne zu den Gewinnern des Systems und das ohne eine Aufwertung erfahren zu haben. 

Immerhin hält man Joachim Wissler noch die Treue und an ihm fest. Mal sehen, wie lange noch. Wie ich darauf komme? Schauen wir uns doch mal das Gästehaus Erfort an. 2021 versagte der Guide Michelin dem Restaurant den dritten Stern. Ein Wehklagen setzte ein, ähnlich wie diesmal bei Joachim Wissler.

2020 wurde das Gästehaus Erfort im Gault&Millau noch mit fünf Hauben und 19,5 Punkten bewertet. 2021 waren es noch vier Hauben und 19 Punkte. 2022 gibt es immer noch vier schwarze Hauben, was nun bereits die 4. Kategorie abbildet. Ein leiser Abstieg ohne mediale Begleitung. Übrigens befindet sich in dieser 4. Kategorie auch das Restaurant Überfahrt, eine Einstufung die eindeutig für das System spricht.

„Im fünften Jahr seines Bestehens hat das ernst im Berliner Wedding zu einer handwerklichen wie konzeptionellen Reife gefunden, zu einer konsequent durchdachten Individualität, wie sie nicht nur hierzulande höchst selten ist,“ so stellt der Gault&Millau 2022 Dylan Watson-Brawn, seinen Koch des Jahres, vor. 

Schanz, Nakamura, Bau, Krolik, Jürgens, Erfort, Raue. Bühner, es ist halt nicht einfach, wenn schon alle mal dran waren. Jedes Jahr muss ein neuer Superstar gesucht werden und wenn halt keiner da ist, dann muss man mal runter bis in die 5. Kategorie um fündig zu werden. 

Die Leistungen von Dylan Watson-Brawn möchte ich mit diesen frechen Zeilen keinesfalls schmälern. Auch ich war dort und war zufrieden. Vielleicht gehe ich auch wieder mal hin. 

„Watson-Brawn präsentiert eine japanisch inszenierte Stilistik mit starker Produktfokussierung und aromatisch grandiosen Kreationen, die nach den Produkten schmecken die verwendet werden. Es gibt keine störenden Komponenten, keine Überwürzungen, die Geschmacksbilder sind von erstaunlicher Präzision.“ So habe ich es damals empfunden. Letztlich viel der Mangel an Besteck kaum noch negativ ins Gewicht.

Gibt es noch etwas zu den anderen Auszeichnungen zu sagen? Vielleicht zum Gastronom des Jahres. Nach 40 Jahren erinnert man sich an Herrmann Barreis. Herzlichen Glückwunsch an den Ausgezeichneten und an den Gault&Millau. 

Natürlich hatte ich noch keine Gelegenheit alle Bewertungen zu lesen. Wer macht das auch schon. Der neue Gault&Millau scheint mir aber gut gelungen. Er macht Spaß, ist informativ und ist irgendwie brav geworden. Die früheren frecheren Töne vermisse ich ein bisschen.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hiermit akzeptiere ich die Datenschutzbedingungen