“Nichts ist so beständig wie der Wandel” (Heraklit von Ephesus).
Dieses Zitat drängt sich einem förmlich auf wenn man auf die Veränderungen in Berlin schaut. Überall wird gebaut, eröffnen Restaurant während andere schließen. Hier noch einen Überblick zu behalten ist eine Herkulesaufgabe.
Im letzten Monat eröffnete in der Uhlandstraße 195 ein weiteres Restaurant. Glass. Sicher interessiert es Sie, weshalb ich ausgerechnet dieses Restaurant aus- und aufgesucht habe. Zum einen gehört es in meinen ehemaligen Kiez. Kiez ist eine Berliner Eigenart, vergleichbar vielleicht mit dem Kölner „Veedel“. Ein für die Wohnbevölkerung idenditätsstiftender Stadtteil. Anders jedenfalls als in Hamburg, wo eher ein Vergnügungsviertel damit verbunden wird.
Zum anderen und das ist viel wichtiger, interessierte mich der Küchenchef, Gal Ben Moshe, der obwohl noch jung an Jahren, beeindruckende Stationen hinter sich hat. So verbrachte er im Jahre 2011 sechs Monate im Alinea in Chicago bei Grant Achaz. 2011 belegte das Alinea in der Rangliste „World’s 50 Best Restaurants-Award by S. Pellegrino“ einen sensationellen sechsten Rang. Erwähnenswert ist sicher auch noch sein Engagement im Londoner Hibiscus. Alleine diese beiden Stationen lassen aufhorchen und sorgen für genügend Spannung und Vorfreude.
Auf der Homepage des Restaurants (Link am Ende des Berichts) ist zu erfahren, dass die Dekoration „bewusst minimalistisch gehalten“ ist. Das ist eine glatte Untertreibung. Ein winziges Blümchen schmückt die kahlen Tische. Allerdings ist dies vollkommen ausreichend. Überladene Tische sind mir ein Graus. Das Ambiente ist ebenso minimalistisch wie schlicht. Die Stühle zweckdienlich. Als Raumtrenner fungiert ein Vorhang aus metallischem Polyester der das Licht und alles was sich bewegt reflektiert und so ständige Bewegung simuliert. Das Artikelfoto am Anfang fängt diese Atmosphäre gut ein. Die Zahl der Gäste an diesem Abend ist sicherlich ausbaufähig.
Die Begrüßung war freundlich, der Service insgesamt aufmerksam und professionell.
Die Küche grüßte mit einem Hefeklöschen gefüllt mit gewürztem Avocado und einer Teig-Käsekugel. Wenig spektakulär, aber schmackhaft.
Keta Kaviar.
Bereits der erste Gang beeindruckte durch Kreativität und offenbarte ein eindrucksvolles Geschmackserlebnis. In der frittierten Kugel, Tempura ist eine Zubereitungsart frittierter Speisen aus der japanischen Küche, befand sich Lachskaviar mit mildem Geschmack und Schweinebauch. Sozusagen ein kompletter und komplexer Gang in einer Kugel verpackt. Gepaart mit unaufdringlichen Röstaromen eine frische und würzige Darbietung.
Schwarzwurzeln.
An anderer Stelle habe ich bereits auf das unbeliebte Gemüse meiner Kindheit verwiesen.
Ach hätte es doch so geschmeckt, wie an diesem Abend.
Sauerkirschen, Haselnüsse und australischer Sommertrüffel schmeichelten den Schwarzwurzeln, die scheinbar ohne die gewohnten Bitterstoffe auskamen.
So bleibt ein fruchtiger, etwas salziger, unheimlich leichter und aromatischer Gang in Erinnerung.
Ajo Blanco.
Für einen warmen Sommertag genau das richtige. Eine cremige Avocadomousse, Mandeln und Zitronenfilets mit guten Säurenoten und Frische, sorgten für ein interessantes Geschmackserlebnis.
Stadtgarten.
Ajo Blanco und der Stadtgarten werden auch im veganen Menü angeboten.
Wenn nun von einem unverfälschten Geschmack die Rede ist, bedeudet dies, dass alle Komponenten so schmeckten, wie sie schmecken sollten. Die pure Präsentation der einzelnen Komponenten stellt allerdings keine großen Herausforderungen an den Ideenreichtum des Küchenpersonals. Gemüse, Blumen, Erde, so lautete die weitere Bezeichnung in der Menükarte. Einzig die Erde, eine Kombination von geröstetem Pumpernickel und Malz, konnte mit seinem crispy-crunchy-Effekt etwas punkten. Optisch allerdings war die Präsentation überzeugend.
Gelbflossen-Thun.
Orangen, Fenchel, Oliven, fertig war ein leichter, an Sashimi erinnernder Gang. Dezente Salznoten und etwas Säure hielten die harmonische Balance.
Lammkeule.
Weiße Bohnen, Paprikapüree und Gurke begleiteten die sehr gute Lammkeule.
Etwas Zitronensäure und eine zurückhaltende Schärfe waren zwar auffallend, dominierten jedoch nicht.
Tomme.
Ein leichter Käsegang.
Das Dessert.
Candy Box (oder Schnuckelbox)
Ein leichtes und feines Finale.
Zunächst wurde der Tisch abgeräumt und mit einer Folie ausgelegt. Danach wurden die einzelnen Teile der Box auf dem Tisch verteilt. Popcorn, Blüten, kleine Kügelchen mit dem aus der Molekularküche hinlänglich bekannten „knisternden“ Effekt.
Den Höhepunkt bildete eine noch immer reichlich spektakulär anmutende Präsentation mit flüssigem Stickstoff bei ca. minus 196 Grad.
Der Topf wurde mit Schokoladensahne befüllt und danach wurden mit einer Pinzette die dunklen Schokoteile, die auf dem Foto deutlich zu sehen sind, entnommen. Zunächst sieht man den Topf, der bereits seinen wabernden Dampf auf dem Tisch verteilt. Bild zwei lässt schon einen kleinen Blick auf die Tischdekoration zu und auf Bild drei schließlich werden die Süßigkeiten deutlich sichtbar.
Sogenannte Molekularköche hatten sich anfangs mit Wonne auf diese Art der Präsentation gestürzt um den neugierigen Gast mit Effekten zu beeindrucken. Gerne gebe ich zu, dass diese Spielereien durchaus unterhaltsam sind, wenn auch das geschmackliche Erlebnis etwas hinter der Show zurück bleibt. Heutzutage begegnet einem diese Art der Zubereitung eher seltener. Ebenso selten sind die Molekularköche, die heute lieber als Avantgardisten angesprochen werden wollen.
Weinbegleitung:
Riesling Sekt Brut, Cuvèe Wein & Glas, Rheingau, Deutschland, 2011
Riesling, Keller, Rheinhessen, Deutschland, 2011
Albarino de Fifnanes, Palacio des Fefinanes, Galizie, Spanien, 2011
Sauvignon Blanc, Weingut Neumeister, Steiermark, Österreich, 2011
Tokaji Furmint, Stvan Szepcy, Tokaj, Ungarn, 2010
Wild Carignian, Recanati, Judäa Hills, Israel, 2010
Hergestellt aus 100% Carignan Trauben. Die Nase bietet Aromen von schwarzen Beeren, Heidelbeeren, leichte Eiche und Zimt. Trocken am Gaumen, mittlere Säure und Noten von Vanille und schwarzer Brombeere. Leicht staubige Tannine, schön strukturiert und komplex.
White Zinfandel, Beringer, Kalifornien, USA, 2011
Tokaji Aszu 6 Puttonyos, Gèza Lenkey, Tokaji-Hegyalja, Ungarn, 2000
FAZIT:
Mit Gal Ben Moshe hat in Berlin ein weiterer interessanter Koch ein Restaurant eröffnet.
Das getestete Menü hat insgesamt gut gefallen. Alle Speisen waren schmackhaft, kreativ präsentiert und ließen ein Konzept erkennen.
Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.
Den Link zum Restaurant finden Sie hier: http://www.glassberlin.de
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