Horváth (**)

Anfang 2016 war ich zuletzt im Restaurant Horváth von Sebastian Frank. Damals habe ich von einem „recht guten Menü“ gesprochen. Eine eher zurückhaltende Bewertung. Sebastian Frank, Berliner Meisterkoch 2017, entwickelt sich jedoch stetig fort und hat mit seiner Kochkunst schon viele Gäste überzeugt. 

Daher schloss ich mich einem Besuch des Restaurants durch den Gourmet-Club der Restaurant-Ranglisten gerne an. Vielleicht, so mein Gedanke, ergibt sich eine Gelegenheit Sebastian Frank zu seiner Küchenphilosophie zu befragen. Nun also gruppierten sich 12 Clubberer (nein, keine Nürnberger) um einen langen Tisch und harrten der Dinge, die da kommen sollten.

Wer bei zwei Michelinsternen an ein nobles und elegantes Restaurant denkt, ist in diesem rustikal eingerichteten, dennoch gemütlichen Haus fehl am Platze. Understatement passt zu Kreuzberg.

Sommelier Jakob Petritsch hat das Restaurant mittlerweile verlassen und Sommeliere Janine Woltaire hat übernommen. Doch wenden wir uns nun dem Menü zu:

Zwiebelsud (o.Abb.)

Linda Kartoffelchips

Hauchdünne Chips mit Knoblauchrahm. Ein netter Auftakt.

Gemüsesuppe (o.Abb.)

Gekühlte Gemüsecremesuppe, cremig reduzierte Sahne, Bucheckernöl von Franz Hartl und etwas Dill.

Pilzleber

Falsche Lebercreme von Kräuterseitlingen, Apfel Balsam Reduktion von David Gölles, Butterstriezl mit Mariellenkernölbutter. Die Kräuterseitlinge wurden gebraten, darüber gab es eine Reduktion von Apfel Balsam Essig aus der Steiermark.

Rauchfisch Leberkas

Gebackener Leberkäse mit Rauchfisch, geräucherte Essigzwiebel, Rauchessig und Öl. Die Geschmacksnoten sind den Zutaten recht gut zu entnehmen. Ein insgesamt sehr schöner Gang.

Lachsforelle Pralinee

Gegrilltes Lachsforellenfilet, Röstgemüsereduktion mit dunkler Schokolade, Haselnuss-Anchovipaste, salziger Rhabarberkompott.

Die Lachsforelle war außen fest und innen von cremiger Konsistenz. Wieso diese Kreation Pralinee genannt wird, erschließt sich mir nicht. Allenfalls ist die Bezeichnung einer gewissen künstlerischen Freiheit geschuldet.

An dieser Stelle ist es vielleicht an der Zeit, die Philosophie der Küche näher zu beleuchten.

Auf der Homepage des Restaurants (www.restaurant-horvath.de) stolperte ich über zwei, wie ich finde, wesentliche Merkmale. Zunächst war es die „emanzipatorische Küche“ und dann die „Kreativität durch Zensur“. Um mir den Versuch einer eigenen Interpretation ersparen zu können, habe ich den Küchenchef um eine Erklärung gebeten. Sebastian Frank hat mir freudig Auskunft erteilt. Die wesentlichen Aussagen fasise ich zusammen:

In einer emanzipatorischen Küche kann sich jedes Produkt zum Hauptdarsteller emanzipieren. Es gibt keine Regeln auf dem Teller. Jedes Produkt kann jede Rolle übernehmen. Fleisch oder Fisch können jederzeit untergeordnete Rollen spielen, während Gemüse oder Saucen in den Vordergrund treten.

Der zweite Ansatz ist die Kreativität durch Zensur. Diese Zensur wurde selbst auferlegt. Sie kommt nicht von außen. Es geht letztlich darum, dass man sich einer bestimmten Produktpalette gewidmet hat, im vorliegenden Falle die der österreichischen Aromatik und darin verharrt. 

Immer wieder hat man mit ähnlichen Produkten zu tun, woraus sich eine gewisse Art und Weise der Kreativität ergibt.

Das muss man vielleicht ein bisschen erläutern. Als Beispiel sei der Salzsellerie angeführt. Ein Produkt dessen, dass man sich immer wieder damit auseinandergesetzt und verschiedene Dinge probiert hat. Der Sellerie wird über Monate im Salzteig gegart und kann wie Trüffel über die Speisen gerieben werden.

Diese beiden Ansätze spiegeln die Philisophie der Küche wieder.

Hinzu kommt, dass sehr gemüseorientiert gearbeitet wird. Dadurch kann die österreichische Stilistik, die grundsätzlich immer mit Fett, Zucker und Kohlehydraten zu tun hat, wesentlich leichter dargestellt werden.

Von dieser Leichtigkeit konnten wir uns während des gesamten Menüs überzeugen.

Sellerie und Kürbiskernöl

Gebackener Sellerie, Sellerie in Leindotteröl, Kürbiskernöl-Vanille-Paste, Sellerie-Apfel Sauce.

Der gebackene Sellerie verbirgt sich unter den rohen Selleriescheiben. Die Paste ist aus gerösteten Kürbiskernen und Vanille. Die Sauce darunter ist aus Apfel, Sellerie und ein bisschen weißer Schokolade.

Frühstückssackerl

Geröstete Kürbiskerne, Leinsaat, Mohn, Sesam, Sonnenblumenkerne, Butter-Frischkäsecreme, geräucherte Essigzwiebeln, Schweinebratensaft

Juvenilferkel

Eine Glasur aus gerösteter Selleriesaat, das sind die kleinen schwarzen Punkte. Am Löffel eine gefrorene Marmelade aus Pusztasalat. Das ist ein ungarisch-österreichisches Gemüse. In diesem Falle sind dies im Wesentlichen grüne Tomaten, viel Knoblauch, viel Zwiebeln.

Dazu kommt noch ein kleiner knuspriger Zwiebelchip.

„Brandenburger Spargel“

Gebeizter und gegrillter weißer Spargel, gepökeltes Kaninchen mit Zitrone, gerösteter Bärlauch, geröstete Senfsaat, Schinken-Butterschaum

Gebratene Karotte

Punsch-Sorbet mit Essig und Gewürzen, Essenz vom Quittenauszug, geröstete Karottensaat, Früchteteebutter.

Kümmelbaiser

Cremiger Baiser mit Kümmel, geröstetes Schwarzbrot, Sauerrahmeis nach Johanna Maier, Waldmeisteressig Molke

Wenn schon Kümmel, dann richtig. Das heißt in diesem Falle sehr viel Kümmel. Daran schieden sich letztlich auch die Geister, sprich, die Gäste.

Wer Kümmel mochte, konnte sich an diesem Dessert begeistern. 

Wein und Service:

Zur Weinbegleitung gesellten sich zwischendurch noch Säfte, die ich gerne hier vernachlässige. Alkoholfreie Getränkebegleitungen auf der Basis von Säften erfreuen sich zwar zunehmender Beliebtheit, doch halte ich die Weinbegleitung, sofern kenntnisreiche Sommeliers damit befasst sind, noch immer für die Königsdisziplin.

Dennoch möchte ich nicht verschweigen, dass die Säfte in unserer Runde recht positiv aufgenommen wurden.

Die Weinbegleitung war ein Streifzug durch viele Länder, vor allen Dingen Österreich, auch Deutschland und Tschechien, Slowenien und wenn ich mich recht erinnere, Serbien.

Sommeliere Janine Woltaire stellte uns die Getränke kenntnisreich und engagiert vor. Dennoch empfand ich die Auswahl als eher wilden Mix und qualitativ eher durchschnittlich.

Der Service insgesamt war hervorragend. Nicht nur dadurch, dass Küchenchef Sebastian Frank die Gerichte vorstellte und erläuterte. Besonders erfreut war ich darüber auf eine Dame der Servicebrigade zu treffen, die ich bereits kürzlich bei der Veranstaltung „Preis der großen Gastlichkeit“ als Teilnehmerin kennenlernen durfte.

FAZIT:

Lassen Sie mich es ganz offen ausdrücken. Wenn der Küchenchef die einzelnen Gänge serviert, erklärt, dabei charmant und freundlich alle Fragen beantwortet und damit die gesamte Atmosphäre in den oberen Wohlfühlbereich drückt, kann dies schnell zu voreiligen Lobpreisungen führen. Selbstverständlich steht für mich das kulinarisch Gebotene im Mittelpunkt, denn nur darum geht es.

Zwischen meinem Besuch im Jahr 2016 und heute liegen nicht nur drei Jahre sondern, meiner Meinung nach, erfreuliche Entwicklungsschritte in der Küchenleistung. Handwerklich war ohnehin wenig zu beanstanden. Kreativität kann man der Crew ebenfalls bescheinigen. 

Diesmal allerdings, es mag für ein Restaurant durchaus merkwürdig klingen, hat auch alles geschmeckt. 

Sebastian Frank hat einen eigenen Stil, vielleicht gar einen eigenwilligen Stil. Um ihn zu verstehen muss man entweder viel dazulernen oder einiges Gelernte vergessen. Wichtig ist, dass man sich auf die regio-authentische, polarisierend puristische Küche einlässt. Auch wenn die Balance der reduzierten Gerichte stimmte, bleiben unvergessliche kulinarische Freuden eher rar.

Die Menüfolge, das möchte ich noch anmerken, hat sich mir nicht erschlossen. Die Aneinanderreihung von Gängen scheint mir willkürlich. Den „Roten Faden“, der alles verbindet, habe ich nicht gefunden.

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