Interview mit Dirk Hoberg

Lange geplant war unsere Reise zum Restaurant Ophelia in Konstanz ja schon. Doch wir Berliner nennen die Region um den Bodensee gerne „etwas abgelegen.“ Endlich angekommen, wollten wir nicht nur das zweifach besternte Restaurant aufsuchen, sondern auch die Gelegenheit zu einem Interview mit Küchenchef Dirk Hoberg nutzen. 

Chef de Cuisine Dirk Hoberg hat vor seinem Engagement in Konstanz schon reichlich Erfahrung in verschiedenen Restaurants sammeln können, u a. bei der Kochlegende Harald Wohlfahrt in Baiersbronn.Doch bevor ich jetzt in die Details gehe, lassen wir doch lieber Dirk Hoberg selbst zu Wort kommen. Hier also das Interview:

Bernhard Steinmann (B.St.): Sie sind nach Konstanz gekommen als das Riva noch eine Baustelle war, habe ich einem Interview von Ihnen entnommen. Nun wird hier wieder gebaut. Wie aufregend war die Zeit dazwischen, beispielsweise vom ersten zum zweiten Michelinstern?

Dirk Hoberg (D.H.): Wir hatten das Glück, dass die Verleihung der Sterne sehr schnell erfolgte. Den zweiten Michelinstern bekamen wir ein Jahr nach dem ersten Stern. Das war insgesamt eine sehr spannende Zeit. Aber welche Zeit ist nicht spannend?

 

B.St.: Ihre Küchenphilosophie, so habe ich gelesen, lautet: „Das Bessere schlägt immer das Gute.“ Klingt ein bisschen nach Kalenderspruch. Worauf wollen Sie damit hinaus?

D.H.: (Lacht). Man muss sich stetig verbessern. Es sollte jedenfalls keinen Stillstand geben. Das wollte ich damit ausdrücken. Man muss beständig an sich arbeiten, muss täglich besser sein als am Vortag. Man darf nicht stehen bleiben und sich ausruhen. Das versuchen wir.

Meine Küche hat kein Gericht das als signature dish bezeichnet werden kann. Meiner Meinung nach kann nicht ein einziges Gericht für eine Küche stehen. Ich möchte nicht sagen, dieses oder jenes Gericht repräsentiert über Jahre meine Küche. Man muss sich entwickeln. Sonst hat man, meines Erachtens, etwas falsch gemacht.  Das ist meine Philosophie. Deshalb meine ich ja, was heute gut ist kann morgen besser werden.

 

Dirk Hoberg (Foto: Bernhard Steinmann)

B.St.: Das von Ihnen kreierte Menü folgt grundsätzlich dem saisonalen Angebot. Regionalität, des Zeitgeistes liebstes Kind, scheint, fast möchte ich sagen zum Glück, Ihrem Schaffensdrang nicht den nötigen Rahmen zu verleihen. Ist das so?

D.H.: Ich finde Saisonalität sehr wichtig. Bei der Regionalität lässt man sich oft in eine einschränkende Form pressen und damit kommt man nicht zu dem Punkt an dem das Bessere immer das Gute schlägt. Ich würde dies als ein Korsett empfinden, welches nicht zulässt, die besten Produkte zu benutzen.

Jede Region bringt auch ihre Herausforderungen mit sich, bedingt durch saisonale und klimatologische Einflüsse sowie schwankende Verfügbarkeiten. Früher hatte ich das Felchen im Amuse Bouche oder im Fingerfood auf der Karte. Heute ist dies häufig nicht mehr möglich, da der Bestand von Felchen stark rückläufig ist. Mein Gemüse beziehe ich trotzdem fast ausschließlich von der Insel Reichenau, also direkt aus der Region.

 

B.St.: Das führt auch zu meiner nächsten Frage. Woher kommen Ihre erstklassigen Produkte die für Ihre hochwertige Küche gebraucht werden?

D.H.: Ich habe verschiedenste Lieferanten. Was z.B. den Fisch und das Fleisch betrifft muss man natürlich schauen, wo sich das Beste Produkt befindet. Es gibt nicht nur den einen Lieferanten auf den wir setzen. Wir lassen uns verschiedene Produkte kommen und suchen auch selbst aktiv immer nach Neuem.

Für Gemüse ist mein erster Ansprechpartner, wie bereits erwähnt, auf der Insel Reichenau. Dort werden für uns Planzen angebaut und geerntet. Manchmal noch mit den Wurzeln und dem ganzen Grün. Je nachdem, wie es von uns gebraucht wird.

 

B.St.: Wie halten Sie es mit der Unsitte, so nenne ich es gerne, essbare Blumen auf den Tellern zu trapieren. In einigen Restaurants hatte ich schon den Eindruck in ein Blumenbeet gebissen zu haben. Wir ordnen die Blüten gerne auf den Tellern neu. Ist das reine Verzierung oder hat es tatsächlich einen kulinarischen Mehrzweck?

D.H.: Es ist teilweise Verzierung. Das Auge isst ja bekanntlich mit. Wir sind also von der „Unsitte“, sag ich mal, nicht ganz befreit. Es gibt Blumen, die auf dem Teller tatsächlich Sinn machen. Beispielsweise Basilikumblüten. Die sehen nicht nur gut aus sondern unterstützen auch die Gerichte.

Wir haben eine fermentierte Reichenauer Tomate aus der wir eine Nocke herstellen und diese mit Basilikumblüten ausgarnieren. Das macht kulinarisch schon Sinn.

 

B.St.: Sie sind nicht nur ein hervorragender Koch sondern haben auch bei einigen Spitzenköchen gearbeitet. Wieviel Wohlfahrt steckt noch in Ihren Gerichten? Oder liegt das alles schon zu lange hinter Ihnen?

D.H.: Das ist nun die berühmte Frage nach dem Lehrmeister. Ich bin als junger Koch viel gereist und habe sehr unterschiedliche Eindrücke gewonnen. Daraus entwickelt sich natürlich mit der Zeit ein eigener Stil. Ich denke, ich habe von überall das Beste herausgegriffen.

 

B.St.: Sie haben von à la carte auf ein Menü umgestellt aus, wie ich vermute, wirtschaftlichen Gründen. Muss man sich Sorgen um den Fortbestand  des Restaurants machen, insbesondere auch wegen eventueller Nachwehen der Coronazeit?

D.H.: Nein, bei Weitem nicht. Wir sind hier in einer sehr guten Situation mit einer Besitzerfamilie, die das Hotel und das Restaurant erfolgreich durch das schwierige Fahrwasser der Corona-Krise geführt hat. Die Umstellung auf nur ein Menü ist aber grundsätzlich der Feinjustierung der Küche geschuldet. Ein großes Angebot à la carte macht keinen Sinn, wenn nach drei Tagen Gemüse oder andere Produkte weggeworfen werden müssen. Das ist nicht im Sinne der Nachhaltigkeit. Man weiß im Voraus nie, welche Produkte am Abend besonders abgerufen werden und welche nicht.

Die Reduzierung auf ein Menü erleichtert auch das Zeitmanagement. Die Fertigstellung vieler Produkte muss natürlich auch im Rahmen der vom Arbeitszeitgesetz erlaubten Zeitspanne stattfinden.

 

B.St.: Wie sieht es mit dem Altersspektrum Ihrer Gäste aus. Sind die Altersklassen bunt gemischt oder kommen eher die älteren Herrschaften in das Restaurant?

D.H.: Die Gästeschar ist bunt gemischt. Das ist ja das Schöne bei uns. Zum Einen kommen die Einheimischen und Gäste aus der Region, von jung bis alt. Zum Anderen haben wir die Hotelgäste – Paare oder Familien, national oder international, aus jeder Altersgruppe.

 

B.St.: Wie ist das Arbeitsklima in Ihrer Crew? Ich frage dies aus aktuellem Anlass. Sind Sie mehr Chef oder mehr Kollege? Arbeiten Sie an einem eigenen Posten oder stehen Sie am Pass und schauen kritisch auf das Werk Ihrer Kollegen?

(D.H.: Lacht). Wie sie sehen bin ich hier und mein Team noch nicht. Ich stehe auf meinem eigenen Posten und führe das Team sehr freundschaftlich. Es ist ein sehr junges Team, das sehr viel Spaß an der Arbeit hat. Mein Sous Chef Fabian Obergfell ist jetzt schon fast sechs Jahre hier. Wir verbringen auch in der Freizeit viel Zeit miteinander, das schweißt das Team zusammen.

 

B.St.: Gibt es Nachwuchsprobleme oder haben Sie ausreichend Bewerbungen?

D.H.: Man kann nicht wie früher so einfach aus dem Vollen schöpfen. Aber wir haben keine Probleme unser Team vollzählig zu halten.

Mein Bestreben war es immer beim besten Koch Deutschlands zu arbeiten. Das habe ich mit Harald Wohlfahrt verwirklichen können. Heute sieht das etwas anders aus. Ich habe Kollegen im Team, die vorher noch nie in der Sternegastronomie gearbeitet haben. Ich bin zufrieden, wenn die jungen Leute mit Herzblut voll bei der Sache sind.

 

B.St.: Auf der Homepage des Hotels bzw. Restaurants sind die Bewertungen von Restaurantführern aufgeführt. Wie wichtig sind diese Bewertungen für Sie?

D.H.: Die Bewertungen sind für das Restaurant sehr wichtig. Sie sind wichtig für die Außendarstellung. Nicht nur für Gäste, die sich an diesen Bewertungen orientieren, sondern auch für junge Leute, die sich bewerben wollen.

 

B.St.: Vielen Dank Herr Hoberg, für dieses informative Gespräch.

Hinweis:

In Kürze erscheint an gleicher Stelle ein Bericht zum Besuch des Restaurants Ophelia und ein Interview mit Julia Kolb von der Eigentümerfamilie des Hotels.

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