Interview mit Edip Sigl

Als Edip Sigl im März den dritten Michelinstern für das Restaurant es:senz in Grassau verliehen bekam, waren selbst Insider über den schnellen Aufstieg überrascht. Gerade einmal drei Jahre waren seit der Eröffnung des Restaurants vergangen. Doch Auszeichnungen werden nicht nach Alterungsprozessen verteilt sondern nach Leistung, Kreativität, verwendeten Produkten, fachgerechter Zubereitung, Originalität, Geschmack und beständiger Küchenleistung. Die Auszeichnung für das Restaurant war somit nicht verfrüht sondern zwangsläufig.

Mit großer Freude nahm ich die Zusage von Edip Sigl für das nachfolgende Interview entgegen. 

Bernhard Steinmann (B.St.): Es ist noch nicht so lange her, da sind Sie in die Kochjacke mit den drei Sternen geschlüpft. Die Freude bei Ihnen, dem Team, ja dem ganzen Haus dürfte sehr groß gewesen sein. Ist der Alltag mittlerweile wieder bei Ihnen eingekehrt?

Edip Sigl (@ Bernhard Steinmann)

Edip Sigl (E.S.): Ein wenig ja, aber in positivem Sinne. Natürlich rechnet man nicht bereits nach drei Jahren mit drei Michelinsternen. Obwohl wahrscheinlich jeder ambitionierte Koch daran denkt.

Es kamen so viele Glückwünsche. Wir haben uns darüber sehr gefreut. Als wir damals zwei Sterne bekamen, war schon viel los. Aber jetzt kommt noch der internationale Aspekt hinzu. Kollegen aus aller Welt haben uns beglückwünscht. Es hieß „willkommen im Club“, „willkommen in der Familie“, das ist schon etwas ganz Besonderes. Zu wissen, dass man einer von nur 10 Köchen in Deutschland ist, das ist schon eine phänomenale Auszeichnung.

Es geht aber nicht nur um mich. Es geht auch um die Menschen um mich herum. Da sind meine Mitarbeiter, da ist das Hotel, die Inhaberfamilie, die mir so viel Vertrauen entgegengebracht hat. Dazu zählt natürlich auch mein privates Umfeld. Meine Frau, meine Kinder, meine Freunde, alle die mitgefiebert haben, die sich mit mir gefreut haben.

Wichtig ist aber auch bei all der Freude, dass wir wieder zum Alltag zurückkehren. Jetzt wird alles abgeschüttelt und es geht back on track ganz normal weiter. Wir haben jetzt nicht unser Menü eingefroren und gesagt, das war unser Drei-Sterne-Menü, nein, es geht immer weiter. Wir werden uns weiterentwickeln, ohne uns zu sehr zu verkopfen. Wir wollen unsere Leichtigkeit und Leistungsfähigkeit beibehalten.

Natürlich ändert sich auch einiges im Restaurant. Die Reservierungen sind förmlich explodiert. Wir sind gerade jeden Tag ausgebucht. Das ist etwas ganz Tolles, da freut sich doch jeder Koch darüber. Aber wir werden ganz normal weiterarbeiten. Starallüren werden wir keinesfalls entwickeln.

 

(B.St.): Sie haben das Wort Leistungsfähigkeit benutzt. Sie stehen derzeit im Fokus der Aufmerksamkeit, es werden wahrscheinlich vermehrt Tester kommen. Bedeutet das nicht einen stärkeren Stressfaktor für die Crew? Beeinflusst dies die Arbeit?

(E.S.): Das beeinflusst uns nicht direkt. Wir machen bei den Gästen keinen Unterschied. Wir haben schon in der Vergangenheit von den Gästen ein sehr positives Feedback bekommen und wir werden weiterhin nichts ändern, ob nun der Foodie am Tisch sitzt oder ein Pärchen, das für einen besonderen Abend gespart hat oder ein Tester, jeder bekommt das gleiche Paket. Da gibt es keinen Unterschied.

Am Ende des Tages kommt es auf die Qualität an. Ich gehe nicht in die Küche und sage meinen Mitarbeitern, dass draussen der oder jener sitzt. Im Restaurant sind mir alle Gäste gleich wichtig. Übrigens habe ich bisher noch keinen einzigen Tester erkannt. Es hat sich auch niemand bei mir geoutet. Alle Gäste im Restaurant bekommen jeweils die gleiche Zuwendung und die gleiche Qualität geliefert, ganz so wie es sich gehört.

 

(B.St.): „Sobald man in einer Sache Meister geworden ist, soll man in einer neuen Sache Schūler werden.“ Ein Zitat von Gerhart Hauptmann. Anders gefragt, sind Sie am Ziel Ihrer beruflichen Vorstellungen angekommen oder gibt es noch Steigerungen, wie z. B. einen Ortswechsel oder Selbstständigkeit?

(E.S.):Nein, nichts dergleichen. Ich bin hier angekommen und fühle mich sehr wohl. ich denke gerne langfristig. Ich bin jetzt 38 Jahre alt und habe meine Heimat, mein privates Umfeld hier gefunden. ich bin sehr sehr gerne hier im Chiemgau. Woanders hinzugehen kann ich mir nicht vorstellen und das hat auch einen Grund. Die es:senz habe ich schließlich mit aufgebaut. Es ist für mich wie ein eigenes Restaurant, auch wenn ich nicht der Inhaber bin. Inhaber ist die Familie Müller.

Ich habe dem Restaurant den Namen gegeben, ich habe Tische, Stühle, Geschirr, alles ausgesucht. Natürlich habe ich auch das kulinarische Konzept erstellt. Hier wegzugehen kann ich mir tatsächlich nicht einmal vorstellen. Wir haben jetzt drei Michelinsterne erreicht, sozusagen den Kocholymp erklommen und nun geht es weiter. Wir haben kein Abonnement auf drei Sterne, Wir müssen uns jedes Jahr neu beweisen, uns weiter entwickeln. Auch die Produkte verändern sich. Es kommen auch immer neue Produkte dazu.

Wir werden keinesfalls sagen, das und jenes sind jetzt unsere Signature dishes und das war es dann. Nein, wir werden weiter arbeiten und uns weiter entwickeln. Dabei werden wir, um weiterhin kreativ arbeiten zu können, auch eine gewisse Lässigkeit beibehalten.

Die Coronazeit, die für alle nicht sehr angenehm war, habe ich genutzt, um mich zu hinterfragen und an meinem Stil zu arbeiten. Heute arbeite ich ganz anders als damals im Les Deux. Ich habe mich mit der Region, den Produkten, den Lieferanten ganz anders auseinandergesetzt. Ich habe gemerkt, dass wir durch das Weglassen von Zutaten sehr viel intensiver im Geschmack geworden sind. Essen muss Spass machen. Die Gäste müssen zufrieden nach Hause gehen. Wir möchten mit Geschmack Erinnerungen schaffen.

 

(B.St.): Sie haben gerade das Wort „wir“ benutzt, was ich gerne einmal herausgreifen möchte. Sterneküche ist Teamarbeit. Ihre Chef Patissière Desiree Nieder und Sommelier Iiro Lutter wurden bei der Rolling Pin Convention Germany 2023 in Berlin in ihren jeweiligen Fachgebieten ausgezeichnet. Wie wichtig sind solche Ereignisse für Sie und das Team?

(E.S.): Grundsätzlich ist jede Auszeichnung wichtig für das Team. Es beinhaltet ja immer eine gewisse Wertschätzung. Das bedeutet Ansporn, Motivation. Kein Koch der Welt kommt ohne Team aus. Das Team bringt sich ein und ist natürlich auch maßgeblich am Erfolg beteiligt. Daher sind solche Auszeichnungen eine Bestätigung für die geleistete Arbeit.

 

(B.St.:) Stehen Sie eigentlich am Pass in der Küche oder sind Sie noch an einem Posten anzutreffen?

(E.S.): Wir haben ein recht kleines Team und ich koche selbstverständlich zusammen mit dem Team. Ich mache meine Saucen, meine Fische, ich richte komplett mit an. Es macht mir tatsächlich auch sehr viel Freude.  Wir haben auch eine niedrige Hierarchie. Wir duzen uns, aber ich bin natürlich auch der Chef. Wir verbringen so viel Zeit miteinander, da muss alles stimmen und Harmonie im Team herrschen.

 

(B.St.): Die Ausbildung zum Koch ist in der Regel dual aufgebaut und recht umfangreich. Darauf möchte ich jetzt nicht näher eingehen. Woher kommt aber die Fähigkeit, etwas Neues erschaffen zu können, innovativ zu denken, was unbedingte Voraussetzung ist, um so weit zu kommen, wie Sie es gezeigt haben?

(E.S.): Dazu gehört zunächst einmal viel Passion, viel Leidenschaft. Alles beginnt mit einer guten Ausbildung, die ich zum Glück genießen durfte. Ich sage gerne, erst einmal das Einmaleins lernen, bevor es an den Dreisatz geht. Wie koche ich ein Gulasch, wie mache ich Nudeln, man muss erst einmal das Einfache erlernen. Ich habe in der es:senz beispielsweise keine Auszubildenden. Ich möchte die Auszubildenden nicht überfordern. Im Haus allerdings haben wir derzeit sieben Auszubildende in der Küche. Natürlich dürfen alle auch einmal in die es:senz schauen.

Wir haben, und darüber bin ich sehr glücklich, Christina März, die ihre Ausbildung als Beste in Bayern abgeschlossen hat, als Commis de Cuisine in das Team der es:senz aufgenommen.

Edip Sigl (l.) und Bernhard Steinmann (@ Gourmet unterwegs)

(B.St.): Der Name des Restaurants verrät bereits das Konzept. Schon vor der Eröffnung sprachen Sie über die Konzentration auf das Wesentliche. Was ist nun das „Wesentliche“ für Sie?

(E.S.): Das Wesentliche ist für mich der Hauptdarsteller, nämlich das Produkt. Der Fisch, das Fleisch, das Gemüse und die Seele des Gerichts, die Saucen.

Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, manche Dinge wegzulassen. Je weniger Komponenten ich habe, desto präziser muss ich arbeiten. Man benötigt kein Baukastensystem. Es wird aber auch nicht leichter, wenn man weniger Dinge auf dem Teller hat, es wird nur intensiver. Man muss das Gemüse schmecken können. Der Fisch muss erkennbar bleiben. Die Produkte sind der Star auf dem Teller und diese möchte ich zum Glänzen bringen. Das ist für mich das Wesentliche. Ich bin ein großer Liebhaber von Saucen. In meinen Saucen steckt meine Seele. Saucen sind mir sehr wichtig. Wenn die Sauce nicht passt, funktioniert das Gericht nicht.

 

(B.St.) Wie stehen Sie zu dem Grundsatz der ganzheitlichen Verwertung von Tieren?

(E.S.): Grundsätzlich halte ich dies für richtig. Das ist definitiv der richtige Ansatz. Man sollte sich tatsächlich nicht nur auf Teilstücke beschränken. Es ist aber für uns sehr schwer, dies umzusetzen. So ein Rind wiegt ca. 500 kg. Das ist einfach zu viel für uns.

Derzeit haben wir Achental Wagyu auf der Karte. Gerade einmal 300 Meter von hier züchtet Christian Kreuz Achental Wagyu Rinder. Wir haben 320 kg Wagyu Rind von ihm bekommen. Hinzu kommen 80 kg Hackfleisch. Da haben wir einiges zu verarbeiten. Wild bekommen wir von unserem Jäger. Wir haben das große Glück, dass wir die Waren auf mehrere Restaurants verteilen können. Insofern können wir schon recht viel verarbeiten. In der es:senz können wir natürlich nicht 80 kg Hackfleisch verarbeiten. 

Wir probieren, so viel wie möglich in die Menüs einzubauen, aber 100 Prozent ist für uns kaum möglich.

 

(B.St.): Sie haben gerade Ihre Lieferanten angesprochen. In dem aktuellen 8-Gang-Menü bieten Sie eine Wachtel von Miéral an. Sie haben aber auch einen regionalen Anbieter von Wachteln. Weshalb also greifen Sie zur Miéral-Wachtel?

(E.S.): Wir haben neben unserem vegetarischen Menü noch zwei weitere Menüs: Unser 6-Gang-Menü Chiemgau Pur und unser 8-Gang-Menü „Chiemgau goes around the world“. Bei Chiemgau Pur kommen alle Zutaten aus dem Chiemgau und bei Chiemgau goes around the world lade ich einen Hauptdarsteller aus der ganzen Welt in mein Menü ein. Normalerweise ist die Sepp’n Bäuerin aus Bernau meine Wachtel-Lieferantin, die extra für mich Wachteln züchtet. Doch da es heuer derzeit noch zu kalt war für die empfindlichen Wachteln, habe ich – in Absprache mit meiner regionalen Lieferantin – auf Wachteln von Miéral zurückgegriffen. Das ist die Flexibilität,  die wir uns schon bewahren müssen.

 

(B.St.): Der rote Faden in Ihrem Berufsleben ist sicher das Engagement in verschiedenen Spitzenrestaurants, darunter das Gut Lärchenhof in Pulheim, das Hugos in Berlin, die Residenz Heinz Winkler in Aschau oder das Restaurant Les Deux in München. Was ist der rote Faden bei Ihrem derzeitigen 8-Gang-Menü?

(E.S.): Der rote Faden in meinem Menü gilt den Produkten. Die Weltreise ist eine Hommage an meine eigene Weltreise. Ich reiste ja selbst eineinhalb Jahre durch die Welt.

Einerseits sind wir im Chiemgau schon recht regional unterwegs. Aber es gibt Produkte, auf die ich nicht verzichten will. Wir möchten dem Gast schon eine gewisse Vielfalt aufzeigen, ihm eine Wahl lassen. Und wir möchten Spitzenqualität bieten. Wir haben derzeit den Balfego Thunfisch auf der Karte, wir haben ausgezeichnete Langostinos, wir haben unglaubliche Rotbarben. Nur weil es diese Dinge hier nicht gibt, möchte ich dennoch nicht darauf verzichten. Wir haben nun mal nicht das Meer vor der Tür. Deshalb gibt es unser 8-Gang-Menü Chiemgau goes around the world. 

Die Basis des Ganzen stellt der Chiemgau dar und dazu bauen wir sozusagen die weiteren Darsteller ein. Das alles ergibt eine wunderbare Vielfalt im Aufbau des Menüs. Wir haben beispielsweise Spargel und Erbsen und zur Rotbarbe den Spinat. Der Spinat ist auf der Holzkohle gegrillt, mit Nussbutter leicht glasiert.

Dazu kommt, dass unsere Menükarte verständlich formuliert ist und man als Gast nicht jedes zweite Wort googeln muss. Mir ist es selbst schon so ergangen, dass ich mit meiner Frau im Restaurant sitze und meine Frau mich fragt, was mit diesem oder jenem gemeint sein könnte. Man fühlt sich dann gleich unwohl. Dieses Gefühl möchte ich meinen Gästen ersparen.

 

(B.St.): Sie bringen, wenn ich Sie einmal zitieren darf, „den Chiemgau modern und kreativ auf den Teller.“ Als Berliner denke ich bei dem Begriff Chiemgau an Steckerlfisch und Schuhplatteln. Was um alles in der Welt soll ich mir nun tatsächlich darunter vorstellen?

(E.S.): Sie nennen den Steckerlfisch. Der Chiemgau bietet so viele tolle Sachen und ich möchte, dass der Chiemgau schmeckbar wird. Jeder hat doch bestimmt schon einmal einen Saibling gegessen. Und hier im Chiemgau finden Sie wahrscheinlich in jeder Wirtschaft ein Saiblingsfilet. Dieses Produkt auf ein anderes Level zu heben, sehe ich als meine Aufgabe.

So wie wir den Saibling garen, ist es eine Hommage an den Steckerlfisch. Wenn die dünne Haut kross wird, wenn der Fisch beinahe zerfällt. Wir buttern ihn mit Nussbutter ein, nachdem er ganz klassisch filetiert wurde. Die Haut wird ganz kurz angetrocknet. Der Fisch wird nur auf der Hautseite auf Holzkohle gegart. Auf der anderen Seite ist er fast noch roh, bekommt aber genügend Hitze, da er ja ein Salmonid ist. Danach wird er in die warme Sauce gelegt.

Natürlich besteht die Sauce aus mehreren Komponenten, aber mehr benötigt man nicht. Nur Fisch und Sauce und die wunderbaren Röstaromen. Ich bin überhaupt ein großer Freund von Röstaromen. Wir garen nicht Sous vide. Mir ist das Handwerk viel zu wichtig. Wir pochieren, braten, grillen, rösten, schieben Sachen in das Rohr. Sachen aus dem Rohr haben einen anderen Charakter als aus dem Konvektomaten.

Edip Sigl und Bernhard Steinmann (@ Gourmet unterwegs)

(B.St.): Ein veganes Menü bieten Sie nicht an. Werden Sie denn schon einmal danach gefragt?

(E.S.): Ja, wir werden auch schon mal danach gefragt. Es ist für uns kein Problem, ein komplett vegetarisches Menü anzubieten. Auch ein veganes Menü auf Wunsch herzustellen, stellt für uns keine Schwierigkeit dar. 

Mein es:senz Erlebnis, das ich meinen Gästen bieten möchte ist eben ein anderes. Ich koche mit Butter, ich mag eine gute Beurre blanc. Bei veganen Gerichten hätte ich nie das Gefühl, dass ich es perfekt gemacht hätte, dass es meinen eigenen Ansprüchen genügt. Es wäre einfach nicht meine Küche. Man muss sich mit dem, was man macht, wohl fühlen. So sehe ich das.

Wir machen das, aber es ist nicht das, was uns hier ausmacht.

 

(B.St.): Ich möchte mich gerne mit Ihnen auf ein etwas dünneres Eis begeben. Wie sehen Sie die Vergleichbarkeit der Bewertungen von beispielsweise dem Guide Michelin, Gault Millau und dem Grossen Guide?  Gibt es da aus Ihrer Sicht Divergenzen?

(E.S.): Das bedeutet für mich keine große Problematik. Am Ende des Tages muss ich meinen Job gut gemacht haben, muss ich ein perfektes Menü abliefern. Aber jeder Gast hat einen anderen Geschmack, hat andere Vorlieben. Wie die Tester das empfinden, liegt nicht in meiner Hand.

Grundsätzlich begrüße ich die Gäste im Restaurant. Danach bin ich in der Küche engagiert, bis ich später dann die Gäste verabschiede oder die Desserts annonciere. Dabei bekomme ich regelmäßig konstruktives Feedback, worüber ich mich sehr freue. Natürlich denke ich über Kritik auch nach. Ich habe nach konstruktiver Kritik auch schon einmal Dinge verändert.

Mein Job ist es abzuliefern. Wie wir bewertet werden, ist der Job der Tester. Wir kochen aber nicht für Tester. Wir kochen für unsere Gäste und deren Bewertungen. Das Feedback unserer Gäste, ist für mich enorm wichtig. Alles andere kann ich nicht beeinflussen.

 

(B.St.):Die Väter der deutschen Küche der Neuzeit, so will ich sie mal nennen, Eckart Witzigmann oder Heinz Winkler orientierten sich stark an der französischen Klassik. Dieser Bezugspunkt konkurriert längst mit italienischen, mehr noch asiatischen Einflüssen. Wohin geht der Weg in der Zukunft?

(E.S.): Das ist eine schwierige Frage. Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass es eine Vielfalt gibt. Es ist doch das Schöne an dem Beruf des Kochs, dass jeder ein anderes Empfinden hat, einen anderen Geschmack, eine andere Stilistik, eine andere Handschrift. Es ist schwer genug, seine eigene Handschrift zu entwickeln.

Auch bin ich der Überzeugung, dass die französische Küche nicht wegzudenken ist. Es ist noch immer die Grundlage für alles. Zu den Zeiten von Eckart Witzigmann war das Geschäft längst nicht so international wie heute. Wer hatte denn vor 40 Jahren schon Yuzu in der Küche?

Sehr schön ist auch, dass man sich zurückbesinnt auf die Regionalität und deren Stellenwert steigt und anerkannt wird. Man setzt sich heute mit regionalen Produkten ganz anders auseinander. Produkte werden heute viel mehr hinterfragt. Wo kommt etwas her, wie wird es zubereitet, hat es Saison.

Wir haben so viel erlebt. Ferran Adrias Molekularküche hat sich bereits überholt. Alles Sous vide zu garen, hat sich nicht gehalten. Heute wird viel geschmackvoller zubereitet. Die Gastronomie hat sich doch toll entwickelt. Wir haben viele neue und junge und ambitionierte Sterneköche. Wichtig ist, dass man sich in dem Beruf nicht verliert, dass man seinen Weg geht und die Vielfalt beibehält.

Sie werden heute ja noch unsere Art der Zubereitung erleben. Im Chiemgau schmeckt das Menü anders, als wenn Sie es in Portugal an der Algarve essen. Die Umgebung ist auch ein wesentlicher Faktor. Der Wein aus dem Urlaub schmeckt zu Hause ganz anders. Da fehlt das Meeresrauschen, die Urlaubsstimmung, die salzige Luft. 

Es ist die Aufgabe der Gastronomie, es ist unsere Aufgabe, Ihnen dieses besondere Erlebnis im Restaurant zu bereiten. Wenn das so bleibt, dann ist die Gastronomie auf dem richtigen Weg.

(B.St.): Ein wunderbares Schlusswort. Vielen Dank für das interessante Interview.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hiermit akzeptiere ich die Datenschutzbedingungen