Das nachfolgende Interview mit Sebastian und Matthias Finkbeiner bildet den Abschluss unserer Berichtsreihe zur Traube Tonbach.
Nach der nun schon vielfach behandelten Brandkatastrophe im Stammhaus der Traube Tonbach gibt es auch gute Nachrichten. Florian Stolte und die Köhlerstube finden eine vorübergehende Heimat in einem separierten Gästebereich des Restaurants Silberberg.
Bernhard Steinmann (B.St.): Erzählen Sie uns doch etwas über Ihren Werdegang und Ihre Aufgaben in der Führungscrew.
Sebastian Finkbeiner (© Traube Tonbach – René Riis)
Sebastian Finkbeiner (S.F.): Unser Werdegang ähnelt sich.
Die erste Frage war, was will ich einmal machen. Natürlich haben die Eltern bei uns ein gutes Marketing betrieben und den elterlichen Betrieb nicht schlechtgeredet, aber auch keinen Druck ausgeübt, damit wir uns für die Gastronomie entscheiden. Es wurden uns einfach auch die schönen Seiten aufgezeigt.
Um in die Gastronomie einzusteigen, ist eine Ausbildung unersetzbar. Man kann das später mit einem Studium verbinden, zunächst muss aber eine handwerkliche Grundlage vorhanden sein. Daher habe ich in Wiesbaden eine Kochlehre absolviert und bin dann zunächst in der „Ente vom Lehel“ geblieben. Anschließend bin ich ins „Tantris“ nach München und habe dort gekocht. Danach wurde es für mich Zeit, die Seite zu wechseln. Ich ging nach Irland, habe Front Office und Reservierungsarbeit gemacht und Englisch gelernt, allerdings ist da eher Irisch herausgekommen. (Lacht).
Im Anschluss habe ich gemeinsam mit meinem Bruder ein Studium an der Hotelfachschule in Bad Honnef begonnen. Wir haben uns dort auch die Stube geteilt.
Damals gab es noch keinen Bachelor in Deutschland, also wurde es ein Fachhochschuldiplom. Die Hotelfachschule hat einige Partneruniversitäten und nach drei Jahren bekamen wir die Möglichkeit für ein Jahr nach Australien zu gehen, um an der Victoria University den Bachelor für Hotelmanagement zu studieren.
Von da aus bin ich nach Bangkok zur Banyan Tree Gruppe, um die Administration in einer Kette zu lernen, natürlich auch mit einem Blick in das operative Geschäft. Das war eine tolle Sache. Bangkok ist eine wunderbare Stadt und ich durfte auch ein Projekt auf Phuket begleiten.
Mit einem kleinen Kulturschock ging es 2009 von Bangkok zurück nach Baiersbronn. Ich habe also in diesem Jahr schon mein 10-jähriges Jubiläum in der Traube. Unsere Aufgaben im Hotel sind mannigfaltig. Zunächst geht es darum, das Familienunternehmen zu präsentieren. Aber wir sind als Unternehmen mit Ludwigsburg, Stuttgart, Meersburg und Tonbach auch peu à peu gewachsen. Da ist sehr viel Projektarbeit zu leisten. Doch wir haben ein sehr gut aufgestelltes Team in der Schwarzwaldstube, der Köhlerstube, dem gesamten Hotel – ein Familienbetrieb in nunmehr 8. Generation. Auch unsere Eltern sind noch voll im Betrieb tätig.
Eine neue Generation hat natürlich auch einen ganz anderen Fokus, insbesondere was das Personal betrifft. Wir entwickeln den Betrieb gemeinsam weiter, wobei meine Rolle mittlerweile eine sehr operative ist und ich stark in Tonbach eingebunden bin.
Matthias Finkbeiner (M.F.): Insgesamt teilen wir uns die operativen Aufgaben, nur bin ich auch oft in unseren Dependancen vor Ort. Die Traube ist ein 24/7-Betrieb. Da müssen Entscheidungen oftmals sehr schnell fallen. Kommunikation ist dabei besonders wichtig.
Unser Produkt wird ja sozusagen produziert während der Kunde anwesend ist. Ein Auto wird gebaut, ohne dass der Kunde zuschaut. Wir arbeiten direkt am Gast. Wenn ein Gast unzufrieden ist, was immer auch die Gründe sein mögen, müssen wir schnell handeln.
Ich habe mich in letzter Zeit verstärkt um das Schlosshotel Monrepos gekümmert, dem einzigen zusätzlichen Hotelbetrieb, den wir haben. Auch dort gibt es mannigfaltige Aufgaben zu bewältigen. Dieser Teil des Unternehmens ist mittlerweile auch in einem ruhigeren Fahrwasser angekommen. Der Neustart vor 3 Jahren war natürlich sehr arbeitsintensiv.
Wir machen sozusagen Dienstleistung pur, wobei die Projektarbeit immer dazu gehört. Kennzahlen sind wichtig, Zahlen sind immer wichtig, schließlich sind wir ein Wirtschaftsunternehmen. Dennoch sind wir nicht ständig im Büro. Uns liegt vor allen Dingen der Kontakt zum Gast, zum Kunden am Herzen.
B.St.: Mit Ihnen agiert hier mittlerweile die 8. Generation.
S.F.: Ja, wir sind die 8. gastronomische Generation. Die erste Generation war noch ein Bäcker.
B.St.: Die 7. Generation ist aber noch nicht ganz raus.
S.F.: So ist es. Das wäre auch nicht sehr gut für unsere Stammgäste. Wir haben ein sehr gutes Miteinander.
Das Zusammenspiel der Generationen ist sehr wichtig. Es wird sehr viel gesprochen und angesprochen. Das operative Gestalten eines solchen Unternehmens kann man sich sehr gut bei der älteren Generation abschauen. Das birgt einen enormen Erfahrungswert.
Den Fokus auf den Gast zu legen, die Kompromisslosigkeit bei der Qualität und neue Einflüsse mit Blick auf neue Techniken, neue Gedanken zur Unternehmensführung, das macht den Reiz und den Erfolg aus.
Mathias Finkbeiner (© Traube Tonbach – René Riis)
M.F.: Das Personalthema hat sich verändert. Die jungen Leute haben sich verändert. Das Miteinander ist Änderungen unterworfen. Auch die Arbeitszeiten haben starke Änderungen erfahren. Früher waren sehr lange Arbeitszeiten normal. Das haben wir beendet. Wir haben mittlerweile Zeiterfassungsgeräte und achten sehr genau auf die 10-Stunden-Regelung.
Nicht nur, weil der Gesetzgeber das vorschreibt. Sondern weil es im Interesse aller ist, der Mitarbeiter, der gesamten Branche. Das ist auch im Sinne der Attraktivität für den Beruf wichtig. Schließlich will man junge Leute gewinnen und behalten.
Wochenendarbeit, Feiertagsarbeit, das gehört allerdings dazu. Daran wird sich in der Hotellerie, in der Gastronomie nichts ändern. Eine moderne Unternehmensführung, eine moderne Unternehmenskultur kann aber viel dafür tun, dass der Beruf attraktiv für junge Leute wird.
B.St.: Sie haben hier über 300 Mitarbeiter. Wie hoch ist die Anzahl der Auszubildenden?
M.F.: Wir haben derzeit 80 Auszubildende. Der Nachwuchs kommt nicht nur aus der Region. Mittlerweile haben wir Auszubildende aus Namibia, aus Ghana.
S.F.: Es gibt mittlerweile auch viele Geflüchtete, die in der Gastronomie Arbeit suchen. Unsere Branche ist prädestiniert für Menschen aus allen Teilen der Welt. Integration mit einem Job ist um ein vielfaches einfacher zu gestalten.
Mit einem Job kommt man mit Leuten ins Gespräch, man kommt in Vereine, in private Verabredungen, erfährt Wertschätzung und Teamgeist.
B.St.: Nach meiner Erfahrung ist derzeit der Spa-Bereich die größte Wachstumssparte in Hotels. Wie sehen Sie das? Ich habe gehört, dass nach umfangreichen Sanierungen im Hotelbereich auch hier an Veränderungen gedacht wird?
S.F.: Der Spa-Bereich ist ein wesentlicher Bestandteil eines 5-Sterne-Ressorts. Wir sind hier sehr breit aufgestellt. Einerseits sind wir sehr stark im Gourmetbereich und andererseits sind wir ein Familienhotel mit einem großen Spa-Angebot. In den letzten 20 Jahren hat sich beim Spa sehr viel getan.
Wir haben 2001 bereits den kompletten Schwimmbad- und Saunabereich ausgebaut und vor 5 Jahren unseren Behandlungsbereich in der Größe nahezu verdoppelt. Letztes Jahr wurde unser Außenpool saniert und jetzt steht wieder eine umfangreiche Weiterentwicklung im Saunabereich an.
B.St.: Gästezufriedenheit ist ein hohes Gut für ein Hotel. Schließlich sind Gäste auch Multiplikatoren. Wieviel Bedeutung haben dabei die Bewertungsportale bei denen nicht nur positiv, sondern auch schon mal recht deutlich Kritik geübt wird. Beobachten Sie das? Reagieren Sie sofort?
M.F.: Bewertungsportale sind sehr wichtig. Natürlich freut man sich immer über gute Bewertungen, besonders über Weiterempfehlungen.
Aber wir nehmen Kritik sehr ernst und reagieren natürlich darauf. Das erschöpft sich nicht nur auf eine adäquate Rückmeldung für den Gast. Wir sprechen intern darüber und versuchen uns immer zu verbessern. Wir sind schließlich keine Hotelmaschine.
Am einfachsten ist es natürlich, wenn der Gast sich bereits vor Ort äußert. Dann können wir sofort reagieren. Im Bewertungsportal bleibt uns nur noch eine schriftliche Antwort.
S.F.: Die Bewertungsportale haben nach schwierigem Start eine inzwischen wichtige Funktion. Die Nutzer können sehr gut Lobeshymnen und Verrisse von ernst gemeinten Äußerungen sehr gut unterscheiden.
Ich halte Bewertungsportale mittlerweile für ein sehr gutes Marketingtool.
B.St.: Wenige Kilometer von hier finden wir bereits den nächsten großen Mitbewerber um die Gunst der Gäste. Gibt es eine gepflegte Rivalität mit der Familie Bareiss oder ist, wenn ich es einmal so ausdrücken darf, die Stadt groß genug für beide?
S.F.: Eine Rivalität wird uns sehr oft unterstellt. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zur Familie Bareiss. Die Generation unserer Eltern ist auf Augenhöhe, Hannes Bareiss und ich sind vom gleichen Jahrgang.
Der Bruder von Hannes, Christian ist vom gleichen Jahrgang wie mein Bruder Matthias. Wir kennen uns sehr gut. Es gab auch immer nur eine Disco in Freudenstadt, auch daher kennen wir uns gut (lacht).
Wir haben ein sehr gutes, sehr ehrliches und regelmäßiges Miteinander. Natürlich hat jeder sein eigenes Geschäft das es voranzubringen gilt. Eine gesunde Konkurrenz treibt uns beide nach vorne, man lernt auch voneinander.
Baiersbronn hat den Ruf ein Sternedorf zu sein. Da sind wir beide führend. Das zieht natürlich Gäste an. Wenn in St. Moritz beispielsweise nur ein Hotel wäre, würden nicht so viele Gäste hinkommen, das ist hier genauso.
B.St.: Die Traube Tonbach ist mit dem Flaggschiff Schwarzwaldstube eine kulinarische Kaderschmiede. Erfolg entspringt keinem Zufallsprinzip. Woher kommt der Erfolg der Ausbildungsstätte Traube Tonbach?
M.F.: Kontinuität in der Qualität. Das ist das Rezept. Man darf nie nachlassen. Wir bleiben unserem Stil treu. Wir hinterfragen uns immer und wollen uns stetig weiterentwickeln.
Die Schwarzwaldstube beispielsweise, läuft nicht jedem Trend hinterher. Natürlich schaut man sich in der Welt um, man informiert sich über neue Entwicklungen, bleibt jedoch seinem Stil immer treu. Es gibt eine Weiterentwicklung innerhalb des eigenen Stils mit einem hohen Qualitätsanspruch. Diesen unbedingten Qualitätsanspruch tragen unsere Mitarbeiter mit.
Die Kaderschmiede hat sich durch Kontinuität entwickelt. Das benötigt natürlich Zeit. Die Köche, die bei uns die Ausbildung durchlaufen haben, nehmen dies mit in ihren neuen Aufgabenbereich.
Matthias und Sebastian Finkbeiner (© Traube Tonbach – René Riis)
B.St.: Die Vergabe eines Michelinsterns an die Köhlerstube ist nicht nur eine Bestätigung für Herrn Stolte und seine Mitarbeiter sondern ein Hinweis auf kulinarische Qualität auch abseits der Schwarzwaldstube. Sind Sie darauf besonders stolz?
S.F.: Wir freuen uns sehr für das Team um Florian Stolte und das Serviceteam mit Herrn Maetzing.
Herr Stolte hat sich schon vor längerer Zeit mit einer Qualitätsinitiative auseinandergesetzt. Er wollte die Küche mit einem starken Team auf ein neues Level bringen. Ein Stern im Michelin war nicht das Ziel sondern ein Wunsch.
Der Schritt nach vorne kam bei den Gästen sehr gut an. Wenn der Gast sagt, dass er wieder kommt, dann ist genau das der eigentliche Erfolg.
Der Stern für die Köhlerstube erfüllt nicht nur unsere Hoffnung, er geht auch mit gewissen Befürchtungen Hand in Hand. Wir haben sehr viele Gäste, die längere Zeit im Hotel verbringen und häufig die Köhlerstube besuchen. Man muss sehen, wie diese Gäste auf Veränderungen reagieren und muss sie mitnehmen. Wir versuchen neue Gäste zu begeistern und müssen die Stammgäste auf diesem Weg begleiten.
Es hat sehr gut funktioniert. Dieser Stern hat uns tatsächlich weitergebracht.
B.St.: Sie werden kaum mit Ihren Familienmitgliedern in der Schwarzstube einen Tisch buchen. Zumindest habe ich noch nie ein Familienmitglied der Finkbeiners dort essen sehen.
Lassen Sie sich schon mal ein Tellerchen ins Büro stellen? Oder gibt es den großen Gourmettest in einem Nebenraum?
M.F.: Wir probieren schon mal ein Gericht in der Küche. Wir essen tatsächlich in der Schwarzwaldstube nur wenn es einen wichtigen Grund gibt. Beispielsweise ein Essen mit Geschäftspartnern. Ansonsten sind die Plätze unseren Gästen vorbehalten.
Es gab auch schon einmal eine Familienfeier in der Schwarzwaldstube. Doch das ist sehr selten der Fall.
B.St.: Zum Abschluss möchte ich noch gerne wissen wie Sie es schaffen aus Gästen Stammgäste zu machen?
M.F.: Das geht nur über Qualität und demnach über eine hohe Kundenzufriedenheit. Der erneute Besuch muss im Relevant Set eines Gastes abgespeichert sein. Das geht nur durch Überzeugung vor Ort.
Man kann viel im Internet schreiben, man kann Interviews machen (lacht), entscheidend ist die Zeit, die der Gast hier verbringt.
B.St.: Vielen Dank für das schöne Schlusswort und das Interview.
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