Eine lehrreiche Zeit liegt hinter und eine spannende Zeit liegt vor uns. Wir haben, seitdem das Coronavirus über uns hereingebrochen ist, viel über Verdopplungszeiten, Reproduktionszahlen, Durchschnittswerte und die richtige Art und Weise wie man seine Hände wäscht, gelernt.
Allmählich kehren wir nun zum Alltag zurück, oder wie man hören kann, in eine „neue Normalität“. Eine Normalität die, meiner Meinung nach, eine zweite Welle im Gepäck haben könnte, nämlich eine Pleitewelle.
Starke Auflagen zur Öffnung von Ladengeschäften, Einkaufszentren und Restaurants bedeuten Fluch und Segen zugleich.
Ich hatte am Samstag, 9. Mai 2020 die Gelegenheit mit Thomas Schanz, der in Piesport an der Mosel ein Zwei-Sterne-Restaurant und ein Hotel betreibt, das folgende Telefoninterview zu diesen Themen zu führen:
Kaisergranat (© Bernhard Steinmann)
Bernhard Steinmann (B.St.): Roh marinierter Kaisergranat mit gebeiztem Wagyu, grüner Spargel, getrockneter Tintenfischtinte und Haselnussöl. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Wann dürfen Ihre Gäste wieder in solchen Genüssen schwelgen?
Thomas Schanz (T.Sch.): Das geht jetzt relativ schnell. Am kommenden Mittwoch werden wir öffnen und versuchen den Gästen kulinarisch wieder etwas Besonderes zu bieten. Wobei die Umstände für ein Esserlebnis im Augenblick sehr schwierig sind. Damit habe ich mich in den letzten zwei Monaten intensiv befasst. Die Frage war natürlich, wie soll, wie kann so etwas funktionieren.
Seit gestern Abend liegen auch die Auflagen bzw. die Beschränkungen des Landes Rheinland-Pfalz vor. Nun geht es an die Umsetzung.
B.St.: Ein Virus aus dem fernen Asien hat das ganze Land sediert und nicht für möglich gehaltene Zumutungen bereitgehalten. Auch Sie mussten Hotel und Restaurant schließen. Wie sehr hat Sie das belastet?
T.Sch.: Als Selbstständiger war das schon ein harter Aufschlag! Aus einem gesund laufenden Betrieb von heute auf morgen ins Restaurations- und Beherbergungsverbot. Die Einnahmen fielen weg, während die Ausgaben dagegen standen. Man stellt sich ständig die Frage, wie lange die Situation wohl anhalten kann.
B.St.: Mussten Sie Ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken?
T.Sch.: Ja, das musste ich. Wir hatten ja sozusagen ein Beschäftigungsverbot. Ein Lieferservice wäre natürlich möglich gewesen aber mitten auf dem Land keine wirkliche Option.
B. St.: Finanzielle Unterstützungen in Form von Krediten sind keine tatsächlichen Hilfen. Man schiebt einfach die Probleme vor sich her. Sehen Sie das auch so?
T.Sch.: Das sehe ich genauso! Die Betriebe, die schon jetzt nach 2 Monaten keine Rücklagen mehr haben, werden sich sehr schwer tun auch noch diesen Kredit zu stemmen.
Eine weitere steuerliche Entlastung, etwa ein Aussetzen der Gewerbesteuer, fände ich sympathischer.
B.St.: Hätten Sie noch einige Zeit durchhalten können?
T.Sch.: Meinen Betrieb gibt es nun seit 9 Jahren und ich habe immer versucht Rücklagen zu bilden. In den ersten Jahren hätten wir eine solche Pandemie schwer überstehen können. Wobei ich das Ende der Problematik noch nicht sehe!
Man kann sagen, dass die Zeit bis jetzt für mich noch einigermaßen kalkulierbar war.Was jetzt auf uns zukommt, wird keinesfalls einfacher. Wir wissen noch nicht, wie groß der Andrang sein wird. Unser Glück ist, dass wir schon immer große Abstände zu dem nächsten Tisch hatten. So fallen nur 2 der 10 Tische weg.
Für „Normalbestuhlte Restaurants“ bedeutet das: halbe Belegung, halber Umsatz aber nicht halbe Personal- und Mietkosten! Viele Betriebe mit kleiner Ladenfläche werden sich aufgrund der Einnahmen/Ausgaben Problematik überlegen überhaupt zu öffnen. Ich kenne einige Kollegen die erst einmal abwarten wollen.
B.St.: Zu den Hilfen für Gastronomen zählt auch eine befristete Mehrwertsteuersenkung auf verarbeitete Speisen. Ist das tatsächlich eine Hilfe?
T.Sch.: Ganz aktuell ist eine Mehrwertsteuersenkung ab Juli natürlich keine große Hilfe, auch wenn es grundsätzlich zu begrüßen ist. Doch wenn die Einnahmen in den meisten Betrieben in deutlich größerer Prozentzahl wegbrechen hilft eine Mehrwertsteuersenkung auf Speisen nicht allzu viel.
Weniger Gäste bedeuten weniger Umsatz, so einfach ist das.
B.St.: Welche Auflagen gibt es für die Wiedereröffnung?
T.Sch.: Die Auflagen sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich. Neben den Stuhlabständen von 1,5 Metern müssen Plexiglas-Trennwände am Empfang angebracht werden. Wir haben Desinfektionsmittelspender im Eingangsbereich und natürlich auch in den Toilettenräumen.
Das Personal arbeitet mit Mundschutz und Handschuhen. Es gibt abwaschbare Speisekarten und Aushänge mit den Erklärungen der Richtlinien. Brotkörbe gibt es nur noch paarweise, dass Frühstück wird auf Tellern serviert und schließlich haben wir eine umfangreiche Dokumentationspflicht.
Reservierungen sind verpflichtend. Das war aber bei uns schon immer so. Alles in allem ergibt dies einen erheblichen Mehraufwand. Tatsächlich sehe ich das für uns als umsetzbar an. Der Charme allerdings bleibt auf der Strecke.
Thomas Schanz (2019) © Bernhard Steinmann
B.St.: Gibt es eine zeitliche Begrenzung am Abend? Sozusagen eine verpflichtende Schließzeit?
T.Sch.: Das ist das für mich derzeit größte Ärgernis und hier hoffe ich auf baldige Nachbesserung. Wir müssen tatsächlich um 22:00 Uhr schließen.
Für unsere Art der Gastronomie, damit meine ich Menüs mit mehreren Gängen und Gäste, die oftmals von weit her kommen um einen genussreichen Abend mit anschließender Übernachtung verbringen möchten, ist das nicht angenehm. Außerdem ist ein Virus nach 22:00 Uhr nicht aktiver als vorher.
B.St.: Öffnet das Hotel gleichzeitig mit dem Restaurant?
T.Sch.: Leider hat das Hotel noch länger geschlossen. Wir dürfen erst ab dem 18. Mai wieder öffnen. Das ist sehr schwer nachvollziehbar. Schließlich ist der Betrieb des Hotels noch einfacher zu organisieren als der des Restaurants.
Der Gast bekommt seinen Schlüssel und kann, wenn er möchte, das Frühstück auf dem Zimmer einnehmen. Es ist auch möglich, den Frühstücksraum zeitversetzt mit Mindestabstand für die Gäste zu öffnen. Daher finde ich es sehr schade, dass die Öffnung nicht parallel erfolgen kann.
B.St.: Gäste aus dem Ausland werden noch einige Zeit auf sich warten lassen. Regionale Kunden werden sicher nicht ausreichen. Wie sehr vermissen Sie auswärtige Gäste?
T.Sch.: Auch die ausländischen Gäste sind für uns sehr wichtig. Wir hatten beispielsweise immer sehr viele Gäste aus Luxemburg. Das macht nach meiner Schätzung fast 30 % der Gäste aus. Gäste aus Nordeuropa, aus Frankreich, die fehlen jetzt natürlich. Für ein Sternerestaurant ist dies keine einfache Situation.
B.St.: Meiner Meinung nach kommt die gehobene Gastronomie an einen entscheidenden Wendepunkt. Wie sehen Sie die Zukunft der Branche?
T.Sch.: Die derzeitige schwierige Situation ist nur sehr eingeschränkt kalkulierbar. In zwei Wochen sind wir alle ein bisschen schlauer. Wir nehmen seit gestern erst wieder Reservierungen an und müssen uns die Entwicklung kritisch anschauen.
Vor einem halben Jahr hätte ich an so eine Situation nie gedacht. Mittlerweile hat man sich an die „neue Normalität“ gewöhnt das Haus mit einem Mundschutz zu verlassen. Ich habe zuvor nie gesehen, dass jemand einen Einkaufswagen desinfiziert hat. Das wird eine Zeitlang so bleiben. Man wird vorsichtiger sein.
Ich freue mich jedenfalls, dass wir öffnen können und ich hoffe, dass das Konzept funktioniert bis endlich ein Impfstoff gefunden ist. Die Gäste werden sich an die Regeln halten, davon bin ich überzeugt.
Meine Sorge gilt den sogenannten Risikogruppen. Werden diese überhaupt ein Restaurant aufsuchen oder werden sie einfach zu Hause abwarten. Das ist ein wichtiges Thema für die Gastronomie und derzeit nicht abzuschätzen.
B.St.: Ich habe Sie als einen Menschen kennengelernt, der sehr gerne arbeitet, der sehr akribisch arbeitet. Wie groß ist die Freude bei Ihnen, endlich wieder in der Küche stehen zu können?
T.Sch.: (Lacht). Ich brenne darauf und freue mich sehr, dass es endlich wieder losgeht.
Ein Sternekoch hat normalerweise nicht sehr viel Zeit für Hobbys. Jetzt hatte ich zwei Monate Zeit. Ich habe das Holzdeck der Terrasse geschliffen und gestrichen und unser Wasserbecken neu verputzt und gestrichen.
Hinzu kommt natürlich die Kopfarbeit, die Beschäftigung mit Speiseentwicklungen. Da die Produkte fehlten, konnte ich nicht so viel wie gewünscht ausprobieren. Aber jetzt!
Ich hoffe sehr auf eine baldige Normalität, dass alles noch einmal so wird wie es vorher war.
B.St.: Das hoffe ich mit Ihnen. Vielen Dank für das interessante Interview.
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