Von Megève führt unser Weg nach Lyon. Erstes Ziel soll das legendäre Dreisternerestaurant des Grandseigneurs der Grande Cuisine sein, das Restaurant von Paul Bocuse, die L’Auberge du Pont de Collonges.
Bocuse muss häufig als Schöpfer und bekanntester Vertreter der Nouvelle Cuisine herhalten, doch gebührt diese Ehre, meiner Meinung nach, eher Michel Guérard und Ferdinand Point.
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Biegt man auf den Parkplatz vor dem Restaurant ein, verkündet schon das bunte Äußere des Gebäudes, dass man in wenigen Minuten beim Betreten des Hauses in eine völlig andere Zeit eintaucht. Auch wenn „Monsieur Paul“ nicht mehr anwesend ist, immerhin ist er mittlerweile 91 Jahre alt, so betrachtet er als Fassadengemälde wohlwollend seine Gästeschar.
1989 wurde Bocuse vom Gault&Millau zum „Koch des Jahrhunderts“ erhoben. Eine Ehre, die bisher nur noch Joël Robuchon, Frédy Girardet und Eckert Witzigmann zuteil wurde.
Der Großvater von Paul Bocuse eröffnete 1840 sein erstes Restaurant, es folgte im Anschluß die Eröffnung der Auberge du Pont, welche „Monsieur Paul“ in dritter Generation übernahm und zu Weltruhm führte.
Der Guide Michelin zeichnet das Restaurant seit 1965 mit drei Michelinsternen aus.
Innen erwarten uns ein in rot-gold gehaltenes Ambiente und überaus bequeme Sitze. Mit dem Blick auf die Speisekarte werden wir fast nostalgisch. Damit meine ich nicht die vage Erinnerung, dass früher alles besser war, sondern eher ein Gefühl aufkommender Sorglosigkeit und Zufriedenheit. Es bedarf keiner großen Diskussion, dass wir uns hier für das Menu Grande Tradition Classique entscheiden, denn wo sonst kann man die Klassik so genießen wie beim Altmeister der französischen Haute Cuisine.
Die Küche grüßt mit einem fantastischen Tomatensüppchen und rasch startet die Menüfolge.
Escalope de foie gras de canard poêlée, sauce passion
Eine nahezu tadellos kreierte Foie Gras, geschmacklich wunderbar ausbalanciert, von zartem Schmelz und feiner Würze.
Auch die Portionsgröße ist mehr als zufriedenstellend. Wer sich dieses Gericht allerdings à la carte zumuten möchte, darf sich auf eine quantitative Herausforderung einstellen.
Soupe aux truffes noires V.G.E.
(plat créé en 1975 pour l’Elysée)
Es ist eine mehr als starke Vermutung, dass es sich hierbei um eines der berühmtesten Gerichte der Haute Cuisine handelt. Ein Gericht, dessen Name weitaus schwerer wiegt als letztendlich der Geschmack: La soup aux Truffes V.G.E. Wobei die Abkürzung, Sie wissen es längst, für den damaligen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing steht.
Paul Bocuse entwickelte dieses Gericht für eine Veranstaltung im Pariser Elysée-Palast und zu Ehren des Präsidenten, bei der er selbst den Titel des Ritters der Ehrenlegion verliehen bekam. Das Ereignis fand am 25. Februar 1975 statt und nicht nur Bocuse war mit der Vorbereitung befasst. Gemeinsam mit eng befreundeten Küchenchefs, darunter die Gebrüder Haeberlin und Jean Troisgros, nahm das Menü Gestalt an.
Die Trüffelsuppe wird von einem Blätterteigdeckel verschlossen, den man erst einmal durchbohren muss um an das höllisch heiße Innere zu gelangen.
Dort warten u.a. Karotten, Lauch, Champignons, Trüffel, gewürfeltes Rindfleisch und Stopfleber in einer Hühnerbrühe darauf, verzehrt zu werden.
Der Teigdeckel ist mit Eigelb bestrichen und soll in kleinen Stückchen in die Suppe fallen.
Ein weiterer großer Klassiker auf der Karte von Bocuse. Damit zollt er seinem Lehrer, Ferdinand Point, dem Mitbegründer der Nouvelle Cuisine, Respekt.
Der Fisch ist perfekt gegart und wird mit frischen Tagliatelli serviert. Pilze und Tomaten werden in Weißwein gekocht, in eine Sauce Hollandaise getaucht um dann unter einem Salamander die auf dem Foto zu bestaunende Grilloptik zu erhalten.
Das Gericht wirkt ebenso altmodisch wie makellos, auch wenn es damals bestimmt sehr innovativ erscheinen musste. Dazu ist es geradezu üppig. In keinem anderen Dreisternerestaurant dieser Welt kann ich mir diese Kreation vorstellen.
Granité des vignerons du Beaujolais
Ein erfrischender Zwischengang.
Volaille de Bresse en vessie „Mère Fillioux“
Ein wunderbare Kreation, welche in zwei Gängen serviert wird, einmal die Brust und einmal die Schenkel des Hühnchens. Die Reihenfolge ist beliebig.
Besonders angetan war ich von den köstlichen Morcheln.
Gegart wird das Huhn in einer Schweinsblase, deren Präsentation sich großer Aufmerksamkeit bei den Gästen erfreut.
Meine Freunde würden mich als sogenannten „guten Esser“ bezeichnen. Dennoch ersparte ich mir diesmal die Sélection de fromages frais et affinés „Mère Richard“, denn am Nebentisch konnte ich bereits die Vorbereitungen für die Desserts verfolgen. Da sollte noch etwas auf uns zukommen.
Délices et gourmandises
Petits fours et chocolats
Die „Köstlichkeiten“.
Kaum zu glauben, dass die bis hierhin sehr gelungene Inszenierung noch eine Steigerung erfahren sollte. Die Präsentation der Desserts hat etwas nahezu surreales. Immer wieder werden Servierplatten gebracht, umgestellt und weitergeschoben. Man fühlt sich an ein Varieté erinnert, zwar ohne Artistik und tänzerische Darbietungen, dennoch von großem Unterhaltungswert.
Flüsternd tauschen wir uns über das kulinarische Großereignis aus, während an den Nachbartisch eine Drehorgel geschoben wird und alsbald für eine Dame ein Geburtstagsständchen ertönt. Und während die Gäste applaudieren, agiert die Servicecrew weiterhin mit stoischer Gelassenheit.
Es sollte nicht lange dauern, bis sich das Ereignis an einer anderen Ecke des Restaurants wiederholte.
Ich verzichte bei den Dessertfotos auf weitere Kommentare und lasse Sie mit den Bildern alleine.
Ein Gläschen Champagner und ein
2011er, Chassagne Montrachet Caillerets, Morey
begleiten uns durch das Menü.
Eine stattliche Anzahl Servicemitarbeiter kümmert sich um die Gäste.
Unter dem strengen Blick der seit vielen Jahren im Restaurant tätigen Head Waiter agieren die jüngeren Servicemitarbeiter hoch konzentriert und geschäftsmäßig. Kaum ein Lächeln, keine Zeit für weitergehende Erklärungen, die über das übliche annoncieren der Speisen hinausgehen.
Die gravitätischen Bewegungen, die ausdrucksstarken Gesten des Servicepersonals sind einem kulinarischen Hochamt durchaus angemessen.
FAZIT:
Die Küche funktioniert wie ein Uhrwerk. Alles wird im Sinne von Paul Bocuse organisiert und geführt. Und obwohl auch Christophe Muller an diesem Abend nicht anwesend war, gibt es keinen Leistungsverlust.
Die Karte enthält ein reichhaltiges à la carte-Angebot. Beurteilen kann ich natürlich nur das, was ich probiert habe und das war nun mal das Menü Grande Tradition Classique. Doch ob Sie ein Freund der französischen Klassik sind oder mehr zur spanischen, deutschen oder nordeuropäischen Avantgarde neigen, ein Gourmet sollte einmal in seinem Leben die L’Auberge du Pont de Collonges besuchen und erleben, was man tatsächlich unter französischer Klassik zu verstehen hat.
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