PERFEKTION IM PAVILLON
Sinnlichkeit und Technik, Kühnheit, Präzision und Emotion, das sind die Grundlagen einer französischen Klassik, die vom Gast höchste Aufmerksamkeit erfordert.
Der „Prinz der Paläste“ Yannick Alléno fasziniert mit Kreativität und perfektem Handwerk.
Eines der ältesten Restaurants von Paris ist heute das Ziel unserer Testreihe.
Alles begann 1779 mit dem kleinen Restaurant Au Dauphin in der Nähe des Place Louis XV, unweit vom Place de la Concorde. Das Gebäude wird in den Folgejahren etwas verlegt und im neoklassizistischem Stil zu einem zweistöckigen Pavillon umgebaut. Prominente Gäste wie z. B. Louis de Saint-Just, der ab 1792 dem Nationalkonvent angehörte und Maximilien François Marie Isidore de Robespierre, der als führendes Mitglied der Jakobiner die erste Phase der Französischen Revolution entscheidend mitprägte, sollen sich dort getroffen haben.
Zuletzt wurde der Berliner Foodblogger Bernhard Steinmann mit seiner Gemahlin dort angetroffen. Spässle gmacht!
Im Restaurant Ledoyen treffen wir uns wenige Tage vor unserem geplanten Dinner mit dem wahrscheinlich charismatischsten Küchenchef von Paris, Yannick Alléno.
Seine faszinierende französische Küche verbindet außerordentliche Technik mit Sinnlichkeit. Er tritt ein für eine gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit und ist unglaublich fasziniert von der transformativen Kraft der Saucen.
Alléno, der schon im Kindesalter seiner Mutter in der Küche geholfen hat,lernte bei den besten Köchen der Welt. Seine Karriere begann im Royal Monceau, bevor er im Sofitel Sèvres zum ersten Mal mit den Sofitel Luxury Hotels in Berührung kam. Seinen ersten Michelinstern erarbeitete sich der aufstrebende Koch 1999. Im Jahr 2003, ein Jahr bevor der zweite Michelinstern dazukam, übernahm er die Leitung im renommierten Pariser Hotel Le Meurice. Die Bestmarke von drei Sternen folgte für den „Prinz der Paläste“ 2007. Ein Jahr später gründete er die Group Yannick Alléno, mit der er seine einzigartige Expertise verschiedenen Hotels und Restaurants anbietet. Zuletzt übernahm Alléno das Pavillon Ledoyen auf dem Champs-Elysées, das in „Alléno Paris, Carré des Champs-Elysées“ umbenannt wurde. 2015 wurde Alléno von Gault&Millau sowie Andrew Harpers, USA, zum „Koch des Jahres“ gekürt.
Alléno sei der „Archetyp des großen französischen Kochs, der die Werte der hohen französischen Küche zelebriert“, betonte Come de Cherisey, Chef des Gault-Millau, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
Noch immer ist er auf der Suche nach einzigartigen Kreationen.
In meinen Augen ist der Perfektionist einer der größten Köche der Welt.
Am Abend des Dinners werden wir überaus freundlich empfangen und zu unserem Tisch geleitet. Wir verzichten auf das in der Karte aufgeführte Menü und lassen uns vom Küchenchef überraschen. Es sollte sich lohnen.
Das erste Amuse-Gueule habe ich nicht abgelichtet.
Auf einem grünen Schwamm werden zunächst Rote Bete, gefolgt von einem Hibiskus-Zwiebelcrisp nebst Brioche und Sauce mit Seaweeds gereicht.
Iberico Schinken, Gelee, Roggenbrot-Schaum, Kalamata-Oliven
Fermentierter Roggenbrot-Schaum? Wahrscheinlich habe ich bei der Annoncierung nicht aufgepasst. Vielleicht kann ein kundiger Gast dies aufklären, denn hier möchte ich mich nicht festlegen.
Die Kalamata-Oliven sind jedenfalls doppelt so groß als ihre ölige Verwandtschaft.
Sie werden im Wasserbad entbittert und passen wunderbar zum edlen Schinken.
Salzig und frisch kommt das Gericht daher.
Die außergewöhnliche Rotbarbe wurde nahezu roh auf Eis mit Zitrone serviert, unglaublich fein und zart. Nachdem ein Teil verzehrt ist wird in einem zweiten Service eine feine Fischsuppe, nach einem Rezept welches ursprünglich aus den Abruzzen stammt, aufgegossen. Hinzu kommen marinierte Sardinen und etwas Milch.
Ein ungewöhnliches Gericht.
Für einen Fotografen sind bunte, ausdrucksstarke Gerichte oftmals beeindruckender darzustellen und dem Betrachter zu vermitteln.
Im vorliegenden Falle wird überdeutlich, dass Alléno an Aromen- und Geschmacksbildern
interessiert ist. Der Geruchssinn wird stark in Anspruch genommen. Die Antizipation des Geschmacks als reizvoller Effekt ist die Folge.
Wow, auf den ersten Blick vermute ich Käse auf dem Teller.
Doch tatsächlich ist es Hecht. Der in süsswasserführenden Gewässern beheimatete Raubfisch wird als feste Mousse mit stark crèmeartiger Konsistenz in einer Brotkruste (Wiener Brot) serviert.
Der größere Aufwand wird aber den begleitenden Komponenten zuteil.
Sellerie-Extrakt, Selleriepüree und eine Sellerieemulsion vollenden ein aromatisches Vergnügen.
Kaviar mit einer Mousse aus Rindermark und Liebstöckel, auch Maggikraut genannt.
Hinzu kommen geräucherte Schwarzwurzeln und knusprige Kartoffelscheibchen.
Wie um alles in der Welt soll man diesen Geschmack beschreiben.
Die Kraft der Aromen kann man diesem Foto leider nicht ansehen.
Salzig, rauchig, würzig, reich an Texturen und Akkorden.
Ein Meisterwerk.
Pochierter Steinbutt, der Fasan der Meere, wird mit Selleriepüree und süßen Zwiebeln serviert und mit Orangenblüten verziert.
Alléno, der immer wieder am Tisch auftaucht scheint ebenso begeistert zu sein wie wir.
Der geröstete blaue Lobster mit gedämpftem Grünkohl ist ein Gericht, das schnell verstanden werden kann und das nicht so geheimnisvoll erscheint wie die Gerichte zuvor.
Dieses Menü zu beschreiben ist wahrlich kein leichtes Unterfangen.
Die ausufernde Kreativität und das perfekte Handwerk der Küchencrew ist auch für einen erfahrenen Gourmet eine Herkulesaufgabe.
Etwas Olivenöl und Lobsterextrakt ergänzen und vervollständigen einen fantastisch zubereiteten Lobster.
Das Milchlamm wird in zwei Teilen serviert.
Das Fleisch wird in einer würzigen Milch (Kardamon und Zimt) pochiert.
Filet und Kotelett (Rippchen) sind wunderbar zart gegart und schmackhaft.
Auf dem zweiten Teller wird es noch komplizierter.
Die geschmorte Schulter wird unter Hartweizengrieß versteckt und mit Baiser, optisch so nicht erkennbar aber texturell erkennbar, begleitet.
Erneut erkennen wir ein überaus aromatisches Ganzes, das selbst in der Welt der Dreisterneküchen seinesgleichen sucht.
Die Desserts halten das Niveau der bisher gereichten Speisen.
Aprikose, Orangensorbet,
Nussespuma, Aprikoseneis
Surprise Coconut
in a Meringue Shell
Crispy Chocolate Slices,
Camus Artichoke Sorbet
Und damit noch nicht genug,
gibt es einen weitere Überraschung.
Pralinen und Crème brûlée Tartelette
Wein und Service:
2013, Condrieu, DePoncins,
Domaine François Villard
2009, Reflet, Saint Joseph,
François Villard
Die Servicecrew ist überaus erfahren und professionell.
Man ist freundlich, um jeden Gast bemüht
und schafft so eine unglaubliche Wohlfühlatmosphäre.
FAZIT
Yannick Alléno erfindet die klassische französische Küche neu, mit besten Zutaten und regionalen Produkten.
Er fordert seinen Gästen alles ab. Er wandelt um, formt neu, spielt mit Temperaturen, Gerüchen und Geschmack, Form und Textur. Kreativ, kühn, präzise und voller Emotion.
Ein moderner Expressionist.
Einen Signature Dish findet man bei ihm jedoch nicht. Zu sehr widerstrebt es ihm, kategorisiert und in eine Schublade gesteckt zu werden.
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