Gut drei Jahre sind seit unserem Besuch im Restaurant Lorenz Adlon Esszimmer vergangen. Die positiven Seiten der Leidenschaft eines Foodbloggers, immer neue Restaurants zu entdecken, zu besuchen, zu bewerten, zu beschreiben und Dinge zu genießen, die man selbst nicht in dieser Kreativität und Perfektion zuzubereiten in der Lage ist, inkludiert die Nachteile, dass man nicht immer und immer wieder an den Stätten einkehren kann, die unvergeßliche Stunden mit höchsten Genüssen bereitet haben.
Nun ist es Zeit für ein Update. Zeit, der Hotellegende am Brandenburger Tor unsere erneute Aufwartung zu machen.
Schon beim Betreten der Lobby des Hotel Adlon Kempinski lassen wir Berlin, lassen wir das Treiben der Touristen auf dem Pariser Platz schnell hinter uns. Das 1997 wiedereröffnete Luxushotel mit seinem einzigartigen Flair scheint wie ein eigener Kosmos. Wortfetzen unterschiedlichster Sprachen fliegen an uns vorbei, während wir den Weg zur Treppe und zum Restaurant beschreiten.
Schon Lorenz Adlon huldigte dem „Behagen des Genusses“ und machte die Kulinarik bereits bei der Eröffnung im Jahre 1907 zu einem der wichtigsten Elemente der Adlon-Tradition.
Das Ambiente des Restaurants ist von gediegener Vornehmheit geprägt. Verspielt die Säule in der Mitte des Raumes, leicht kitschig die Decke, schwere Vorhänge umrahmen den Blick auf das Brandenburger Tor und ein Kamin vermittelt die Entspanntheit eines Wohnzimmers.
Und, ich hätte es nicht erwähnt, wenn es neuerdings anderswo nicht en vogue wäre, an blanken Holztischen zu speisen, doch hier verzichtet man nicht auf Tischdecken, die Geräusche dämpfen und am Ende des Tages beredtes Zeugnis darüber ablegen, dass Herr Steinmann wieder einmal gekleckert hat.
Nach freundlichem Empfang werden die Plätze eingenommen und die ersten Küchengrüße lassen nicht lange auf sich warten.
U.a. gibt es Büsumer Krabbe, ein Blumenkohl-Apfel-Eis, geräuchterter Aaal mit intensiven Raucharomen, konfierte Garnele und ein Glas mit Pfirsisch- u- Williamsbirnensaft,
aufgegossen mit einem Schuss Champagner.
Ein mehr als gelungener Start. Die Bilder dazu habe ich diesmal meinem Facebookauftritt überlassen.
Hendrik Otto nennt sein Menü Quintessenz. Dieser gilt es an diesem Abend auf den Grund zu gehen.
Otto begann seine Karriere mit einer Ausbildung zum Koch im „Kurhotel Lauterbad“ im badenwürttembergischen Freudenstadt. Es folgten Stationen im „Haerlin“ in Hamburg, im „Brenner´s Park in Baden-Baden und in der Traube Tonbach in Baiersbronn. Nach weiteren Stationen zog es ihn 2008 in die Hauptstadt. Im „Vitrum“ des Hotel „The Ritz Carlton“ wurde er mit einem Michelinstern ausgezeichnet. 2010 schließlich der Wechsel zum Lorenz Adlon Esszimmer. Zwei Sterne des Guide Michelin und 18 Punke von Gault&Millau Deutschland, das ist die aktuelle Bewertung der bedeutensten Restaurantführer.
Das Menü startet mit
Gänseleber / gefroren und roh
Ingwer, Mandel, Himbeere, grünem Pfeffer, Orangenschale, Brioche
Ein erstaunlich leichtes Gericht, stimmig und ohne den üblicherweise kräftigen Schmelz der Gänseleber. Die koalierenden Begleiter fügen sich zu einer aromenreichen Kreation, ausgewogen und bar jeglicher Wucht.
Ingwer, ein äußerst vielseitiges Gewürz, sorgt nicht nur für die exotische Note, sondern spielt mit Schärfe und Würze. Zarte Fruchtnoten sorgen für die Balance.
Makrele / grüne Gazpacho
Paprika, Ananas-Kaviar, Weißbrot, Walnussöl, Minze
Das zarte und saftige Fleisch des kleinen Schwarmfisches wird durch unterschiedliche Texturen aufgewertet. Unter der krossen Decke brilliert eine elegante Makrele und verbreitet mit dem stimmigen Beiwerk und schöner Würze einen Hauch von Orient.
Fenchel / Bauernspeck / Gewürzsud
konfierte Tomate, Granatapfel, Zitrone, Vogelmiere, Thymian
Ein mediterran anmutendes Zwischengericht dessen durchaus kräftige Fenchelnoten angenehm durch zitronige Säurenoten ergänzt werden.
An dieser Stelle möchte ich den Service etwas genauer zu beleuchten.
Maître im Lorenz Adlon Esszimmer ist Boris Häbel, der seine Ausbildung zum Restaurantfachmann im Hotel Barreiss in Baiersbronn absolvierte. U.a. war er später bei Dieter Müller im Schlosshotel Lerbach, Bergisch-Gladbach und in mehreren Restaurants in Frankfurt am Main. Besonders erwähnenswert scheint mir sein Engagement als Assistent Outlet Manager im weltberühmten Hotel Burj al Arab in Dubai.
Häbel dirigiert den Service zurückhaltend und leise.
Der Service insgesamt wird gerne als humorvoll und ungezwungen beschrieben.
Kaum ein Kritiker oder Journalist vergisst dies zu erwähnen.
Doch der Service ist nicht vom Unterhaltungsfach.
Mit profundem Wissen werden die Speisen annonciert und die Gäste aufs Beste umsorgt.
Schnell wird erkannt, was der Gast benötigt und was er an Zuwendung erträgt.
Dies ist das Geheimnis, die eigentliche Leistung von Boris Häbel und seinen Damen und Herren der Servicebrigade. Und damit liegen sie in Deutschland sehr weit vorne.
Loup de Mer / geschmolzener Schweinefuß
Kartoffelcreme, Bohnenextrakt, Basilikum, Petersilie
Der gefräßige Raubfisch ist von außerordentlicher Qualität, perfekt gegart und überzeugt mit klarem Geschmack. Otto lässt den Fisch im Mittelpunkt stehen und kombiniert die Zutaten zur Unterstützung.
Es gesellt sich ein Chip mit Lardo, Zuccini, dünn und cross, auf einer Birkenrinde hinzu.
Ein schöner Einfall.
Grillspieß „Schwager Art“
Bamberger Hörnchen, gefrorener Ziegenquark, 5-Kräuter-Mischung
Hendrik Otto präsentiert seine Kreationen aus Einflüssen der Tradition und der Moderne. Er lässt persönliche Eindrücke einfließen, inspiriert von der Kindheit oder von Rezepten seiner Familie und Freunden. Ein interessanter Ideenpool, dessen Inhalte durch eine professionelle Umsetzung die Hochküche bereichern.
Der Grillspieß „Schwager Art“ verrät den Vater der Idee und die Familie scheint er damit begeistert zu haben.
Den Kick des Gerichtes erhält dieses nicht nur durch die schmackhafte Würze, sondern durch drei Sphären aus Maiscreme, Sauerkraut und Senf und Barbecuesauce (von links).
Vervollständigt wird die Kreation von Bamberger Hörnchen.
Die „Kartoffel des Jahres 2008“ ist rein äußerlich leicht mit der französischen „La Ratte“ zu verwechseln. Ein Hoch auf die Knollenvielfalt.
Mit gefrorenem Ziegenquark unter Kräuterschaum auf Kartoffeln, gelingt Otto der Spagat zwischen bürgerlicher Küche und moderner, kreativer Gestaltung.
Rinderrücken / Borschtsch
Wurzelgemüse, Meerrettich, Buttermilch, Majoran, Dill, Kerbel
Der Rinderrücken hat eine weite Reise hinter sich. Australisches Wagyu-Rind?
Lassen wir es mal so durchgehen. Wagyu bedeutet eigentlich „japanisches Rind“. Also haben wir ein japanisches Rind aus Australien.
Das Fleisch ist von erlesener Qualität. Umami in höchster Vollendung. Besser haben wir es bisher noch nicht erlebt.
Als Zugabe gibt es Ottos Interpretation von Borschtsch und
Spitzkohl, Basmatireis, Sauerrahm und Kräuter nach Omas Rezept.
Gebackener Camembert / Perigord Trüffel
Feldsalat, Johannisbeere, Feige
Ein erfrischender und schmackhafter Käsegang mit Feldsalat als Eis. Ein kreatives und aromatisches Erlebnis, welches im Besonderen durch die Trüffelsauce perfektioniert wird.
Das Menü findet seinen Abschluss mit
Schokoladenluft & Creme
Brombeere, Sanddorn, Hagebutte, Haferflocken, gestockte Büffelsahne, Lavendel
Hendrik Otto selbst vollendet das Gericht am Tisch.
Herrlicher Schokoladengenuss und reichlich Aromen, bei denen Sanddorn- und Brombeernoten nur angedeutet wahrnehmbar sind, bewahren die Qualität des Menüs bis zum Schluss.
Ein Auszug aus der Weinbegleitung:
Champagner Krug (aus der Magnum)
2013, Ihringer Winklerberg, Grauburgunder, Heger, Ihringen
2010, Pinot Noir, Martin Wassmer, Baden
2013, Hergottswinkel, Stigler, Ihringen
Sommelier Shahab Jalali berät überaus sachkundig, professionell und mit einer Hingabe die deutlich macht, das Vergnügen ist nicht nur auf Seiten der Gäste.
Charmant überrascht er mit persönlichen Anekdoten und geht gekonnt auf individuelle Wünsche ein.
FAZIT:
Hendrik Otto hat seit unserem letzten Besuch einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht. Klar, Kreativität und handwerkliches Geschick, eine beachtliche Produktqualität, zeitgemäße Kochtechniken, das muss man nicht ausdrücklich betonen. All dies haben wir vor drei Jahren schon gesehen.
Doch die Ausarbeitung einer eigenen Handschrift, die Hinweise auf seine Stilistik, eine gewisse Unverwechselbarkeit, das wird diesmal überaus deutlich.
Die Hinwendung und Einbeziehung von Erinnerungen aus der Kindheit, alte Rezepte neu entdecken, sich von der Familie inspirieren und beeinflussen zu lassen, das macht seine Kreationen so erfahrbar. Es erleichtert dem Gast den Zugang und erschließt sich dem kulinarischen Anfänger ebenso wie dem erfahrenen und weitgereisten Gourmet.
Hendrik Otto, dem ich beim letzten Besuch bescheinigt habe, dass er sich auf einem guten Weg befindet, jedoch noch längst nicht da ist wo er hin möchte, ist angekommen.
Meiner Meinung nach wird es Zeit, dass bei Michelin und Gault&Millau dies entsprechend gewürdigt wird.
Zum Internetauftritt des Restaurants gelangen Sie mit diesem Link
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