Lorenz Adlon Esszimmer (**)

In der Berliner Dorotheenstadt („Mitte“) befindet sich, mit Blick auf das Brandenburger Tor, das Hotel Adlon Kempinski. 1997 durch den Bundespräsidenten Roman Herzog eröffnet, belebt es den Mythos des erstmals 1907 eröffneten Hauses des Mainzers Lorenz (geboren als Laurenz) Adlon.
Weltberühmte Gäste, unter ihnen viele gekrönte Häupter, gingen damals ein und aus. Auch heute ist das Haus wieder etwas Besonderes.
In den letzten Jahren machte auch das eingebettete Gourmetrestaurant von sich reden. Zum Ende des Jahres 2011 wurde durch die Verleihung eines zweiten Michelinsternes an das Restaurant „Lorenz Adlon Esszimmer“, unter der kundigen Leitung des Küchenchefs Hendrik Otto, ein neues Kapitel aufgeschlagen.
Otto, der bereits bei namhaften Köchen gearbeitet hat, zeigt durch akribische Detailarbeit und Kreativität, dass im Zusammenspiel mit gutem Personal, hoher Produktqualität und dem kleinen aber noblen Restaurant, noch so manches möglich ist.

Das Ambiente ist im Grunde so, wie man es in einem Hotel dieser Klasse erwarten kann. Ein offener Kamin und der Blick auf das Brandenburger Tor begleiten den Esser aufs Angenehmste. Eine mächtige Säule in der Mitte des Raumes und ein angedeuteter Himmel wirken auf mich etwas kitschig, können die Wohlfühlatmosphäre jedoch nicht entscheidend hemmen. Interessant ist dabei die Tatsache, dass in dem durchaus kleinen Restaurant so viel Platz zwischen den Tischen ist, dass man sich ungestört unterhalten kann und sogar so etwas wie Privatsphäre aufkommt.

Wir starteten nach einer freundlichen Begrüßung durch den Maître Boris Häbel mit einem Aperitif und kleinen Leckereien.

Garnelencrumble, ausgebackenes Chili, Apfel, Karotte.
Ein Amuse bouche der besonderen Art.
Kross ummantelt mit dezentem Geschmack von Garnelen, zurückhaltend die Schärfe der ausgebackenen Chilischote und angenehm ergänzt durch neutralisierende Apfel- und Karottennoten. Sehr überzeugend, auch wenn die Hackfleischbällchenoptik uns zunächst etwas schmunzeln ließ.

Gänseleber / Pfeffercreme
Im Zentrum des Ganges natürlich die Gänseleber, die mit hervorragender Qualität und auch mengenmäßig durchaus zufriedenstellend auftrumpfte. Die Kaffeenoten überlagerten nicht, sondern ergänzten mit der Pfeffercreme und verbreiterten somit das Aromenspektrum. Ein sehr guter Einfall war der halbgefrorene Gänseleberschaum, der den Gang texturell erweiterte und mit den Mandelspaghetti abrundete.
Die gereichte Brioche, mit Walnuss und Zwetschgen, war eine ausgezeichnete Ergänzung.

Silberlachs / gesalzenes Butterkaramell
Auch der Silberlachs war von bestechender Qualität, geschmacklich von gesalzenem Butterkaramell dominiert und mit Kohlrabi, Bohne und Apfel zu einem Gesamtkunstwerk gesteigert. Zurückhaltend und doch eine wertvolle Ergänzung die Sauerkirschgrütze und die Würze von Liebstöckel.

Kabeljau / Basilikum-Senfsauce
Der nächste Höhepunkt eines insgesamt hervorragenden Menüs war der in Basilikum-Senfsauce präsentierte Kabeljau. Hendrik Otto, so habe ich gelesen, hat ein Faible für Saucen und zeigt es hier auch. Aromenvielfalt auf hohem Niveau, erzielt mit dem Zusammenspiel von geräuchertem Paprika und Lardo, sowie, wie schelmisch beim Einsetzen der Teller verkündet wurde, den besten onion rings von Berlin.

Fläminger Schweinebauch / Fenchel-Gewürzsud
Unter einer krossen und würzigen Schicht verborgen, präsentierte sich der Schweinebauch insgesamt schmackhaft und aromatisch. Jeder Klecks, jeder Tupfer auf diesem Teller hat am Ende seine Berechtigung und ist unverzichtbar. Tomaten-Sardelle,
Aubergine und Olive, all dies findet sich hier in bester Verarbeitung um ein Geschmacksbild zu erzeugen, welches in Erinnerung bleibt.

Taube /Rosmarin-Knoblauchsauce
Die mit zart-krosser Haut versehene Taube, perfekt gegart, koalierte mit einer Rosmarin-Knoblauchsauce. Mais, Zitrone und Petersilie, texturell unterschiedlich präsentiert, vervollständigten diesen Gang. Der Himbeermarschmallow glänzte lediglich durch die ansprechende optische Ausgestaltung.

Rehbockrücken / Schmorfond
Der nächste Gang bestand aus zwei Teilen. Auf den Punkt gegarter Rehbockrücken mit allerdings sehr würzigem Schmorfond.
Wie bei einem Aufmarsch wurden die Beilagen trapiert. Die Möhrchen, getragen von Würfeln aus Roter Bete, wurden eindrucksvoll in Stellung gebracht. Hingetupft das Holundergelee. Und doch war nichts davon verzichtbar. Denn erst das Zusammenspiel aller Komponeten zeigte die Qualität des Ganzen auf und schaffte einen milden Ausgleich.

Rehbolognese und Knöpfle
Während ich den Rehbockrücken bereits als sehr würzig empfunden hatte, steigerte sich dieser Eindruck mit der Rehbolognese mit Knöpfle. Hier wurde der
1976er Volnay A.C., Domaine Leroy, Burgund gefordert, um zu versöhnen.

„Obatzda“ Camenbert
Die Hauptkomponente ist deshalb in Anführung gesetzt, da es sich hier nicht um die Verwendung alter Käsereste handelt, wie in den 1920er Jahren erfunden. Obwohl auch schon damals Camembert vielfach Verwendung fand. In Bayern hat sich der Obatzte mittlerweile als klassisches Biergartengericht einen Namen gemacht. Aber auch in anderen Landesteilen, beispielsweise in Hessen, gibt es ähnliche Käsezubereitungen.
Hier jedenfalls wurden die Bestandteile nicht vermischt, sondern einzeln dargeboten.
Paprika, Zwiebel, Brezel und Weißbier. Sie werden bei genauem Hinsehen alles finden.

Ein sehr erfrischendes Mangosorbet, begleitet von einer ausgezeichneten, ausgebackenen Praline von Rum und Banane und eine Bananenmousse im Geleering überraschte uns angenehm.

Krokant- und Landmilchmousse
Da hört man doch schon mal, in der Spitzengastronomie gäbe es nur kleine Portionen.
Bei diesem zweigeteilten Dessert wurde wahrlich nicht gegeizt.
Zwetschgen, besonders die Macadamianüsse und Schokoladenkaramell hinterließen einen sehr guten Eindruck.

Das auf einem Eisblock servierte Orangen-Sauerrahmeis war nicht nur geschmacklich ein Genuss, sondern auch optisch hervorragend in Szene gesetzt.

An dieser Stelle betrachtete ich ein wirklich hervorragendes Menü als beendet und überlegte bereits, ob ich noch ein Pralinchen nehmen würde. Doch weit gefehlt.
Die Pâtisserie hatte uns noch nicht entlassen.
Sehen Sie selbst:

Weinbegleitung

2003 Riesling, Wehlener Sonnenuhr, J.J. Prüm, Mosel
2010 Cuvée Madame Rosmarie, Domaine Mathier, Wallis
2009 Sancerre ‘Clos de Beaujeu’, Gérard Boulay (Loire)
2007 Colección 125, Julián Chivite, Navarra
2007 Borgonero, Borgo Scopeto , Toskana
1976 Volnay A.C., Domaine Leroy, Burgund
2008 Cuvée Beerenauslese, Kracher, Neusiedlersee
Likörwein, Weingut Klostermühle, Nahe

FAZIT:

Otto kann Fisch.
Verzeihen Sie mir bitte die Anleihe bei sonst von mir nicht so beliebten Auswüchsen trendiger oder neudeutscher Formulierungen. Aber die Fischgänge ragten aus einem insgesamt beeindruckenden Menü deutlich hervor.
Hendrik Otto, der schon früher seine Klasse bewiesen hat, ist noch lange nicht dort angekommen, wo es ihn anscheinend hinzieht. Es wird interessant sein, die weitere Entwicklung zu beobachten.
Weinbegleitung, Sommelier und der aufmerksame Service unter der Leitung von Maître Boris Häbel sorgten für einen entspannten, genussreichen Abend.
Es gibt nur wenige Restaurants in denen wir uns so gut aufgehoben fühlten.

Zur Internetseite des Restaurants gelangen Sie hier: www.lorenzadlon-esszimmer.de

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Eine Antwort zu “Lorenz Adlon Esszimmer (**)”

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