Über Pierre Gagnaires neuestes Engagement im Le Solistes im Hotel Waldorf Astoria Berlin hatte ich ja bereits berichtet (https://www.bsteinmann-gourmet-unterwegs.de/les-solistes-by-pierre-gagnaire-2). Nun besuchten wir im Hotel Balzac, 6 Rue Balzac, 75008 Paris, das „Stammhaus“ des Gagnaire-Imperiums.
Das Dinner fand genau an jenem Abend statt, an dem die neue Rangliste „“World’s 50 Best Restaurants-Award by S. Pellegrino“ für das Jahr 2013 erschien.
Gagnaire, der im Jahre 2012 noch Platz 17 belegt hatte, fand sich unvermittelt auf Platz 51 wieder. Bitte nicht wundern, aber es werden tatsächlich für das laufende Jahr 100 Adressen aufgelistet. 2008 war das Restaurant immerhin noch auf Platz 3 dieser renommierten Liste. Eine Entwicklung, die für uns an diesem Abend durchaus nachvollziehbar war. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Die Küchenleistung wird den drei Sternen des Guide Michelin noch immer gerecht. Doch die Luft wird dünner. Auch dies wird dieser Bericht aufzeigen.
Wir wurden überaus freundlich empfangen und zu einem sehr schönen Tisch in diesem wunderbaren Restaurant geleitet, das mit einem klassisch, zeitlosen Ambiente aufwartet und auch in seiner Größe beeindruckt. Ein Restaurant in dem man sich einfach wohlfühlen muss.
Bei der Wahl der Speisen waren wir uns schnell einig und entschieden uns für das „Menü Pierre Gagnaire“. Der uns zugeteilte Servicemitarbeiter sprach dagegen die Empfehlung aus, zwei, drei Gänge à la carte auszuwählen, da das Menü als durchaus reichhaltig bezeichnet werden könnte. Aus der Empfehlung wurde rasch eine Aufforderung, deren Intensität, trotz noch immer einigermaßen charmanten Vortrags, leicht an Unverfrorenheit heranreichte.
Eine Vorgehensweise, die an zwei weiteren Tischen zum gewünschten Erfolg führen sollte.
Da wir jedoch unbeeindruckt bei unserer Wahl blieben, dezimierte sich auf wundersame Weise der Küchengrußreigen auf eine kleine Kumquatkugel, hauchdünne Gebäckstangen und ein Würfelchen Rote Bete.
Der erste Gang des Menüs bestand aus einem mit großer Vorfreude erwartetem Pilzgelee mit Foie Gras.
Das Gericht wurde deutlich zu kalt serviert. Beachten Sie bitte, dass das keine Metapher bezüglich des Servicepersonals sein soll. Mein spontaner Eindruck war, dass diese Speise einfach zu lange gekühlt wurde. Was wiederum zum Nachdenken anregte. Jedenfalls konnten sich so keine Aromen entwickeln. Zwangsläufig führte dies zu einer eher geschmacksneutralen Darbietung.
Der blanchierte Spargel aus Mallemort mit Zitrone und Rucola, kleinen Krabbenstückchen und umständlich mit Manni Olivenöl beträufelt, konnte schon eher gefallen.
Eine Sphäre, im Innern mit Thaipampelmuse versehen, fügte Säurenoten bei. Die vorgegebene Handlungsanweisung besagte, dass die Sphäre anzustechen sei und der Inhalt sich über die restlichen Komponenten ergießen sollte. Zu diesem Zeitpunkt nahmen wir die leichte Steigerung erfreut zur Kenntnis, auch wenn noch immer bezweifelt werden konnte, ob die weite Reise sich hierfür gelohnt hat.
Die gustatorische Hinwendung zum Besseren an diesem Abend (nicht im Sinne Voltaires), leitete eine Velouté von der Brunnenkresse ein. Mit sehr guten Austern, Pata Negra und etwas Schellfisch gelang eine würzige und aromatische Darbietung, die allmählich unseren Erwartungen näher kam.
Es folgte ein pochierter Kabeljau.
Damit die Haut eine leicht krosse Note erhielt, wurde der Fisch noch zwei Minuten gegrillt und mit nahezu perfekter Garung präsentiert. Serviert wurde auf Weinblättern mit etwas Algenmajonaisse, Butter und kleinen, wunderbar würzigen Speckwürfeln.
Zarte Röstaromen und ein leichter Hauch salziger Noten vervollständigten den Gang.
Endlich ein stimmiges Wechselspiel konkurrierender Geschmackseindrücke.
Puristisch kam die Rotbarbe auf den Teller.
Mit sehr krosser Haut und auf Mangold angerichtet, ist diese Geschichte auch fast schon erzählt. Das runzelige Gänsefußgewächs, welches Rote Bete und Zuckerrüben zu seinen Artgenossen zählt, konnte diesen Gang jedoch nicht über den Status eines kulinarisches Leichtgewichtes hinausheben.
Es hat sich bewährt, dass ich bei all den Restaurantbesuchen die dargebotenen Speisen zunächst isoliert betrachte und keine Vergleiche mit anderen Restaurants anstelle. Doch sei es erlaubt davon einmal abzuweichen. Gerne erinnere ich mich an eine bretonische Rotbarbe in der Schwarzwaldstube, die ich im September 2011 genießen durfte. Das war ein Erlebnis.
Vor dem Hauptgang erreichte uns eine Büffelmozzarella, als Eis serviert, begleitet von weißem Champagner und weißem Martini. Dieser, aus cremiger und besonders weißer Milch von Büffelkühen stammde Mozzarella ist für sich genommen nicht besonders eindrucksvoll. Doch mit weißem, altem Balsamico, Schnittlauch, Paprika und einer grünen Spinatnudel als Blickfang, konnte letztlich ein stimmiges Geschmackserrlebnis bescheinigt werden.
Das Lamm mit Aubergine, angegossen mit einer Jus aus 50 (!) indischen Gewürzen, war ein etwas komplexeres Gericht.
Ein Auberginenmousse, geschmolzener Roquefort, wunderbares Kalbsbries, Estragon und Knoblauch, konnten nicht nur meine Erwartungen erfüllen, sondern liessen auch erahnen, dass die Küche durchaus zu mehr als dem bisher Gezeigten fähig sein kann.
Das süße Finale wurde mit etwas Feingebäck eingeläutet.
Das mit Spannung erwartete „Grand Dessert“ war weder von der Menge, noch geschmacklich groß.
Es gab wilde Erdbeeren, sehr schmackhaft und eine Kumquatsphäre.
Schließlich folgten
ein Miniobstsalat mit Pistazieneis
und ein kleiner Schokokuchen.
FAZIT:
Natürlich betritt man solch ein Restaurant mit enormen Erwartungen. Doch auf hohem Niveau Langeweile zu verbreiten, wird dem anspruchsvollen Gast am Ende nicht gerecht.
Es wird mit Sicherheit auch einem so großartigen und erfolgreichen Pierre Gagnaire nicht gerecht. Die großen Erfolge der Vergangenheit, der gute Ruf, den man sich erarbeitet und erkocht hat, kann man nicht mit der Verwaltung des Erreichten in die Zukunft führen. Dies kann auf Dauer nicht die Lösung sein.
Man darf die ausgetretenen Pfade, gerne einmal verlassen und etwas mehr riskieren, die Anforderungen auch an den Gast erhöhen. Ich verstehe schon, dass in Abwesenheit des Chefs die Sicherheit eher in der Routine gesucht wird.
Doch soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass so mancher Gast das Restaurant mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht verlassen hat. So bleibt die Hoffnung, dass wir bei einer eventuellen Wiederholung in Paris auch zu diesen Menschen gehören könnten.
Zur Homepage von Pierre Gagnaire gelangen Sie hier: http://www.pierre-gagnaire.com
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