Wir sind noch mal schnell nach Limburg gefahren.
Kürzlich besuchten wir Alexander Hohlwein in seinem Restaurant 360 Grad, waren voll des Lobes und nahmen uns vor, die gewonnenen Eindrücke einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Das war aber nicht der einzige Grund für unser Kommen. Tatsächlich wollten wir der brutalen Berliner Küchenregionalität entfliehen und uns dem Kombinationsmix weitaus weltoffenerer Kreativer stellen.
Die sensorisch differenzierten und mit handwerklichem Geschick gestalteten Gerichte Alexander Hohlweins sollten uns für die weite Anreise mehr als entschädigen.
Der Empfang war gewohnt freundlich, fast familiär.
Rebekka Weickert findet nicht nur zu jedem Gericht den passenden Wein, sondern auch die jeweils passende Ansprache zum Gast.
Bei der Beschreibung der Speisen möchte ich mich auf eine kleine Auswahl beschränken.
Bevor wir uns auf die kulinarische „Weltreise“ begaben, grüßte die Küche mit bereits bekannten Kreationen.
Tom Ka Gai
Suppenshot, Fjord Shrimp, Kokos, Ingwer
Rindertatar
Miso, Karotte
Bun
Entenkeule, süss sauer
Nabemono
Krustentier-Sud, Garnele, Hummer Dim Sum, Chawanmushi
Die Weltreise:
Makrele-Tatar, geflämmt
Tomaten-Brot-Salat, Hüttenkäse, Anchovis, Rauke
Nerven, Herz, Hormone, Gesundheit der Gefäße und Augen sind allesamt abhängig von einer ausreichenden Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren. Dafür eignet sich eine Makrele in besonderem Maße.
Alexander Hohlwein geht es bei diesem Gericht allerdings eher um den Aromengehalt des Fischleins, der durch die gewählten Begleiter gekonnt unterstützt wird. Würzig und saftig dominierte der Schwarmfisch das Gericht.
Die Küche fügt mit einem kleinen Tomateneis noch eine weitere Komponente hinzu.
Eigentlich eine Petitesse. Geschmacklich jedoch eine ausgezeichnete Ergänzung.
Jakobsmuschel und Kalbszunge
Rinderbouillon, geschäumt, Kohlrabi, Meerrettich, Liebstöckel
Die zarte und leicht verdauliche Kalbszunge wird den Innereien zugerechnet. Die Kombination mit der Jakobsmuschel ist aromatisch ein Volltreffer.
Überaus gelungen fanden wir die geschäumte Rinderbouillon.
Weisser Heilbutt,
lackiert, grünes Curry, Auster, gestockt, Salzzitrone
Aus der Familie der Schollen kommt der Weisse Heilbutt. Für die norwegischen Steinzeitmenschen war der Raubfisch ein heiliger Fisch.
Die Delikatesse aus den kalten und tiefen Wassern der Nordmeere hat festes Fleisch und überzeugt mit einem milden Geschmack.
Die gestockte Auster erweist sich als besonders schmackhafte Beigabe, während die Salzzitrone opponiert, trotz des mäßigen Säuregehaltes.
Ein prima abgestimmtes Gericht.
Lammhaxe „Bosporus“
geschmort, Rotkohl, Aubergine, Joghurt-Sauce
Iberisches Schwein – Rücken und Nacken
Barbecue Jus, Jalapeno, Guacamole, Salsa Verde
Erdbeere und Gurke
mariniert und geeist, Hendrick´s Gin, Basilikum
„Forget me not“ – Schokolade und roter Wermut
Manjari Schokolade, Kalamata Olive, Schwarze Johannisbeere, Holunder
Ich hatte das große Vergnügen, ein Schlückchen Wermut, den Namensgeber des Gerichtes, probieren zu dürfen.
Der Wermut „Forget me not“ hat seinen Ursprung in zwei Rotweinsorten, Cariñena und Garnacha. Das Ganze wird auf etwa 16% aufgespritet und in Eichenfässern aufbewahrt.
Ein insgesamt eleganter Wermut, der mit der Manjari Schokolade und den weiteren Zutaten ein stimmiges Dessert ergibt.
2017 Weissburgunder Sulzfeld, Weingut Burg Ravensburg
2014 Riesling, Hochheim Hölle, Künstler, Rheingau
2009 Pinot Gris, Spiegelberg, Weingut Heitlinger
2016 Crozes-Hermitage, Les Launes
Chobeo de Peciña, Bodegas Hermanos Peciña, D.O. La Rioja
2017 Chardonnay Spätlese, Bickensohler Steinfelsen, Weingut Bercher, Burkheim
Vermut „Forget me not“ Poblets de Montsant, Catalunya, Spanien
Zusammenfassung:
Trotz des reichlich heißen Sommertages fanden zahlreiche Gäste den Weg in das Restaurant mit dem schönen Blick über Limburg. Meinen Respekt zollte ich einem jungen Paar, das genügend Mut aufbrachte, einen Platz auf der Terasse einzunehmen. Allerdings hatte das zur Folge, dass auch das Serviceteam mehrfach in die Hitze des Sommerabends eintauchen durfte.
Überhaupt waren sehr bodenständige Gäste anwesend.
Keine überspannten Feinschmecker, wie sie in vielen Sternerestaurants anzutreffen sind.
Gäste, die es honorieren, dass es ein gebürtiger Limburger in seiner Heimatstadt geschafft hat, in die Riege der besten Köche in Deutschland vorzudringen.
Erfolgsgaranten dieser Entwicklung sind natürlich Hohlweins Kreativität, sorgfältig gewählte Produkte, vor allem aber eine weltoffene Küchenrichtung, die nichts ausschließt oder sich unnötige Selbstbeschränkungen auferlegt.
Natürlich könnte man anmerken, dass eine Fusions- oder Crossoverküche einen stilistischen Mix begünstigt, der zwar deutlich kreative Freiheit demonstriert, ohne jedoch verbindlich geltenden Regeln folgen zu wollen. Gut ist, was gut schmeckt. Aber ist dies nicht das, was Gäste wollen?
Alexander Hohlwein weiß genau, was seine Gäste wollen.
Das weiß auch Rebekka Weickert. Gut gelaunt und mit großer Freude nimmt sie ihre Gäste auf eine gelungene Weinreise mit. Die jungen Servicemitarbeiter sind freundlich und engagiert, allerdings eher zurückhaltend bis schüchtern.
Ein tolles Restaurant, das den weiten Weg von Berlin rechtfertigt.
Probieren Sie es doch einfach mal aus.
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