Restaurant es:senz (***)

Nachdem ich durch das vorab veröffentlichte Interview den Spitzenkoch Edip Sigl aus dem Grassauer Restaurant es:senz hinreichend vorgestellt habe, kann ich ohne große Vorworte direkt zum Menü im Restaurant überleiten.

Vielleicht aber doch noch ein kleiner Hinweis. Der Genuss eines sogenannten Sternemenüs ist jetzt nicht gerade das, was man notwendige Nahrungsaufnahme nennt. Hier steht, wie schon erwähnt, der Genuss im Mittelpunkt. Dabei kommt bei mir manchmal das Gefühl auf, dass sich die Menschen um mich herum kaum noch aus einer zwanghaften Mäßigung befreien können. Das hat natürlich seine Gründe.

Der Gesamtenergieumsatz, der im Leben so täglich ausgeglichen werden muss, ergibt sich auf der Basis des Körpergewichts, des Aktivitätsumfangs und der jeweiligen Stoffwechselbelastungen (metabolische Erfordernisse) und wird von uns grundsätzlich selbstständig und intuitiv befriedigt.

Seitens der Politik scheint man uns in dieser Angelegenheit wohl nicht ganz zu vertrauen und denkt derzeit über „transformationsorientierte“ Mahlzeiten nach. 

„Mit der Ernährungsstrategie will die Bundesregierung erreichen, dass es allen Verbraucherinnen und Verbrauchern so einfach wie möglich wird, sich gut zu ernähren. Dabei ergeben sich Synergien zum Umwelt- und Klimaschutz sowie zum Tierschutz.“ Ein Zitat aus der Ernährungsstrategie der Bundesregierung ( https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/ernaehrungsstrategie-kabinett.pdf?__blob=publicationFile&v=7)

Nun aber schnell zurück zum Genuss, schließlich geht es nicht nur um die Befriedigung physischer Grundbedürfnisse.

Der Empfang im Restaurant war freundlich und rasch nahmen wir unsere Plätze ein. Wir wählten das Menü „Chiemgau goes around the world“ und schon startete das Vergnügen.

(Fotos zum Vergrößern bitte anklicken).

Apero:

Die Wolke Essig – Wurzelspeck – Brotkrumen

Mon Cherie Entenleber – Herbst Trüffel – Kirsche

Räucheraal Tartelette – Zwiebel – Meerrettich

Macaron Kalbstatar – Apfel – N25 Kaviar

Brot und Brioche

geschlagene Alpensalzbutter – Chiemgauer Kräutergarten

Tomate

Meerfenchel – hausgemachter Frischkäse – Chardonnay Essig

Die Amelatomate aus Granada schmeckte sehr intensiv, war überaus köstlich. Insgesamt war der Start mit den zahlreichen Miniaturen sehr gelungen, wobei die einzelnen Produkte gut schmeckbar waren. 

Alles begann mit einer Wolke aus Schaum, Essig und Wurzelspeck auf einem Grissini, optisch an Zuckerwatte erinnernd. 

Der entspannte Einstieg ist bereits ein Hinweis auf den Charakter des Restaurants, welches den Geschmack im Allgemeinen und, was wir später noch deutlich sehen werden, den Geschmack einzelner Produkte im Besonderen, in den Mittelpunkt stellt. Der geneigte Foodie muss nicht erst mühsam Begriffe googeln um zu verstehen, was er auf dem Teller hat. Entspannt genießen, welch eine Wohltat.

Amuse Bouche

Renke

Pernodgelee – Fenchel – Hanfsamen

Der Fenchel unterstreicht den frischen Gesamteindruck.

N25 Kaviar

Erbse – grüne Mandel – Hühnerhaut

und eine angegossene Beurre blanc.

 

Chiemgau goes around the world

Nun begann das eigentliche Menü, ergänzt mit dem Kalbsbries aus dem Menü Chiemgau Pur.

Balfego Thunfisch

Aubergine – N25 Kaviar – hausgemachte Ponzu – Lauchöl

Die Familie Balfego lebt seit nunmehr fünf Generationen vom Thunfischfang. Auch für die Thunfischzucht ist ein nachhaltiger Umgang mit der Natur oberstes Gebot. Die Fische sind von besonderer Qualität und Frische. 

Für das vorliegende Gericht wurden Teile des Bauch- und Mittelstücks verwendet. Als Begleiter kommt der in der Spitzenküche so beliebte Kaviar aus der chinesisch-tibetanischen Grenzregion zum tragen, der ja bereits bei den Amuse Bouches zum Einsatz kam. Die Ponzuvinaigrette sollte ebenfalls Erwähnung finden. 

Langostino

Erbse – Spargel – Lardo – Krustentierbisque

Zitronenthymian, erfrischend der Geschmack.

Rotbarbe

Spinat – Kafirlimette – Orange

Zart und perfekt gegart. Intensive Frucht- und Säurenoten koalierten mit den deutlichen Bitternoten des Spinats.

Kalbsbries

Kopfsalat – Speck – Pfeffer – Sonnenblumenkerne

Gegrillt und heiß serviert mit guter Würze, aufgepeppt mit geschmacklich erstklassigem Salat.

 

Erfrischendes:

Champagnergranité mit Szechuankresse

Das mit Laurent-Perrier aufgegossene Granité  war überaus erfrischend und gefällig.

Serviert wurde ein kleines Stück der Szechuankresse aus Südamerika, wahrscheinlich ein Teil der Blüte. Der Effekt ist ein kleiner elektrischer Schock auf der Zunge welches ein bitzeln oder prickeln mit leichter Taubheit im Mund zur Folge hat. All dies verschwindet wieder beim Genuss des Champagnergranités. 

Im Restaurant fand das reichlich Anklang, während ich den kleinen Ausflug ins Showbizz, milde betrachtend, für verzichtbar halte.

Mieral Wachtel an der Karkasse

Morchel – Sherry – wilder Brokkoli

Vom kleinen Hühnervogel wurde die Brust und auf einem separaten Tellerchen die lackierte Keule serviert. Rahmmorcheln vollendeten ein vollmundiges Gericht.

Hier bietet es sich auch einmal an, die handwerkliche Qualität der Küche zu betonen und nicht nur das perfekte Geschmackserlebnis.

 

Fourme d´Ambert

Rhabarber – Senffrüchte – Amarettini

Angeschnittene grüne Mandeln sorgten für den Biss der harmonischen Kreation.

Safraneis

fermentierte Hagebutte – Kernöl

Weiße Schokolade

Pfirsich – Pistazie – Himbeere

Serviert auf dem „Kampenwandteller“

Die Desserts passen sich dem Niveau des vorangegangenen Menüs an. 

 

Petit Four

hausgemachte Pralinen – Erdbeertarte – Birne – Nusseichel – Basil smash on the Rocks – Toffifee

 

Wein und Service:

Das Wissen um gute Weinempfehlungen von Iiro Lutter haben wir diesmal keiner Prüfung unterzogen. Vielmehr haben wir aus der umfangreichen Weinkarte selbst eine Flasche ausgesucht. Zur Wachtel allerdings hat der Sommelier ein Glas 2020er Gevrey-Chambertin von Jane Eyre empfohlen. 

Eine gute Empfehlung? Ich sag’s mal so. Zu Hause angekommen habe ich gleich einige Flaschen geordert.

Der junge Service ist erfrischend unkompliziert, sachlich, professionell, natürlich freundlich. Alles funktioniert so wie es sein muss, ohne dass Restaurantleiter Simon Adam erkennbar eingreifen müsste. 

 

FAZIT:

Ein Menü mit acht Gängen, dazu ein weiterer Gang aus einem anderen Menü, vieles davor und einiges danach, ist eine Herausforderung für den Gast. Schon oft habe ich nach dem Hauptgang kapituliert und vollgestopft eine unruhige Nacht verbracht.

Nicht so bei Edip Sigl. In der es:senz sind, meiner Meinung nach, die mit manchen Menüs verbundenen Probleme gelöst. Der zeitliche Ablauf, der Rhythmus der Abfolge, die servierten Mengen, all dies ist ausgewogen und durchdacht.

Die im Menü typische Spannungskurve war gleichmäßig, was der Tatsache geschuldet war, dass ein sehr hohes Niveau bereits bei Beginn des Menüs festzustellen war und sich wie ein roter Faden durch dasselbe zog. Lehnte ich mich gerade nach dem Genuss des Thunfischgerichtes zufrieden zurück, begeisterte mich kurze Zeit später der Langostino. War die Wachtel der Höhepunkt des Menüs? Möglich. Die Produkte sind jedenfalls perfekt kombiniert und zeigen den konsequenten und präsentablen Stil von Edip Sigl.

Die Gerichte sind kreativ und anspruchsvoll gestaltet, aromatisch austariert und harmonisch abgeschmeckt. Sie wurden entwickelt für Gäste die Spass am Essen haben, die sich auf Sigls Verständnis von weltoffener Küche und regionalen Qualitätsprodukten einlassen. 

Hinzu kommt das Ambiente und die Gemütlichkeit als entscheidender Wohlfühlfaktor für die Beantwortung der Frage nach einer Wiederholung des Besuches. Von uns wurde dies bereits positiv beantwortet.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Hiermit akzeptiere ich die Datenschutzbedingungen