Restaurant Juwel (*)

Nach dem Großen Guide erschien kürzlich auch der neue Guide Michelin und sorgte, man möchte fast sagen, wie üblich, für helle Aufregung. Joachim Wissler und dem Restaurant Vendôme wurde der dritte Stern gemopst. Sowas kommt schon mal vor. Siehe Jean-Claude Bourgueil 2006, Heinz Winkler 1996 und 2009 oder Klaus Erfort 2021, um nur einige Beispiele zu nennen.

Das Restaurant Juwel im Hotel „Bei Schumann“ jedenfalls, darf sich über den erneut bestätigten Stern freuen. 

Über das Hotel habe ich ja bereits berichtet. Schirgiswalde-Kirschau ist für einen Berliner natürlich tiefste Provinz. Dennoch finden sich die üblichen Verdächtigen der Gourmetszene dort ein. Auch an diesem Abend traf ich am Nachbartisch auf einen geschätzten Kollegen.

Robert Hauptvogel hat also seinen Stern verteidigen können. Der sogenannte Ein-Sterne-Bereich der deutschen Gastronomie ist ein seltsam Ding. Man findet derzeit 327 Restaurants in Deutschland mit einer solchen Auszeichnung. Die Bandbreite reicht meiner Einschätzung nach von genial bis ach herrje. Während sich also derzeit alle über Joachim Wisslers verlorenen Stern auslassen, wäre es ergiebiger sich die Sterneeinsteigergruppe deutlicher anzuschauen. Gewiss, das Urteil fällen die Inspektoren des Michelin, den Erfolg garantieren dagegen die zufriedenen Gäste und für die Transparenz sorgen Schreiberlinge wie ich.

Der Empfang im Restaurant war freundlich, ja fast herzlich zu nennen. Das Ambiente ist modern und edel gestaltet. Mit echten Amethysten auf den Tischen und überaus bequemen Stühlen. 

(Fotos zum Vergrößern bitte anklicken)

Asiatische Suppe

Hühnerbrühe mit Lauch, Sesam und Glasnudeln

Im Amuse-Gueule dominierten sehr scharfe Chilinoten. Unterschiedliche Geschmacksrichtungen oder gar ein Eigengeschmack der verschiedenen Bestandteile waren unterlegen.

Ein italienisches Sprichwort sagt: „Das Zuviel ist für die einen, was das Zuwenig für die anderen.“ Daher war ich gewillt, den Küchengruß ohne weitere Kritik hinzunehmen.

Schumann´s Wintergarten

Blumenkohl, Topinambur (Knolle und Chip), Hagebutte, Blumenkohlröschen

Der überaus aufwändig gestaltete Gang war zwar intensiv kohllastig, im Geschmack insgesamt jedoch eher zurückhaltend. Auch wenn es mich drängt dem texturellen Erlebnis den Vorzug vor der Geschmackswelt zu bescheinigen, war die Harmonie des Gerichts dennoch leicht zu erkennen. 

Grundsätzlich verharrte die Zusammenstellung des „Wintergartens“ nicht in Oberflächlichkeit sondern tauchte tief in die Dimension des Themas ein. Dieser Gang war nicht einfach wegzuschlemmen, man musste sich ihm schon bewusst nähern. 

Lachs / Gurke / Alge / Austernpilz / Royal Premium Kaviar

Kombualgensud, Norialgen, Gurkenessigbaiser

Mit dem lauwarm gestalteten Gang hat die Küche einen echten Volltreffer gelandet. Robert Hauptvogel scheint Aufwand in der Küche zu lieben. Mit viel kreativer Finesse begeistert er uns mit zeitgenössischer Kulinarik.

Schwarzwurzel / Cranberry / Piemonter Haselnuss

Lassen Sie mich sofort zum Punkt kommen. Das beste Schwarzwurzelgericht meines Lebens. Ich darf Ihnen versichern, dass ich das Produkt als Kind regelrecht verabscheut habe. Nun, auch ein alter weißer Mann kann noch neue Erfahrungen machen.

Die Schaumsuppe war köstlich. Schwarzwurzel-

Chip und -Püree, getrocknete Cranberrys und Champagneressig sind noch zu erwähnen. Sehr gute Fruchtnoten rundeten das Ganze ab. 

Skrei / Kerbelwurzel / Quitte / Sonnenblumenkerne / Safran

Wenn man ein Bestandteil des Menüs besonders hervorheben müsste, dann ist es dieses. Ein wunderbar ausgewogenes Aromenbild. Man kann es kaum beschreiben, man muss es genießen.

Reh „Guido Richard“ / Rotkohl / Birne / Ingwer / Kakaobohne

Die Birne war glasiert, der Rotkohl blanchiert, das Fleisch Sous-vide gegart.

Der Einsatz von Kakaobohnen entsprach zwar nicht meinen Vorlieben, erfreute sich jedoch bei den übrigen Gästen großer Beliebtheit.

BEA´s Müsli

Quark / Orange / Kiwi / Cerealien

Ein schmackhafter Abschluss auch wenn ich Müsli mit Frühstück assoziiere.

Wein und Service:

Wolkenberg Festtag, Sekt, Weißburgunder Brut, 

2011 Ca´ Di Frarar, Pinot Grigio, Lombardei

Ried Rabenstein, Grüner Veltliner, Weinviertel DAC Reserve 2017

2019 Herzstück Grauburgunder, Pillnitzer Königlicher Weinberg

2019 Hey Riesling Steinmeister GG, Weingut Hey, Saale-Unstrut

2016 Martinenga, Barbaresco, Nebbiolo, Piemont

Patrick Grunewald steht ausgezeichneten Servicemitarbeitern vor, die ohne erkennbare Anleitung selbstständig und freundlich durch den Abend begleiteten.

Er selbst offerierte uns eine Weinbegleitung die grandios zu den Speisen passte. Für den klugen Einbau regionaler Weine gab es natürlich sachliche Gründe, augenzwinkernd gepaart mit lokalpatriotischen Erwägungen. Passend und bereichernd.

FAZIT:

Bei Robert Hauptvogel fällt mir zunächst das Attribut ernsthaft ein. Diese Ernsthaftigkeit sieht man deutlich auf seinen Tellern. Die Gerichte sind kreativ konzipiert ohne verkrampft zu wirken, die Kompositionen funktionieren. Basis des Ganzen ist eine hohe Produktqualität, für ein Sternerestaurant allerdings auch eine Selbstverständlichkeit. 

Das Fehlen überflüssiger und effektheischender Details empfand ich als überaus wohltuend.

Die Stilistik der Küche wird sehr viele Gäste ansprechen. Gäste, die sich mit den Gerichten auseinandersetzen ebenso wie diejenigen, denen es reicht einfach „lecker“ zu essen.

Hauptvogel lässt das Produkt für sich sprechen. Er ist hochtalentiert und handwerklich sehr gut aufgestellt. Der eine Stern wird auf Dauer nicht das Ziel sein.

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