Restaurant Pic (***)

Die Geschichte der Gastronomenfamilie Pic ist nun130 Jahre alt. Das erste Familienrestaurant wurde 1889 in den Hügeln von Saint-Péray in der Ardèche unter dem Namen Pine Lodge gegründet. Seitdem ist die Geschichte des Pic-Hauses durch 3 Generationen eng mit der französischen Gastronomie verbunden.

Es war zunächst Madame Sophie, die ihr Know-how an ihre Kinder weitergegeben hat. Sohn André absolvierte eine Lehre in verschiedenen Häusern, bevor er 1929 die Auberge du Pin übernahm. Er erhielt 1934 erstmals drei Michelinsterne. 

Mit dem Wachstum der Automobilindustrie zog er mit dem Restaurant 1936 nach Valence am Rande der berühmten Nationalstraße 7. Er wurde einer der drei großen französischen Köche seiner Zeit. 

Sohn Jacques, dem die Arbeitsbelastung seines Vaters im Familienrestaurant  nicht gefallen hat, stieg zunächst in die Automobilbranche ein. André fand keinen Nachfolger und übernahm schließlich 1956 das Restaurant alleine. Die Sterne gingen nach dem Krieg verloren. Jacques Pic kehrte zurück in die Gastronomie und konnte die Sterne erneut erringen. 

Anne-Sophie Pic sah ihre Zukunft nicht in der Küche und entschied sich für eine Business School. Sie übernahm allerdings das Restaurant 1997 und wird seit 2007 mit 3 Michelin-Sternen ausgezeichnet. Anne-Sophie Pic setzte damit die Linie der Familienoberhäupter fort, moderne Küche anzubieten. Die Assoziationen von Aromen, die Kraft des Geschmacks und die Zartheit des Ausdrucks charakterisieren ihre Kreationen. Grandios sind noch immer ihre Banon-Berlingots oder White Millefeuille.

Mit ihrem Ehemann David Sinapian entwickelte sie die PIC Group mit der Gründung einer Kochschule (2008), dem Restaurant Anne-Sophie Pic im Beau-Rivage Palace in Lausanne (2009) (s. auch https://www.bsteinmann-gourmet-unterwegs.de/anne-sophie-pic-au-beau-rivage-palace/ – 2 Sterne), der ÉPICerie (2010), die Dame de Pic in Paris (1 Stern), das Daily Pic, das Restaurant André (2016), La Dame de Pic in London (2 Sterne).

Das Restaurant ist luxuriös und sehr groß. Die Tische bieten ein großzügiges Platzangebot. Sehr angenehm. 

Auf Wunsch bekommt man eine Menükarte mit Anne-Sophie Pic´s (der Einfachheit halber nenne ich sie ab jetzt nur ASP) ausführlichen Erklärungen zu den Gerichten. Das erleichtert die Nacharbeit am PC ungemein.

Wir entschieden uns für unterschiedliche Menüs, die ich hier allerdings zusammenfasse.

Daurenki Imperial Kaviar und Sake Rahmreis mit Kabosu Zitrusfrüchten und Rose.

Ein sehr feudales Gericht.

Topfkrabben gewürzt mit Buchweizenöl, Gartenblumen, Geranien Rosat und Estragoneis

In der französischen Küche werden Krabben traditionell mit Mayonnaise serviert. In diesem speziellen Fall wollte ASP die Krabbe jedoch mit einem gerösteten Buchweizenöl würzen, das an den Geschmack der Krabben erinnert. Beim Verzehr dieser Krabbe hebt die zarte Würze den großartigen Geschmack der Krabbe hervor.

Tomatengemüse

Natürlich schmeckende Aromen von Tomaten, Eisconsommé mit Holunderblüten und Safran, Eis mit Öl von überreifen Oliven und Minze mit schwarzen Johannisbeeren ergeben ein insgesamt großartiges Aromenbild.

Berlingots gefüllt mit sanft geräuchertem Banon, einem kleinen französischen Rohmilchweichkäse aus Ziegenmilch, Brunnenkresse-Brühe mit Ingwer und Bergamotte.

Diese Berlingots sind sehr symbolisch für die Küche von ASP. Hier wurde eine Pasta mit einzigartigem Geschmack, Farbe und Form kreiert, die an italienische Ravioli erinnert, eine Pasta, die aus Comté, Milchquark und Petersilie hergestellt wird.

Die Inspiration für diese Berlingots waren zunächst die gekochten Süßigkeiten mit dem gleichen Namen, die sie als Kind liebte und die Idee eine Pasta mit Macha-Grüntee zu vermählen.

Mit Kleehonig marinierte Langustine, Salbei, Fenchelblüten, Eisenkraut und Steinampfer, feine grüne Bohnen und Butterbohnen.

Dieses Gericht ist in gewisser Weise eine Kreuzung zweier Wege, die ASP in ihrer Küche erforscht. Der erste betrifft das Aromatisieren. Man versucht Aromen von Inhaltsstoffen einzufangen und einen Austausch zwischen ihnen herzustellen.

In diesem Falle geht es um den Gedanken Honig als Vehikel zu verwenden, um die Aromen des Gerichts zu verbreitern, indem er in eine Marinade gegeben wird, in der sich Steinampfer, Salbei, Eisenkraut und Fenchelblüte vermischen.

Das Gericht ist eine echte Ode an den Sommer, mit einer Geschmeidigkeit und Frische, die fasziniert. Daher war es nur natürlich, dass einige grüne Bohnen und Butterbohnen, diese symbolischen saisonalen Hülsenfrüchte, hinzufügt wurden.

Blauer Hummer, über Kohlen gekocht, Dashi mit Beeren, Himbeer-Berberitzen-Chutney, gelbe Rüben.

Das Gericht besteht aus Hummer, der auf einem Bett aus frischen Beeren und Rüben serviert wird, begleitet von Chutney und Berrie Dashi. Der Rauch der Dashi und die sauren Noten der Beeren werden durch die Säure der Berberitze verstärkt. Es ist eine geniale Kombination aus Bitter-,  Rauch- und Säurenoten.

Rotbarbe, Pilz Dashi, Abalone aus der Bretagne, Sumach und Meyer-Zitrone, Raucharoma.

Dieses Gericht zeigt einen besonderen Charakter, was wohl an der Verwendung von Seetang liegt. Es hat einen Hauch von Umami und insgesamt eine schöne Gourmet-Note.

Aveyron Lamm Land und Meer

Lammrücken marmoriert mit Kirsch- und Feigenblättern, Kombu-Algen. Aubergine mit schwarzem Knoblauch und frischen Sardellen.

Das letzte Lammgericht, das Anne-Sophie Pic kreierte, war sehr charakteristisch für ihre Arbeit. Sie kombinierte das Lamm mit Tannenknospen, Minze, Artischocke und Amaretto. Es brauchte etwas Zeit, um davon abzuweichen, was bereits zu einem signature dish geworden war. Von Zeit zu Zeit wird es allerdings neu erfunden.

Im Restaurant wird sehr gerne mit Fleisch gearbeitet, das eine aromatische Kraft entwickelt, zusammen mit einer feinen und zarten Textur. Aveyron Lamm gehört zu dieser Kategorie. 

Die Zubereitung eines Gerichtes, ist sehr oft mit einem Dilemma verbunden.

Man findet eine Fülle von Geschmacksrichtungen und Auswahlmöglichkeiten vor und hat bereits mit sehr vielen Kombinationen experimentiert.

Hier entschied man sich letztlich für ein Lamm im mediterranen Stil, aber nach einigen Versuchen kehrte man schließlich zu einem Mandelgeschmack zurück, der so gut zu Lamm passt. Die Arbeit mit Feigenblättern schien eine naheliegende Wahl für diese neue Geschmackskombination zu sein.

Der Weg, den die Küche in diesem Falle eingeschlagen hatte war sowohl subtil als auch auffällig. Eingehüllt in wilde Kirsch- und Feigenblätter und Kombu-Seetang bekam das Lamm einen wunderschönen Bittermandelgeschmack.

Duroc Schweinerippchen

Alfalfa Honigmarinade, Rote Beete, Berberitze und schwarze Johannisbeere.

Das Gericht entstand aus einem Wunsch von ASP und einer persönlichen Begegnung. Der Wunsch war, wieder einmal ein Gericht mit Schweinekotelett zu kreieren. Die entscheidende Begegnung war die mit Grégorie Delassus, einem Biobauer aus Nordfrankreich. Er züchtet seit mehr als 15 Jahren Schweine nach ethischen Grundsätzen in einem Umfeld mit Hochlandkühen und -schafen, die alle auf natürliche Weise und mit größtmöglichem Respekt vor der Natur aufgezogen werden.

Grégorie reift das Fleisch für 80 Tage, was für Schweinefleisch recht selten ist. Dieser Prozess fördert, dass sich die Aromen konzentrieren und das Fett diffundiert, was zu einer überragenden Zartheit führt.

Weiße Mille-Feuille

Leichte Tahiti-Vanillecreme, feines Jasmingelee, Voatsiperifery-Pfefferemulsion

Fast jeder kennt diesen französischen Kuchen aus geschichtetem Blätterteig mit unterschiedlichen Füllungen. ASP wollte dieses Symbol des französischen Gebäcks noch einmal aufgreifen und ihm eine starke ästhetische Neuinterpretation verleihen. Ihr Ziel war es, ein weißes Dessert mit minimalistischem Charakter zu kreieren, das auf den ersten Blick nichts preisgibt, aber die Fantasie beflügelt.

Tatsächlich spielt das Aussehen eine entscheidende Rolle für die Vorfreude auf den Geschmack eines Gerichts. Hier schafft der monokromatische Aspekt Neutralität, ruft nichts anderes hervor als makelloses Weiß und lädt den Gast dazu ein, eine Gabel in die Hand zu nehmen.

Die Knusprigkeit der Schichten, die sich durch eine spezielle Backtechnik entwickelt, wird durch die samtige Textur der Vanillecreme ergänzt. 

Der Creme wird Joghurt für einen Hauch von Säure und ein sehr blumiges Jasmingelee hinzugefügt und ein mit Voatsiperifery-Pfeffer angereicherter Milchschaum. Dieser sehr duftende Pfeffer aus Madagaskar hat einen blumigen und zitronigen Geschmack und ist ein Genuss, der das Aroma der Jasminblüte verlängert und betont.

Die Schärfe des Pfeffers spielt hier eine subtile Rolle und schafft Leichtigkeit und Lebendigkeit. Ein feiner Zuckerguss aus Eiweiß, Puderzucker und Zitrone krönt das Mille-Feuille und sorgt für eine knusprige und weiche Note.

Das Dessert bietet luftige, knackige Texturen und subtile, verwöhnende Aromen, die dazu einladen, sie ohne weitere Verzögerung zu erleben.

Service:

Es gibt eine stattliche Anzahl Servicemitarbeiterinnen und Servicemitarbeiter (hier folge ich ausnahmsweise der aufgezwungenen politischen Korrektheit) im Restaurant, die allerdings den Dienst oftmals nachlässig bis interessenlos verrichten. Zwar bleibt kein Glas leer, doch bei den Annocierungen der Speisen scheint eine gewisse Flexibilität erkennbar. Auch sind deutliche Unterschiede bei der Herzlichkeit und Zugewandtheit an den Tischen zu erkennen. Ansonsten ist man korrekt. Nun ja, wir sind nun mal keine Stammgäste.

FAZIT:

Wir erlebten an diesem Abend eine Aromenwelt voller Sensibilität und kreativem Können. In den Chor vieler Kritiker, die eine „feminine“ Küche erkannt haben wollen, stimme ich nicht ein. Das ist mir eindeutig zu oberflächlich.

Anne-Sophie Pic erzählt mit ihren Gerichten eine Geschichte. Diese Geschichten zu kennen, zeigt das ganze Bild des Kreativgenies. Um das Essen zu genießen genügt es allerdings den Geschmack und die raffinierten Aromenbilder auf sich einwirken zu lassen.  

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