Restaurant Tim Raue (**) II

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Das Restaurant Tim Raue in Berlin ist vielen bekannt. Der umtriebige Küchenchef wird oft beschrieben und gewürdigt. Schön, dass ich mir dies alles jetzt ersparen kann.
Restaurant, Ambiente, das umstrittene Kunstwerk mit den Müllsäcken, alles keine Nachricht mehr.

Und dennoch scheint mir eine Veränderung augenscheinlich. Der Service.
Am Ende dieses Berichts gehe ich näher darauf ein.

Der Start gelingt vorzüglich mit einem Rieslingsekt von Dreissigacker aus dem Jahr 2011.

Und schon beginnt die weite Reise durch Raues Aromenwelt.
Der viel zu kleine Tisch (darüber habe ich mich schon früher ausgelassen) wird mit kleinen Köstlichkeiten eingedeckt. Auch darüber wurde schon ausgiebig informiert. Aus Chronistenpflicht beschränke ich mich auf die Aufzählung, nicht ohne die gezeigte Kreativität und den ausgezeichneten Geschmack zu würdigen.

Cashew-Kerne, Thaicurry,

Gelber Rettich, japanischer Senf,

Makrele – Shiso, Reisessig,

drunken prawns, Cognacgelee,

Schweinebauch, Szechuanstyle,

Wachtelei – Lung Chin Tee, Saibling,

Shanghai Gurken,

Kalbssülze – Minze, Koriander.

Die Wahl fällt diesmal nicht auf eines der ausgezeichneten Menüs, à la carte wird ausgewählt.

Kaisergranat

Beide beginnen wir mit Kaisergranat,
Wasabi, Kanton style.

Über den Kaisergranat habe ich schon früher berichtet.
Das Fleisch, geadelt durch einen perfekten Garpunkt, ist fantastisch. Die kantonesische Küche steht für Ausgewogenheit und Vielfalt. So verstehe ich Raues „Kanton style“.

Der „Norwegische Hummer“ ist in Stärke eingelegt, im Wok gebacken und mit Wasabi Mayonnaise mariniert. Der frittierte grüne Reis bringt eine weitere Textur zum Tragen.
Die Schärfe des Wasabi ist raffiniert eingesetzt und lässt schnell nach. Ein schmackhafter Sud von Fischsauce, Mango und Karotte vervollständigt das Gericht.
Die Marshmallows sind nicht notwendig aber auch nicht störend.
Übrigens:
Der grüne Reis kommt ursprünglich aus Vietnam und wird bereits vor der eigentlichen Reisernte gewonnen. Dieser Reis eignet sich besonders gut zum Panieren. Soviel vom Oberlehrer.

Der zweite Gang ist nur für mich, meine Frau setzt hier aus.
Wenigstens darf ich davon ausgehen. Der Service ist schnell mit einem Besteck für Madame zur Hand. „Für eine Kostprobe“.

Wolfsbarsch

Wolfsbarsch.
Perigordtrüffel, thailändischer Wasserspinat.

Wolfsbarsch in Nussbutter gebraten, Wasserspinat mit Fischsauce und Chili sautiert, Piemonteser Haselnüsse, eingemachte rote Trauben, Steinpilzcreme, Nussbutterschaum.

Um es kurz zu machen: Ich bin beeindruckt. Wir sind beide beeindruckt.
Raues asiatisch inspirierte Küche zeigt sich hier in nahezu perfekter Ausgestaltung. Ein breit angelegtes Aromenbild adelt den mit kleinfaserigem Fleisch auftrumpfenden Fisch.
Ein bisschen erinnert mich die Vielzahl der verwendeten Zutaten an Raues Zeit im Restaurant 44 (ach wie gerne denke ich an diese Zeit zurück). Doch unbestritten, ja offenkundig, ist seine enorme kreative Entwicklung, die gerade bei diesem Gericht nur schwer beschreibbar ist, jedoch für jeden erschmeckbar wird.

 

Peking Ente
Interpretation TR

Sie wissen natürlich, dass es d i e chinesische Küche nicht gibt. Vielmehr handelt es sich dabei um ein Sammelsurium regionaler Gepflogenheiten, Vorlieben und regionaler Produkte. Bei so einem großen Land sicher nicht verwunderlich. Schließlich haben wir in Deutschland, das flächenmäßig bei weitem mit China nicht konkurrieren kann, ebenfalls ausgeprägte regionale Küchenstile.

Zweifelsohne kennen wir aber „typisch“ chinesische Gerichte.
Stellvertretend nenne ich die Frühlingsrolle, ein südchinesisches Gericht, das auch in anderen Ländern Ostasiens Verbreitung gefunden hat. Oder etwa Wan Tan, das ich jetzt einfach einmal der kantonesischen Küche zuschreibe.
Schließlich die Peking-Ente, die ich schon in Beijing, aber auch in einem darauf spezialisierten Restaurant in Shanghai genießen durfte und welche auch in Berlin als durchaus gelungen anzutreffen ist.

Interpretaion TR, so überschreibt Tim Raue seine Kreation.

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Brust, Five-spice-Waffel, Apfel und Lauch, Jus von Entenfüßen.

Die Entenbrust ist von außerordentlicher Qualität und brilliert mit einem tadellosen, unverfälschten Geschmack. Gerade soviel Röstaromen wie notwendig, das Fleisch nicht zuletzt durch den zarten Fettrand äußerst aromatisch.
Als Bett dient eine „Five-spice“-Waffel, deren Würze im Gesamtbild eintaucht, ergänzt, nicht dominiert. Die intensive Jus und eine insgesamt unaufdringliche Schärfe runden das Bild ab.

Terrine

Entenleberterrine und Mousse, Essiggurke, Lauch-Ingwer-Pürre.

Eine cremige Konsistenz und eine einzigartige Geschmacksdichte entzückt und begeistert.
Gekrönt wird die Terrine mit knuspriger, krosser Haut.

Eine neue Note dringt durch die Essiggurke in die grandiose Kreation. Säuerlich, nicht sauer. Das Zusammenspiel aller Komponenten ist ausgewogen. Mousse und Entenleberterrine in beeindruckender Qualität.

Sud

Sud, Herz-Zunge-Magen, Wintermelone und Bambuspilz.

Wie in China üblich, wird die Suppe zum Schluss gereicht.
Verzeihung, die Consommé bzw. der Sud.
Kräftig und aromatisch, produktintensiv.

Vordessert

Das Vordessert (Bild unten) besteht im Wesentlichen aus Rotkraut und Purplecurry, geeist.
Erfrischend und schmackhaft.

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Aprikose
Passionsfrucht, Dulcey Schokolade.

Aprikosensorbet, Passionsfruchtessig,
Creme und Luftschokolade von Valrhona Dulcey,
Wilder Madagaskarpfeffer und Basilikum.

Die „blonde“ Schokolade (getrockneter Schaum) begleitet das mit Säure- und Fruchtnoten, gar mit leichter Schärfe aufwartende Dessert vortrefflich. Ein erfrischender, kreativer Abschluss.

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Wein und Service:

Ein Grauburgunder von Dreissigacker aus dem Jahr 2012 begleitet die Speisen schwungvoll mit angenehmer Reife. Wie gemacht für Raues Aromenküche.
Ein Gläschen Rotwein darf auch nicht fehlen. Gereicht wird ein Côtes du Rhône, Château des Tours.

Zu Beginn des Berichts bin ich bereits auf den Service eingegangen.
An unserem Tisch hat der charmante Pascal kundig, auskunftsfreudig und engagiert agiert. Schnell war der verlorene Boden unseres letzten Besuches zurückerobert.
Dies ist nicht nur auf die gemeinsamen regionalen Wurzeln zurückzuführen.
Insgesamt scheint mir der Service stark verbessert.

FAZIT:

„Raues asiatisch inspirierte Küche ist ein Hochgenuss mit langem Nachhall.
Die Geschmacksbilder sind komplex und ausgereift. Die Kontraste ausgewogen, gelungen und harmonisch“. So das Fazit meines letzten Berichts.

Im Wesentlichen kann ich dies heute mit Freuden wiederholen. Doch auch hier fällt mir etwas Neues auf. Tim Raues uferlose Kreativität ist gereift. Die komplexen Geschmacksbilder scheinen das Stadium des Ausprobierens und Experimentierens hinter sich zu haben. Raues Stil wird deutlicher, klarer, ausgewogener. Kaisergranat und Wolfsbarsch sind deutlich auf Dreisterneniveau. Chapeau!

Kommentare

2 Antworten zu “Restaurant Tim Raue (**) II”

  1. Andree sagt:

    Sehr schön beschrieben, vielen Dank. Das erinnert mich an meine Begeisterung vor einiger Zeit angesichts der Genüsse des Teams von TR. Auch von mir ein Chapeau!

  2. B. Steinmann sagt:

    Es freut mich, dass es Ihnen gefällt.
    Das Restaurant u n d der Bericht.

    Kulinarische Grüße
    B. Steinmann

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