Rutz (***) – Update

Gaststätten und Schankwirtschaften dürfen unter Einhaltung strenger Hygienevorgaben und eingeschränkter Öffnungszeiten öffnen. Für Berlin ist die „Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Berlin (SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung – SARS-CoV-2-EindmaßnV)“ einschlägig. 

Nachdem ich am 5. März 2020 das Berliner Restaurant Rutz (3 Michelinsterne) besucht hatte und meine Frau voll des Lobes war, habe ich natürlich sofort wieder reserviert und zwar für den 6. Juni. Unmittelbar danach haben die politischen Entscheidungsträger dieses Landes die Restaurants geschlossen und das Land teilweise stillgelegt, was der Bekämpfung des Coronavirus dienen sollte. Die Sehnsucht der Bevölkerung nach autoritärer Führung, so ist zu befürchten, hielt Kritik zunächst in Grenzen. Mittlerweile bildet sich Widerstand und die Lockerungsübungen nehmen zu. Ohne weiter auf die Umstände eingehen zu wollen, möchte ich dennoch eine Entwicklung am Rande erwähnen, die Deutschen haben gelernt, wie man sich die Hände wäscht und das gleich mehrmals am Tage.

Am 11. Mai habe ich ein Interview mit dem Sternekoch Thomas Schanz veröffentlicht. Sein Restaurant stand kurz vor der Wiedereröffnung und im Interview wurden die Umstände beleuchtet. Daran anknüpfend war die Reservierung im Restaurant Rutz bestens geeignet, die Coronaauflagen für Restaurants selbst in Augenschein zu nehmen.

Die Vorbereitung für einen solchen Besuch beginnt bereits Wochen vorher. Zunächst muss man sogenannte „Masken“ erwerben, die Mund und Nase bedecken und Schutz vor Durchdringen von Flüssigkeits­spritzern bieten und andere vor Tropfen in der Ausatemluft der tragenden Person schützen. Aus einer südchinesischen Provinz wurde unsere Bestellung bedient.

Ab ins Taxi und rein ins Restaurant.

Beim freundlichen Empfang wird auf einen Desinfektionsmittelspender hingewiesen und rasch werden die Hände desinfiziert.Damit sind die ersten großen Sorgen eingedämmt und die Plätze können eingenommen werden.

Eher casual ausgerichtete Restaurantbesucher kennen die Fingerschale wahrscheinlich nicht. Früher war sie Bestandteil des Tischgedecks, man konnte bequem die Fingerchen waschen ohne aufstehen zu müssen. Heute trifft man häufig auf Erfrischungstücher oder feuchte Handtücher. So auch im Rutz und damit ist der Handhygiene Genüge getan.

Der Mund-Nasenschutz kann nun abgenommen werden und der Spass beginnt.

Mit Waldlauch, Petersilie, Saiblingskaviar und Sud von Gurke und Weizengras schickte die Küche ein erstes Amuse Bouche ins Rennen.

Erfrischend, mit einem Hauch Säure und cremiger Textur sowie einem ausgeprägten Aromenspiel, gelang der Auftakt prächtig.

Quellforelle

Lardo und Bottarga, Blumenkohl

Dorsch und Kombu Alge

Holunderblüte, Walnuss

Quellforelle und Dorsch kannten wir bereits von unserem letzten Besuch. Erneut konnten wir uns von Qualität und Geschmack der Kreationen überzeugen.

Schwertmuschel, grüne Erdbeeren und Weizengras

Die Erdbeeren sind bereits ein Jahr alt und wurden in hausgemachtem Essig eingelegt. Etwas Vogelmiere und Weizengrasöl ergänzten die Kombination.

Garum Ochsenherztomate und grüner Wacholder

Der Fisch-Rinderfond bestand aus 25 % Fisch und 75% Rind. Hinzu kommt etwas Kalbskopf, Erdbeere, angelierte Tomatentupfen, Himbeergel, Oxalisblüten und Wacholderbeerenstaub.

Ein intensives Geschmacksbild.

Königskrabbe und Spargel, Holzkohle, Eigelb

Das Fleisch der Königskrabbe wurde gezupft und mit Spargel, Estragonöl und Hechteiern serviert.

Wie bereits bei meinem letzten Bericht über das Restaurant Rutz praktiziert, verzichte ich auf epische Beschreibungen von Geschmack und Aromenvielfalt. Das ist der Tatsache geschuldet, dass ich bei der Beurteilung von Marco Müllers drittem Stern noch immer in der Lernphase bin. 

Die Erfahrung aus vielen Besuchen von Restaurants mit drei Michelinsternen kann man nicht verdrängen, wenn man Müllers Küche einer Einordnung unterziehen möchte. Es gibt Köche deren Gerichte vor Aufwand gerade so strotzen. Schon vor dem ersten Bissen scheint klar, wohin die Reise geht.

Das ist bei Müller etwas anders. Zwar sind die Gerichte aufwändig konzipiert, doch versteckt sich alles minimalisiert im Detail. Der Aha-Effekt setzt also nicht schon bei der Betrachtung ein, sondern erst beim Verzehr.

Das ist eindeutig die bessere Variante.

Salzwiesenlamm, Dashi, Bärlauchstiel

Zuerst gibt es vortreffliches Lammfilet als Tatar.

Insgesamt war das Husumer Salzwiesenlamm ausgezeichnet. Der Garpunkt war, nach meinem persönlichen Geschmack, perfekt getroffen.

Pilzaromen Weidehuhn, Haut, Seegras

Unter Poularde wird allgemein ein schweres Hühnchen verstanden. Tatsächlich handelt es sich sozusagen um die Färse des Geflügels, also ein geschlechtsreifes Huhn das noch nicht gedeckt ist.

Das vorzügliche Fleisch wird mit Pilzcreme und Pilzkraut veredelt und von Petersilie und Pilzsauce begleitet. 

Rhabarber, Ziegenmolke und fassgereifter Mirin

Ein gelungener Abschluss.

Wein und Service:

Nancy Grossmann hat uns eine gelungene Weinbegleitung zusammengestellt und kenntnisreich näher gebracht.

Der Service unter der Regie von Falco Mühlichen war, wie schon bei letzten Ma(h)l, professionell und freundlich. Trotz der Behinderung durch das Tragen einer Mund-Nase-Schutzmaske hatten die engagierten Damen und Herren erkennbar Freude und großen Anteil am Gelingen des Abends.

FAZIT:

Das Auge isst mit. Nicht nur ein Sprichwort, sondern eine klare Tatsache. Blogger machen sich das zunutze um besonders schöne Fotos zu veröffentlichen. Marco Müller erschwert diesen Effekt durch die Präsentation von Speisen auf bunten bzw. eingefärbten Tellern.

Die Kreationen selbst sind minimalistisch aber komplex, die Produkte von hoher Qualität und handwerklich anspruchsvoll. Der deutlich regionale Akzent stellt Nachhaltigkeit in den Vordergrund und betont den Wert heimischer Produkte.

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