Da ich schon so oft über Thomas Schanz und sein Restaurant in Piesport berichtet habe, möchte ich in erster Linie die Bilder sprechen lassen, ohne die einzelnen Gänge in epischer Breite zu erläutern. Das eröffnet mir Zeit und Möglichkeit einige Dinge abseits des Essens aufzuarbeiten.
Bereits 2017 habe ich darauf hingeiesen, dass der Guide Michelin grundsätzlich nicht zur Verzagtheit neigt und eine weitere Aufwertung des Restaurants von Thomas Schanz durchaus angezeigt wäre. Mit etwas Verspätung war es nun in diesem Jahr soweit und der dritte Michelinstern ist im verträumten Moselort angekommen und macht Piesport zum kulinarischen Mittelpunkt an der Mosel. Dennoch ist dies keine regionale Erscheinung sondern ein Restaurant von internationalem Rang.
2017 hätte mich diese Entscheidung wohl nicht überrascht. 2022 aber schon. Dies liegt nicht an der nach wie vor exzellenten Küchenleistung sondern an der Tatsache, dass der Guide Michelin mittlerweile mehr in Richtung regionaler Ausrichtung, grüner Besternung und somit dem gut bürgerlichen Zeitgeist hinterherrennt. Der Hype um regionale Produkte als allein seligmachend hat mich noch nie überzeugt. Allein die Produktqualität zählt. Welche Probleme damit verbunden sind sieht man manchmal daran, wie weit der Begriff „Region“ ausgedehnt wird. Aber dem Guide Michelin ist das wohl wichtig. Genauso wichtig wie vegetarisches oder veganes Essen.
Es gibt bestimmt viele gute Gründe auf Fleisch zu verzichten und sei es auch nur ein paarmal die Woche. Aber Bedeutung, Geschmack und Qualität von Obst und Gemüse ist nicht die alleinige Domäne modischer Vegetarier. Wir Fleischesser kennen Obst, Gemüse und Salate schon von Kindes Beinen an.
Jedenfalls freut es mich, dass Thomas Schanz vom Guide Michelin endlich die gebührende Anerkennung erhält.
Kürzlich, und das ist das Gegenbeispiel zum Michelin, wurde die vielbeachtete Liste der „The World’s 50 Best Restaurants“, die eigentlich 100 Restaurants erfasst, veröffentlicht. Unter diesen 100 genannten Restaurants ist kein einziges deutsches Dreisternerestaurant vertreten. Damit stellt sich mir die Frage, wieviel kulinarische Intelligenz die derzeitigen deutschen Juroren aufweisen. Das Tantris in München wurde auf Platz 98 gelistet und hat somit alle Dreisterner in Deutschland geschlagen. Wer um alles in der Welt stellt diese Juroren auf? Wer immer diese Juroren auswählt, scheint die gleichen Nachwuchssorgen zu haben wie so manch eine andere Branche auch.
Unser Restaurantbesuch war gleichzeitig der erste Arbeitstag der Küche nach den Sommerferien. Und siehe da, so vieles war neu. Neue Sitzmöbel, neue Tische, ein neuer Restaurantleiter.
Der gebürtige Emsländer Partrick Stewart bringt Sterneerfahrung mit. U.a. war er im Hamburger Jacobs Restaurant bei Thomas Martin und später bei Anna Sgroi tätig. Danach zog es ihn nach Sylt und nun in den vorwiegend ländlich geprägten Raum.
Amuse-Gueule
Crostini vom „Pommerschen Rind“ mit Räucherforellenmousse und Imperial Kaviar
Moselfisch mit Wacholder
Büsumer Krabben-Baiser
„Das Trüffelei“ (o. Abb.)
Sardinentartar mit Rotkohlsüppchen und Passionsfruchtsorbet
Schon häufig habe ich erlebt, dass die Küchengrüße gereicht werden, wenn man noch mit der Speisekarte oder Weinkarte beschäftigt ist. Dann werden die kleinen feinen Dinger schnelll verdrückt und fallen der Vergessenheit anheim.
Das passiert hier nicht. Den Amuse-Gueules wird genügend Raum und Zeit eingeräumt, was diese auch verdient haben.
Gänselebertorte „Saint Honoré“ mit altem Sherry und Parmigiano Reggiano
Die Saint-Honoré gehört zur hohen Schule der französischen Pâtisserie. Sie begegnet uns in Eclairs, Religieuses und Mille-feuilles und besteht aus Windbeutelteig und Pâte brisée oder Pâte feuilletée. So knusprig.
Das Gericht ist ein Highlight handwerlichen Schaffens. Schließlich ist Kochen Handwerk und manchmal, wie in diesem Falle, entsteht auch etwas Kunstvolles.
Profiterole mit Gänselebereis sollen nicht unerwähnt bleiben.
Pochierte Felsenrotbarbe aus der Vendée mit marinierten Kräutern und Hibiskus-Orangenblüten-Vinaigrette
Das Gericht zeugt, wie so viele bei Schanz, von Experimentierfreudigkeit mit Aromen sowie dem Drang nach Perfektion.
Arktischer Schwarzer Seehecht mit Tannen Wipfel, Nektarine und Muskatnuss-Consomme
Frikassee von gegrilltem Hummer und Kalbskopf aus Saint-Malo mit Annabelle Kartoffel, Minze und Mirabellen-Hummer-Bouillon
Ein Gericht mit aromatischer Wucht. Ein ausdruckstarkes Beispiel akribischer Arbeit und eine für Schanz typische zeitgemäß-komplexe Stilistik.
Bestens geeignet die Küche als Marke zu entwickeln.
Eifler Rehrücken in Kapuzinerkresse gegart mit Pfifferlingen, eingelegtem Radieschen und Mädesüßjus
Ist das Reh der wesentliche Teil des Gerichts oder sind es die kleinen kunstfertigen Begleiter. Entscheiden Sie selbst.
Feines von der Pampelmuse mit Sauerrahm und Safran
Duett von der Kaktusfeige mit Algengelee
Die abschließenden Desserts sind auf hohem Niveau mit gewohnt exzellent ausgearbeiteten Aromen.
FAZIT:
Thomas Schanz zelebriert eine Küche auf der Basis der klassisch französischen Produktküche.
Eine Aussage, die so vielsagend wie nichtssagend ist. Aber wo will man anfangen ohne gleich in Superlative zu verfallen. Ja, der Satz trifft zu. Gleichwohl sagt er wenig aus. Der Aromenkanon mag darin wurzeln, die Ausgestaltung ist zeitgemäß modern.
Wenn Thomas Schanz einen Teller vom Pass an den Gast schickt, einen Teller den er als perfekt empfunden hat, habe ich immer das Gefühl, dass er bereits die nächsten Veränderungen im Kopf hat. Er arbeitet akribisch, detailgetreu, überaus kreativ und scheinbar unermüdlich.
Der Erfolg gibt ihm recht.
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