The Table Kevin Fehling (***)

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Unser kulinarisches Jahr im Sternebereich startete im La Belle Epoque in Travemünde bei Kevin Fehling. Dort werden Sie ihn jedoch nicht mehr vorfinden.
Fehling wagte den Sprung in die Selbstständigkeit und eröffnete im August dieses Jahres sein Restaurant „The Table“ in Hamburg.
Die Neueröffnung war ein Aufsehen erregender Vorfall. Ein Paukenschlag!

Ziehen wir doch einfach ein paar Quellen zu Rate:

„Es ist wohl die gastronomisch spektakulärste Neueröffnung des Jahres“ (Guide Michelin 2016).

„Mit der kompromisslosen Neuausrichtung seines Erlebniskonzepts empfängt er seit August 2015 seine Gäste in der trendigen Hafencity“ (Schlemmer Atlas)

„Hochküche als Genusstheater mit Unterhaltungsfaktor: Eine moderne glamouröse Bühne für aufregende, weltläufige Gerichte, die hier die Aufmerksamkeit bekommen, die ihnen gebührt“ (DER FEINSCHMECKER Heft 10, Oktober 2015).

Die Ausrufung zum „Restaurant des Jahres“ vom FEINSCHMECKER kann ich trotz der flotten Entscheidung in der Sache nachvollziehen.
Bei der Präsentation des neuen Guide Michelin, von der ich berichtet habe, wurde die Auszeichnung von drei Sternen für das Restaurant als so erwartet aufgenommen. Der Gault&Millau 2016 für Deutschland zieht sich mit 17 Punkten in den Schmollwinkel zurück.

Zum Restaurant:

In der „trendigen“ Hafencity begeben wir uns auf einen recht untredigen Fußmarsch durch und um die Baustellen in der Schanghaiallee.

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Das Restaurant ist hell, groß, modern, eine interessante Location mit Blick zur Küche und Nähe zu den Tischnachbarn. Wer möchte, kommt schnell ins Gespräch, wer seine Ruhe sucht, wird auch diese finden. Dies alles wurde in der kurzen Zeit seit der Eröffnung im August so oft beschrieben, dass man den Eindruck gewinnen konnte, die Immobilie sei der Star und nicht das Essen. Mag sein, dass Kreativität und Handwerkskunst der Fehlingschen Küche derart unumstritten sind, dass man sich bei den Berichten eher am Konzept orientiert. Dieses Konzept ist zeitgemäß, modern und einladend. Doch wer glaubt, dass allein das Ambiente eine gewisse Zwanglosigkeit und Lässigkeit einkehren lässt, liegt falsch. Wer es leger und lässig mag, muss hierzu seinen eigenen Beitrag leisten. Je internationaler das Publikum ist, umso näher ist man der entspannten Atmosphäre. Die Küchencrew ist mit der streng choreographierten Performance zu sehr beschäftigt um die Stimmung auch noch aufzulockern und die distinguierten Hamburger Gäste tauen ohnehin nur langsam auf. Dies mag in der für gewöhnlich egalitärer angehauchten Berliner Szene eher der Fall sein.
Dafür bleibt der Lärmpegel, wie wir ihn von den Ateliers des Joël Robuchon gewohnt sind, im unteren Bereich.

Das Restaurant ist eine gelungene Alternative zum traditionellen Gourmetrestaurant. Es fällt mir jedoch noch immer schwer zu glauben, dass dies wegweisend für die moderne Sternegastronomie sein wird. Warum auch. Vielfalt ist angesagt. Darin liegt doch die eigentliche Bereicherung. Vielleicht mag die Zukunft mich widerlegen.

Der Empfang, wir kommen mal wieder zu früh, ist freundlich, ja freundschaftlich.
David Eitel präsentiert uns einen Aperitif in der Perrier-Jouët Lounge und kurze Zeit später nehmen wir unsere Plätze am Tresen ein.

Das Menü startet mit einem

Der-Tisch

„Matjesbrötchen“.
Die Miniaturdelikatesse ist hervorragend.
Gerade in der Hochküche legt man wert auf eine tadellose Präsentation der Speisen. Was kann man da alles erleben. Vom feinsten Geschirr, über Kieselsteine bis hin zu Ästen wird nichts ausgelassen.
Der Start mit dem kleinen Tisch hingegen, ist ein netter Einfall.
Die beabsichtigte Verknüpfung erschließt sich sofort. Was sich jedoch nicht jedem erschließt ist die Tatsache, dass sich die „Laubsägearbeit“ nur grob am Original orientiert.
Aber wer, außer mir, beschäftigt sich schon mit solchen Petitessen.

Hummer

Hummer „Thermidor“

Der Hummer Thermidor ist ein Klassiker der französischen Küche, hier modern interpretiert.

Hamachi „Japanisch“ (o.Abb.)
Fenchelchip und Ponzu, Soja, mehrere Algensorten.

Saibling

Geflämmter Saibling, Tatar & Kaviar,
gefrorener Dillstaub, Kohlrabitextur, Sud von Apfel/Gin/Gurke.

Wagyu-Bun (o.Abb).

Jakobsmuschel

Jakobsmuschel „Wiener Art“

Carpaccio von der Jakobsmuschel mit den dekonstruierten Teilen eines Wiener Schnitzels.
Zitronenperlen, Petersilienkresse, Sardellengel, Croutons, Kapern.

Gänseleber

Gänseleber “Tom Kha Gai”
mit Garnele & Mango

Anfang des Jahres wurde noch der Leuchtturm von Travemünde in das Förmchen gepresst, nun sind es indische Motive. Nicht jeder kann sich damit anfreunden.
Der Gault&Millau Deutschland 2016 hält dies für einen „netten Optik-Gag“ und auch von einem Kochkollegen (Welt am Sonntag, 26.7.15) liest man Kritik, ohne dass ein Adressat ausdrücklich genannt ist. Wer diese „Äußerlichkeiten“ nicht mag und die Qualität infrage stellt, sollte das Gericht mal selbst verzehren und das Gespräch mit dem Küchenchef suchen. Auch drängt sich mir der Verdacht auf, dass man mit negativer Kritik scheinbar mehr Leser erreicht als mit positiven Berichten. Eine Erkenntnis die auch bei einigen Bloggern zu reifen scheint.

Tom Kha Gai, eine thailändische Hühnersuppe, wird zur Gänseleber neu interpretiert und bildet zu dieser ein gelungenes Pendant.
Die Gänseleber selbst ist tadellos, sowohl im Geschmack als auch in der Textur.

Bouillabaisse auf 3 Arten (o.Abb.)

Hollandaise, Bouchonmuschel, Jakobsmuschel, Tomate,
auf drei Tellerchen verteilt.
Eine Neuinterpretation der Bouillabaisse, die wir schon in Travemünde genießen durften.

Trüffelei

Trüffelei
mit Kalbsgraupen, Pilzen & Dashi

Eines der vielen Highlights in Fehlings Menü.
Dashi, ein japanischer Fischsud, darf bei der dargebotenen Fusionsküche natürlich nicht fehlen. Diesmal trifft Japan auf Frankreich.
Das Ei wurde eine Stunde lang bei ca. 65 Grad gegart, was zu einer nur leichten Gerinnung führt. Eine wachsweiche Konsistenz ist die Folge.

Entenbrust

Challans Entenbrust „Sushi“
mit Kimchi-Maki, Ingwer-Hollandaise & Sojajus
Spitzkohl, Apfelwasabi, Ingwer

Die tadellose Ente aus Challans im Département Vendée wird von internationalen Beilagen begleitet.

Dattel

Dattel
mit Lorbeereis, Safranperlen, Kumquat & Hummuscreme
Kichererbsenpüree, orientalisches Müsli, Aubergine

Sehr aufwändig und nicht zu süß, findet dieses Dessert unsere Anerkennung.

Wundertüte

“Wundertüte”
mit Lavendel, Blaubeere, Sternanis & Kardamom

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Kevin Fehling legt bei der „Wundertüte“ selbst Hand an.

Zu guter Letzt noch ein
Pina Colada Macaron und ein
Martini Cocktail mit Olive

Wein und Service:

2013, Cantocuerdas, Bernabeleva, Madrid
2013, Jurançon „Clos Uroulat“, Charles Hours, Süd-West Frankreich
2012, Riesling „R“, Kühn, Rheingau
2011, Mâcon-Chaintré, Valette, Burgund
2012, Saint Joseph „L´Olivaie“, Domaine Coursodon, Rhône
Vin Muté À L´Armagnac, Château de Léberon, Gascogne
2014. Brachetto d´Acqi DOCG, Giacomo Bologna, Piemont

David Eitel hat eine stimmige Weinbegleitung zusammengestellt und damit seinen Beitrag zum Gelingen des Abends beigetragen. Seine profunden Weinkenntnisse sind ebenso unbestritten wie sein freundliches und professionelles Auftreten. Diesen positiven Gesamteindruck kann selbst die Servierschürze nicht schmälern.

Der Service insgesamt ist freundlich, sachlich, fast schüchtern zu nennen.

FAZIT:

Technische Perfektion, handwerkliche Präzision, kreative Intuition und eine durchdachte Organisation verbinden sich zu einem einzigartigen Genusserlebnis.
Dabei darf man nicht bierernst auf die Teller starren, so manches kommt eher augenzwinkernd daher.
Die Grundlagen französischer Klassik werden in einem wahren Fusionsfeuerwerk zeitgemäß präsentiert.
Auf nach Hamburg!

Kommentare

Eine Antwort zu “The Table Kevin Fehling (***)”

  1. klingt schön..

    Jens

    travel-food-art.com

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