Von der Injektion zur Infusion

Ein Kommentar von Bernhard Steinmann

Ende April 2020 wächst die Unruhe in Deutschland. Die Coronakrise hält uns im Griff und mit Bangen schauen viele auf den 30. April. Dann nämlich sollen Ministerpräsidenten und die Kanzlerin ausloten, wie es weitergehen soll.

Wie soll es weitergehen in einem Land, dem die Viruskrise den Spiegel vorgehalten hat. Die Schulen waren geschlossen, Oma und Opa durften nicht besucht werden. Die Kneipen sind auch nicht geöffnet, Restaurantbetreiber stehen vor dem Aus. Die Autoindustrie…oh je.

Die plötzliche Erkenntnis, dass im Wirtschaftswunderland nicht alles zum Besten bestellt ist, schmerzt. Eine der führenden Wirtschaftsnationen der Welt stolperte über nicht vorhandene Centartikel wie Mund- und Nasenschutz. Ein Großteil der Wirkstoffe für Medikamente kommt aus Asien.

Jeder kann sich selbst ein Bild davon machen.

Die amerikanische Wirtschaft versucht die Krise mit Entlassungen zu meistern. Das senkt den Kostendruck und man hofft, dass nach ein paar Monaten, wenn die Konjunktur anspringen sollte, Einstellungen in großem Stil erfolgen können. Ein Weg, den wir in Deutschland nicht gehen können und nicht gehen wollen. Stattdessen pumpen wir Geld in die Systeme. Geld, das letztlich der Steuerzahler berappen muss.

Mal hilft die Injektion, also ein Einmalbetrag, mal hilft nur die Infusion, also das dauerhafte subventionieren von Teilen der Wirtschaft. In dem Augenblick in dem das Virus verschwindet, wird das Entsetzen nicht weichen sondern sich auf die Wirtschaft richten. 

Als Foodblogger gilt mein Interesse natürlich der Gastronomie, speziell der gehobenen Gastronomie. Wir müssen wahrnehmen, dass tolle Restaurants anscheinend keine zwei Monate durchhalten können, wenn die Gäste fehlen. Wo sind die Rücklagen? Man kann unschwer davon ausgehen, dass nach Öffnung der Restaurants die Gäste über Monate hinweg einem Restaurantbesuch skeptisch gegenüberstehen.

Wie soll man wirtschaftlich planen, wenn die Anzahl der Tische halbiert wird, damit das Abstandsgebot eingehalten wird? Hat man die Tische nicht zusammengerückt um die Pacht erwirtschaften zu können? Vor allen Dingen aber stellt sich die Frage, wann können die Menschen wieder reisen und werden Sie das knapper gewordene Geld in Restaurants schleppen?

Die unruhige Zeit nutzen viele Gastronomen um einen Bestellservice für den Außerhausverkauf anzubieten. Ein nettes Unterfangen für Gäste die dem Unternehmen gewogen bleiben wollen aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein der weggebrochenen Einnahmen. Dennoch ist dies eine gute Idee. Man sollte darüber nachdenken, dieses Geschäftsmodell auch später beizubehalten um eine abgespeckte Version der kreativen Küchen für zu Hause anzubieten. Sicher hat es nicht den Charakter eines zweiten Standbeins, eher den einer Krücke. Ein Restaurantbetrieb alleine, das wissen wir doch heute schon, wird jedoch nur schwerlich genügen. Die Zeit der Krise ist die Zeit für neue Ideen.

Mein Tisch in einem Dreisternerestaurant für Juni 2020 ist bereits gebucht. Mal sehen, ob man mich lässt.

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