Schwarzwaldstube (***)

Veränderungen.

Louis Pasteur wird das folgende Zitat zugeschrieben: „Veränderungen begünstigen nur den, der darauf vorbereitet ist“.

Zum ersten Mal haben wir bei einem Besuch in der Schwarzwaldstube Harald Wohlfahrt nicht angetroffen. Es war Anfang Mai und wir rätselten zu diesem Zeitpunkt noch, woran es liegen könnte. Vielleicht waren wir einfach zu früh gegangen, da wir auf das Dessert verzichtet hatten. Vielleicht machte er seinen abligatorischen Rundgang erst danach. Vielleicht war er gar nicht im Hause. Kam nicht allzu häufig vor.
Sollte er sich gar schon auf dem Rückzug befinden, wie im letzten Herbst angekündigt?


(Harald Wohlfahrt, 2012)

Nun, Sie wissen längst, was sich zugetragen hat. Die Schwarzwaldstube muss künftig ohne Harald Wohlfahrt auskommen. Die Schwarzwaldstube ohne Wohlfahrt? Man kann das kaum denken, geschweige denn schreiben. Nun ja. Sous-Chef Torsten Michel schlüpft in die riesigen Schuhe seines Vorgängers. Kein leichtes Unterfangen, auch wenn der Dresdner schon seit 2004 in der Schwarzwaldstube beschäftigt ist und behutsam aber kontinuierlich auf die Nachfolge vorbereitet wurde.

Die Hälfte der aktuellen Dreisterneköche stand mit Wohlfahrt in der Küche. Rund 80 weitere Sterne kann man in Zusammenhang mit dem Perfektionisten bringen.
Er wird fehlen. Keine Frage. Vielleicht nicht allen. Aber mir. Uns.

Veränderungen auch im Ambiente des Restaurants. Das Restaurant wirkt heller und größer. Es kommt mir heute allerdings auch lauter vor. Die schwere Holzdecke, an der ich nie Anstoß genommen habe, ist jedenfalls noch immer da. Zum, wie ich es ausdrücken möchte, Filz-Look der neuen Stühle und des Bodenbelages, wirkt die Decke noch anachronistischer. Ich benötige dringend noch einen Besuch, um die euphorischen Kommentare der Gastgeber Gass und Breuer nachempfinden zu können. Meiner Meinung nach ist man hier auf halber Strecke stehengeblieben. Ein Bekenntnis zur Historie und regionalem Schwarzwaldcharme ist das jedenfalls nicht mehr. Zum Glück sind wir wegen des Essens hier und nicht zum Probesitzen.


Apero von rechts (Zur Vergrößerung auf die jeweiligen Fotos klicken)

Vitello Tonnato

Variation der Makrele mit Miso und Ponzu

Rindertatar mit Roter Bete und Wasabicrème


Amuse Bouche

Kaninchenmousse und Essenz mit konfierter Kaninchenkeule im Pankomehlteig,
Variation von Bohnen und gelierter Tomatenbouillon

Ein Amuse Bouche mit wuchtigen Aromen und intensivem Geschmacksbild.

Terrine mit marinierter Entenleber, Wachtelbrust, Kalbsbries
und Jurançongelee, Aprikosenchutney mit Haselnüssen

Ein grandioses Gericht. Die Küche wirft bei dieser Terrine mit Entenleber, Wachtelbrust und Kalbsbries alles auf einmal in die Waagschale.
Vollmundig, fruchtig, dezente Säurenoten, alles ausgewogen und erstklassig.

Allein der „Tupfenkreis“ ist kulinarisch bedeutungslos, optisch allerdings ein Volltreffer.
Diese Verspieltheit erzeugt durch die sehr vielen Tupfen eine geradezu monotone Note, eine optische Langeweile, die vollkommen im Gegensatz zur kulinarisch erlebbaren Geschmackswelt wirkt. Gerade lächelt man noch milde über das Gesamtkunstwerk und schon erliegt man der beeindruckenden geschmacklichen Vielfalt.

Zart angebratene Gänseleberscheibe mit feinen Kräuterspitzen,
weißem und grünem Spargel an Trüffelglace

Kotelette vom Steinbutt im Salzteig „Zurück aus Indien“ gebacken
mit Schalentieren auf Korianderspinat, milder Mumbaicurrysud

Bei „Zurück aus Indien“ fällt mir ein, dass ich mal wieder zu Kevin Fehling muss.
Die Crew der Schwarzwaldstube beherrscht Crossover Küche jedoch ebenfalls perfekt.
Es reicht aber bei weitem nicht, Kultur und Küche einzelner Länder zu vermischen.
Man muss sie verstehen und das Verständnis an den Gast weiterreichen. Etwa so, wie Tim Raue in Berlin Kontinente auf dem Teller verbindet.

Der Steinbutt war großartig, die Kombination gelungen. Wieder einmal zeigt sich die moderne Klassik als ausgesprochen modern, ja nahezu zeitlos.

Poularde aus dem Dombes im Römertopf gegart
und in 2 Gängen serviert:

Glasierte Brust mit grünen Spargelspitzen und Weißweinbuttersauce.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.


Ballotine vom Keulchen mit Artischocken und Geflügeljus mit gehacktem Trüffel.

Ballotines sind kleine gerollte Galantinen aus entbeinten Tieren.
Nur für den Fall, dass Sie die Keulchen suchen. Und ja, das ist eine aufwändige Zubereitung. Aber es lohnt sich. Bevor das Gericht nun wieder als zu klassisch und damit langweilig empfunden wird, muss man erst einmal probiert haben. Es schmeckt fantastisch, besonders die Geflügeljus begeistert. Als texturellen Gegenpart gibt es noch einen krossen Chip aus Poulardenhaut.


Petit Fours von rechts nach links:

Kokoscrème und Apfel-Minzgel mit marinierten Granny Smith Äpfeln und Himbeerperlen

Himbeercremeux

Pistazie und Lavendel

Macaron mit Dulcey und Passionsfrucht

Gateau von Walderdbeere und Joghurt

Marshmellow mit Ingwer

Getränke:

2008 Champagne Vazart.Coquart & Fils, Blanc de Blanc, Spezial Club
2014 Pinot Gris Le Fromenteau, Josmeyer
2015 Grauer Burgunder, Karl H. Johner, Vogtsburg-Bischoffingen
2013 Rüdesheim Berg Rottland, Riesling GG, Künstler, Rheingau
2009 Hermitage Blanche, Selection J.L. Chave, Mauves, France
2011 Barolo Pira, Roagna

Ich möchte heute auf das gewohnte „Fazit“ verzichten und lieber mit ein paar sehr persönlichen Worten schließen.

Ein Restaurantbesuch, ein Essen in einem „Dreisterner“, ist nur dann ein Erlebnis und als gelungen zu bezeichnen, wenn es Emotionen auslöst, wenn es „berührt“. Es hat nichts mit „Schnapp und Schluck“ einer bloßen Nahrungsaufnahme zu tun.
Über viele Jahre hat uns Harald Wohlfahrt dieses außerordentliche Vergnügen bereitet.
Dafür haben wir ihn gelobt, ihm gehuldigt, haben in den schönsten Farben das Essvergnügen geschildert.
Seit vielen Jahren hat uns auch Torsten Michel dieses außerordentliche Vergnügen bereitet. Wir haben ihn dafür nicht gelobt, haben ihm nicht gehuldigt und haben seinen Beitrag noch nicht einmal in schwarz-weiß geschildert.

Nun tritt er die Nachfolge eines Jahrhundertkoches an. Ich wünsche ihm dafür alles Gute.
Zugegeben, ein recht kalt anmutender Wunsch. Doch im Augenblick bin ich in einer etwas angegriffenen Gemütsverfassung. Dafür ist Herr Wohlfaht nicht verantwortlich. Dafür ist auch keinesfalls Herr Michel verantwortlich. Ich fühle mich ein bisschen verlassen. Jahrelang waren die Schwarzwaldstube und Harald Wohlfahrt mein Zentrum des guten Geschmacks. Meine persönliche Nummer 1. Und ich bin sehr erstaunt, dass ein Koch von dieser Qualität, der bei all seinen Erfolgen immer Mensch geblieben ist, mit Anfang 60 den ihm auf den Leib geschneiderten Platz verlässt. Meine Sorgenfalten richten sich an die Familie Finkbeiner. Alles richtig gemacht?

Lassen Sie mich nochmals auf Herrn Torsten Michel zurückkommen.
Ihm wünsche ich, dass alles in seinem Sinne verläuft. Ich gehe davon aus, dass Ende des Jahres die drei Michelinsterne für die Küchenleistung bestätigt werden.
Danach allerdings, muss seine Handschrift erkennbar werden. Er wird als Koch reifen müssen. Niemand möchte eine Wohlfahrt-Kopie. Er steht im Fokus. Alle schauen auf ihn. Wir schauen auf ihn. Wir schauen kritisch auf ihn.

Lassen Sie mich versöhnlich schließen. Es ist im Grunde recht einfach, unsere Sympathien zu gewinnen und bei uns Begeisterung zu entfachen. Alles hängt von der Qualität und dem Einfallsreichtum der Küche ab. Wir werden offen und vorurteilsfrei zurückkehren. Alles Gute.

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