Bandol sur Mer (*)

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Der kürzlich erschienene Restaurantführer Michelin Deutschland 2016 hat einige „Überraschungen“ bereitgehalten. Dazu gehört auch das „Bandol sur Mer“ in der Berliner Torstraße. Doch worin liegt die „Überraschung“? Die Antwort auf diese Frage müssen wir wohl im Ambiente suchen. Damit begeben wir uns auf ein Feld, welches mit Essen nichts zu tun hat. Oder etwa doch?

Bei der Präsentation exzellenter Speisen spielt in aller Regel das Geschirr eine bedeutende Rolle. Natürlich auch das Ambiente. Der Boden, die Wände, die Tische, die Tischdekoration, die Stühle. Alles muss bequem und schick sein. Für Gäste, die weniger stilsicher sind, für Gäste, die darauf einfach keinen Wert legen und für Gäste, die das alles eher dekadent finden, wurde das „Casual Fine Dining“ erfunden. Man speist zwanglos und umgeht auch oft die üblichen Luxusprodukte.

Das Bandol sur Mer ist so ein zwangloses Restaurant. Es ist nicht sehr groß. Nein, es ist eher sehr klein. Es liegt in der Torstraße in Berlin, eine Adresse die in den Navigationsgeräten der Gourmets eher noch nicht gespeichert ist.
Es ist unprätentiös, aber gemütlich.

Küchenchef Andreas Saul befehligt eine extrem kleine Küchencrew. Genauer gesagt, habe ich im Wesentlichen nur zwei Personen in der offenen Küche gesehen. Ein weiterer Mitarbeiter war mit Zuarbeiten beschäftigt. Auch der Service besteht nur aus zwei Personen.
Saul war zunächst im Restaurant Dressler am Kurfürstendamm und Unter den Linden tätig. Danach wechselte er in das „Rutz“ und nahm nach einiger Zeit die Position des Souschefs ein. 2010 folgte der Wechsel in das Bandol sur Mer, wo er eine französisch ausgerichtete Küche anbietet.

Der Empfang ist freundlich. Große Tafeln verkünden das Tagesangebot. Nach kurzer Beratung entscheiden wir uns für Menü II.

Zunächst werden selbstgebackenes Kartoffelbrot und Nussbutter gereicht.

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Amuse Gueule:
Dinkelcracker mit Aubergine und Thunfisch und ein
Garnelencracker mit Garnelentatar und Olivenöl.

Sehr schön, würzig und schmackhaft.

Pochierte Gänsestopfleber (o.Abb.)
Kerbel, Zuckerrübe, Stachelbeere & Brioche

Die Gänsestopfleber ist geschmacklich zurückhaltend. Fast schüchtern unterliegt sie dem Kerbelgranité, dessen Kälte dem typischen Geschmack der Gänsestopfleber zu Leibe rückt.
Leicht süss, die Lakritznoten ohne Dominanz, bleibt letztlich ein gutes Zusammenspiel in Erinnerung. Der Geschmack der gesamten Kreation gleicht die kleinen Schwächen der einzelnen Komponenten aus.

Die kleine Küchencrew arbeitet ruhig und konzentriert. Es ist auffallend, dass störende Gerüche, wie bei offenen Küchen in Wohnungen so oft beklagt werden, ausbleiben.

Ei

Eigelb 65/30
Anchovis-Mayonnaise, Topinambur,
„Kalbskopf-flüssig“

Die Optik leidet, meiner Meinung nach, unter dem „flüssigen Kalbskopf“.
Geschmacklich ist der Gang dagegen großartig gelungen. Der Topinamburcracker ergänzt das Ganze durch seine spröde und knackige Textur.
Erneut können wir eine ausgewogene Würze und eine gelungene Kreation attestieren.

T

Étouffée Taube
Rote Bete & Kakao, geräucherte Crème fraiche

Die Taube wird in Kakao gewälzt und angebraten, was zu einem interessanten Aroma führt. Rote Bete in verschiedenen Variationen unterstützen die kräftigen Noten des zarten Fleisches. Die Produktqualität ist tadellos.

Lamm

Husumer Salzwiesenlamm
Haferwurzel, Schwarzwurzel, Passe-Pierre

Wie schon so oft gefällt mir gerade das geschmorte Fleisch aus der Schulter außerordentlich.

Hinzu kommt eine sehr bissfeste Haferwurzel, die mich geschmacklich allerdings nicht sonderlich begeistert. Schließlich muss ich mich auch noch mit der seit meiner Kindheit ungeliebten Schwarzwurzel auseinandersetzen. Die Haferwurzel hat man bereits in der Antike als Gemüse geschätzt. Dorthin wünsche ich sie auch zurück.

Doch abseits meiner persönlichen Abneigung gegen das Wurzelgemüse muss natürlich zur Ehrenrettung des Gerichts gesagt werden, dass die süsslich schmeckende Wurzel ein guter Begleiter der würzigen und leicht nussigen Schwarzwurzel ist.

D

Weiße Schokolade
Sauerklee, Rumfrüchte

Sauerkleeeis und Rumfrüchte finalisieren ein interessantes und sehr schmackhaftes Menü.

Wein und Service:

2011, Pündericher Marienburg, Riesling Spätlese, Frank Broml
2011, Château Ferran, Pessac-Léognan

2012, Grèle, Rouge, IGP Mediterranée, Chateau de Roquefort

Tennisballgroße Hagelkörner zerstörten 2012 binnen weniger Minuten Trauben und Rebstöcke des Winzers Raimond de Villeneuve in der Nähe von Cassis. Nur wenig, ca. 15 kg, blieb erhalten, die Zukunft des Weingutes war stark gefährdet. In dieser prekären Situation entschlossen sich über 30 Winzerkollegen, dem Geschädigten zur Hilfe zu eilen.
Sie überließen ihm Trauben und Most woraus Raimond de Villeneuve diesen tollen „Hagel(Grèle)wein“ kelterte.

2011, Bandol Rouge, Domaine le Galantin
Crémant de Bourgogne, Blanc de Noirs, Paul Delane

Der Service ist tadellos. Freundlich, herzlich und kompetent wird der Gast umsorgt.
Die Weinbegleitung ist stimmig und hat uns sehr gut gefallen.
Wir bedanken uns bei Nina und Herrn Rosenfeld, die einen tollen Abend zu etwas Besonderem gemacht haben.

FAZIT:

Andreas Saul präsentiert ein Menü mit kreativen und handwerklich tadellosen Gerichten.
Der Ansatz entspricht französischer Klassik, zur eigenen Handschrift möchte ich nach erstmaligem Besuch keine Aussage treffen.

Die Geschmacksbilder überzeugen durch Stimmigkeit und Komplexität. Unsere Erwartungen werden deutlich übertroffen.
Und um an den Anfang des Berichts zurückzukommen: Eine Überraschung ist der Stern des Michelin keinesfalls.

Zur Homepage des Restaurants gelangen Sie mit diesem L i n k .

Kommentare

3 Antworten zu “Bandol sur Mer (*)”

  1. Klaus Martini sagt:

    Guten Tag,

    Vielen Dank für die Reportage. Da ich Anfang März in Berlon bin, bin ich noch am Zweifeln ob es Bandol -Sur Mer oder das Horvarth wird. Eine Fage hätte ich noch dazu: Stimmt es, dass im Bandol zwei Sitzungen stattfinden. D.h., dass man bei Reservierung um 18.00, den Tisch wieder um 21.00 verlassen haben muss? Wissen Sie mehr darüber oderwie haben Sie diesen Abend zeitlich erfahren?
    Mit der Bitte um Antwort verbleibe ich,
    Freundlichst
    Klaus Martini
    Leiden/NL

  2. B. Steinmann sagt:

    Nun, lieber Klaus Martini,

    es trifft zu, dass es an Wochenenden zwei Servicezeiten gibt.
    Wir waren bereits um 18:00 Uhr vor Ort. Die Zeit bis 21:00 Uhr ist mehr als ausreichend.

    Beste Grüße
    B. Steinmann

  3. Klaus Martini sagt:

    Vielen Dank Herr Steinmann,

    Mit dem 5-Gänge Menü ist die Zeit sicher ausreichend. Da aber auch ein 10-Gänge Menü angeboten wird, finde ich es recht knapp bemessen, denn man möchte ja nach dem Menü nicht gleich aufstehen, sondern den Abend in Ruhe ausklingen lassen. Zumindest trifft das auf mich zu..

    Da glaube ich, dass man bei dem grossen Menü um 21.00 besser beraten ist.
    Jedenfalls vielen Dank für die Auskunft.

    Mit freundlichen Grüssen
    Klaus Martini

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