Interview mit Sebastian Obendorfer

In der Küche des Restaurants Eisvogel ist die Verantwortung generationsübergreifend weitergegeben worden. Sebastian Obendorfer hat den Staffelstab von seinem Vater übernommen und bestätigt das Vertauen des Seniors mit durchdachten Kreationen. Davon konnte ich mich und mit meinem Bericht vielleicht auch Sie, bereits überzeugen (https://www.bsteinmann-gourmet-unterwegs.de/restaurant-eisvogel/). 

Außerdem hatte ich das Vergnügen mit Sebastian Obendorfer das nachfolgende Interview zu führen.

Bernhard Steinmann (B.St.): Zunächst möchte ich gerne etwas zu Ihrer Person wissen. Sie haben Koch gelernt und mich interessiert natürlich warum und wo.

© Sabrina Hashemi

Sebastian Obendorfer (S.O.): Nun, ich bin in einer Gastronomiefamilie aufgewachsen. Die ganze Familie Obendorfer ist seit etwa 100 Jahren in der Gastronomie verwurzelt und da fällt sprichwörtlich der Apfel nicht weit vom Stamm. Schon als Kind war ich bei meiner Oma in der Küche, in einem richtigen bayerischen Wirtshaus und als mein Vater das Hotel eröffnet hatte, war ich natürlich in der Hotelküche. Irgendwie war also die Küche immer ein Teil von mir und so war schnell klar, was ich einmal lernen wollte.

Die Ausbildung habe ich im Münchner Mandarin Oriental gemacht. Dort gab es mit dem Küchenchef Mario Corti eine klassisch, französische Küche. Danach ging ich in das Gourmetrestaurant von Schloss Elmau und anschließend zog es mich nach Leipzig in das Restaurant Falco.

Danach folgte meine Ausbildung zum Hotelbetriebswirt. Damit bekommt man einen besseren Einblick in die Gesamtheit eines Hotels. Im Anschluss daran bin ich als Sous Chef zu Stefan Meier in das Restaurant ZweiSinn gegangen. Nachdem mein Vater gesundheitlich etwas angeschlagen war, bin ich zurück nach Hause um ihn zu unterstützen.

B.St.: Lassen Sie es mich einmal etwas salopp ausdrücken. Haben Sie Ihren Vater aus der Küche vertrieben oder gestalten Sie diese gemeinsam?

S.O.: Nein, nein, wir machen das schon noch zusammen, aber das Hauptaugenmerk meines Vaters liegt schon in anderen Bereichen.

B.St.: Wir können also schon von einer Staffelübergabe sprechen, eine Übergabe von einer auf die nächste Generation?

S.O.: Genau so ist es. Wir nennen es ebenfalls Staffelübergabe, ohne dass einer dem anderen etwas wegnimmt. Grundsätzlich aber liegt die Küche in meiner Hand.

B.St.: Die letzten Monate waren für die Hotels und die Gastronomie sehr schwere Monate. Wie haben Sie persönlich, wie hat das immerhin sehr große Hotel die Schließzeit überstanden?

S.O.: Wir waren gezwungen viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kurzarbeit zu versetzen. Sehr schwierig war die Situation für unsere Auszubildenden. Wir haben sehr viel getan um unsere Azubis nach vorne zu bringen. Gerade in der Küche habe ich mir viel Zeit genommen. So konnte ich ihnen beispielsweise zeigen, wie man klassisch ein Boeuf Bourguignon schmort. Ich bin selbst Jäger und konnte demonstrieren wie es ist, wenn ein Reh nicht in vakuumierten Teilen ankommt, sondern im Ganzen. Das bringt gegenüber dem Tier, dem Produkt, eine völlig neue Wertschätzung.

Außerdem haben wir die Zeit für Umbaumaßnahmen genutzt.

B.St.: Nun ist die Schließzeit zum Glück vorbei und Hotel und Restaurant sind wieder geöffnet. Ich hatte bereits Gelegenheit Ihre Kreationen zu genießen und möchte mal von Ihnen wissen, wie Sie Ihren Küchenstil einordnen. 

S.O.: Wir haben in der Küche ein sehr junges Team und kochen gerne modern, allerdings auf Basis der französischen Klassik. Das ist ein schöner Mix, wie wir finden. Jedenfalls sind wir nicht die typischen Avantgardisten oder Anhänger der Molekularküche. Bei uns steht das Hauptprodukt im Mittelpunkt. Wir haben derzeit Zander auf der Karte und der muss nach Zander schmecken. Hierzu benötige ich in erster Linie die bestmögliche Qualität und die bestmögliche Garmethode. Man muss schmecken, dass der Fisch frisch, dass er erst vor drei Stunden angekommen ist.

Auf die Qualität der Produkte lege ich allerhöchsten Wert.

B.St.: Davon konnten wir uns überzeugen. Sie sind, so finde ich, in Ihrer Stilistik offen, weltoffen. Eine regionale Ausrichtung ist dabei kein Selbstzweck.

S.O.: Das ist richtig. Wir haben in der Region sehr viel Wild aber man kann jetzt in einem Gourmetrestaurant nicht das ganze Jahr Wild zubereiten.

Ich halte das hier genauso wie in den Stationen die ich zuvor absolviert habe, es zählt nur die Qualität, es zählt nur die Frische eines Produktes. Wir haben einen Zander bekommen, da geht einem das Herz auf.

B.St.: Es geht ja nicht nur um die Herkunft guter Produkte, auch die Jahreszeit gilt allgemein als Ideengeber. Ist das bei Ihnen ebenfalls der Fall?

S.O.: Auf jeden Fall. Wir schauen natürlich auch auf die Saison. Sie können das bei unserem Hummer mit Holunderblüten sehen. Dieses Gericht wird jetzt ausgetauscht, da die Zeit für Holunderblüten vorbei ist. Zum Glück haben wir gute Produzenten, mit denen wir uns absprechen können.

© Bernhard Steinmann

B.St.: Da Sie schon den Hummer ansprechen kann ich Ihnen sagen, dass dieses Gericht Mittelpunkt eines Gespräches an unserem Tisch war. Wir erwarteten einen grandiosen Krustentiersud und dann kam der Hummer mit Tomate, Holunder und Passionsfrucht. Eine fast verwegene Idee.

S.O.: Die Zubereitung des Hummers und die Festlegung des Garpunktes war schnell geklärt. Wir wollten aber auch auf jeden Fall Tomaten verarbeiten. Eine Scheibe von der Ochsenherztomate herunterzuschneiden ist natürlich zu wenig und nicht mein Ding. Es sollte ein Tatar von der Amelatomate werden. Diese Tomate hat im Mund ein unglaubliches Geschmacksspektrum. Von bitter zu süß, umami, das nimmt mich unglaublich mit. Durch das Auspressen der Tomate gingen allerdings Säurenoten verloren, die wir mit einer Passionsfruchtmarinade wieder einbringen wollten. Zum Sommer mit seinen 30 Grad Temperaturen sollte natürlich auch Frische ins Spiel kommen und so kam Holunder zum Einsatz, in Form geeister Holunderkügelchen und Holundersud.

B.St.: Tolle Idee. Das Restaurant ist bereits hoch dekoriert. Zwei Michelinsterne und fünf Hauben des Grossen Guides sprechen eine deutliche Sprache. Sind Sie sozusagen noch auf dem Weg oder mit diesen hohen Bewertungen bereits am Ziel?

S.O.: Wir sind definitiv auf dem Weg, aber schon fast angekommen.

B.St.: Es ist nicht nur so, dass Sie die Gäste im Restaurant beglücken, Sie lassen auch selbst kochen im Genuss-Atelier. Wie oft findet das statt und mit welcher Zahl an Gästen kalkulieren Sie?

S.O.: Zur Zeit bremst uns hier Corona noch etwas aus. Normalerweise veranstalten wir 15 bis 20 Kochkurse im Jahr. Die Kochkurse sind themenbezogen. Das geht von Fisch über Saucen und dem Grillkochkurs bis zum beliebtesten Kochkurs, dem Männerkochkurs für jeweils ca. 15 Personen.

B.St.: Was um alles in der Welt machen Sie im Männerkochkurs?

S.O.: Der Männerkochkurs beginnt morgens um 9:00 Uhr mit einem klassischen bayrischen Weißwurstfrühstück. Dann gibt es die Sachen, die ein Mann so mag, beispielsweise ein richtig großes Entrecôte oder einen dicken Steinbutt.

Wir haben für die Kochkurse bereits viele Anfragen, können aber derzeit noch keine Zusagen machen. Man müsste jetzt mit einer Maske kochen, das ist nicht wirklich schön.

B.St.: Zum Schluß möchte ich noch gerne wissen, wieviele Mitarbeiter Sie in der Küche haben, wie oft Sie das Menü wechseln und ob Sie nicht auch schon daran gedacht haben Gerichte à la carte anzubieten.

S.O.: Es gibt eine Küche für alle Restaurants mit insgesamt 24 Mitarbeitern. Im Eisvogel wechseln wir die Menüs viermal im Jahr. Unsere Gerichte entwickeln sich im Laufe der Zeit und wir können so auch sehr gut auf die jeweilige Saison eingehen.

Ich habe bei meinen Stationen auch schon à la carte angeboten, halte aber ein richtig gutes Menü, das ansprechend ist und bei dem jeder etwas für sich findet, für die bessere Alternative. Es gibt auch Kollegen die eine Carte Blanche anbieten, das ist nichts für mich. Wir haben ein großes Menü mit einer guten Auswahl an Gerichten, das ist genau das was wir wollen.

B.St.: Das ist ein schönes Schlusswort, Herr Obendorfer. Vielen Dank für das Gespräch.

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