Kulinarischer Jahresrückblick 2020

Zunächst ein Hinweis an alle die nicht gerne lesen. Am Ende meines subjektiven Jahresrückblicks gibt es noch ein paar Fotos.

Trotz unüberhörbarer Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk bleibe ich ein Fan des Morgenmagazins der ARD. Dort gibt es eine schöne Rubrik mit „guten News“. Das macht man wohl so, wenn man zu dem Schluss kommt, dass eigentlich alles im Argen liegt. Dem Beispiel folgend beginne ich meinen Rückblick mit einer guten Nachricht. Der Gault&Millau Restaurantführer für 2021 hat Thomas Schanz zum Koch des Jahres gekürt und ihm 19 Punkte zugestanden.

„Weitab von den Metropolen hat der bescheidene, zurückhaltende Thomas Schanz den elterlichen Betrieb in aller Stille in eines der besten Restaurants der Republik verwandelt. Ohne Sponsoren, dafür durch akribische Arbeit und eine zeitgemäß komplexe Stilistik auf Basis der klassischen französischen Produktküche“, begründet die Gault&Millau-Redaktion die Ehrung.

Also, wenn Sie mal nach Piesport wollen, Sie finden es weitab von den Metropolen. Im Freundeskreis nenne ich die Ehrung seit Jahren etwas despektierlich „Wanderpokal“. Verdient hat dies Thomas Schanz aber allemal. Und wer ein bisschen von der Spitzengastronomie versteht, weiß das schon seit Jahren. Nun hat auch der Gault&Millau gemerkt, was Thomas Schanz zu leisten imstande ist. Herzlichen Glückwunsch. Für Beide.

Mein persönlicher Koch des Jahres ist Andreas Krolik, den ich derzeit für den kreativsten Vertreter der deutschen Spitzengastronomie halte. Wie so viele allerdings ausgebremst von einer erratischen Politik, die meiner Meinung nach das intellektuell Notwendige eher dem emotional Notwendigen unterordnet. Nun, und das gehört auch zur Wahrheit, bin ich froh, dass nicht ich die weitreichenden Entscheidungen fällen und verantworten muss. Kritik zu üben fällt da viel leichter.

Derzeit beschäftige ich mich mit dem Begriff des kulinarischen Gesamterlebnisses. Und schon wieder bin ich bei Andreas Krolik und dem Lafleur. Es gibt eine Reihe erstklassiger Serviceteams in Deutschland. Im Lafleur findet man eine erstaunliche Dichte erstklassiger Servicemitarbeiter. Allen voran Maître Boris Häbel, den wir bereits aus dem Adlon in Berlin kennen und der vor seiner Rückkehr nach Frankfurt im legendären Münchner Tantris tätig war. An seiner Seite Maître und Sommelier Miguel Martin, den man u.a. auch schon aus dem Tigerpalast kennt.

Das Dreigestirn komplettiert Chef Sommelière Alexandra Himmel, die wir aus dem Les Solistes by Pierre Gagnaire in Berlin kennen und deren tolle Weinbegleitungen wir seither vermisst haben. Es ist das unglaublich harmonische Zusammenspiel von Küche und Service, das gleichberechtigt und auf hohem Niveau dem Gast ein kulinarisches Gesamterlebnis beschert.

Auf das nächste kulinarische Gesamterlebnis werden wir noch etwas warten müssen. Der Angstbegriff der Coronakrise für die Gastronomie heißt Lockdown. Bei diesem Wort macht sich bei mir immer so ein angenehmer Gänsehautschauer breit. Nein, nicht wegen der Gastronomie. Mir fällt bei diesem Begriff immer zuerst Jack Bauer ein, der in der US-Actionserie „24“ so manchen Lockdown in der Terrorabwehrzentrale CTU erleben musste. War das spannend.

Für die Gastronomie ist das weniger lustig und die Gastronomen haben mein Mitgefühl. Sobald sich die Türen wieder öffnen, renne ich rein. Versprochen.

Doch sind die Klagen, die man so hört, berechtigt? Seitens der Politik sollen doch reichlich Gelder fließen. Das liest man immer wieder. Kurzarbeitergeld kommt noch dazu und viele steigen in den Lieferservice ein. Das mag sarkastisch klingen, doch warten wir es ab. Für viele wird die Luft dünner. Und nicht nur für die Gastronomie.

Björn Swanson hat im Oktober in Berlin das Restaurant „faelt“ eröffnet und mit seinem ersten Menü überaus positiv überrascht. Nach einem Monat kam der Lockdown und der Feierabend bis, ja bis wann eigentlich? Derzeit sieht es nach dem 10. Januar 2021 aus. Der Zukunft sehe ich diesbezüglich nicht hoffnungsfroh entgegen. 

Ach ja, am Anfang erwähnte ich die guten Nachrichten.

In diesem Jahr habe ich mehrfach das Restaurant Rutz in Berlin besucht und mich an den Kreationen von Marco Müller abgearbeitet. Ich möchte es gerne noch einmal wiederholen: Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Um im Bild zu bleiben war es eher so wie tausendmal berührt, tausendmal ist nichts passiert. Doch wie Müller einen Prozess stetiger Entwicklung durchlaufen hat, entwickelte sich auch bei mir die gustatorische Wahrnehmung weiter. Man muss sich einfach nur darauf einlassen. Übrigens gehörte auch der oben erwähnte Gault&Millau das Rutz betreffend zu den Spätentwicklern. 2020 spendierte man gerade mal 17 Punkte. Da war der Grosse Guide schon weitsichtiger mit der Vergabe von fünf Hauben.

Für das Jahr 2021 wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, viele tolle Restaurant- und Hotelbesuche. Den Gastronomen wünsche ich Durchhaltevermögen. Es wird ein langer und harter Ritt.

Feiern Sie Weihnachten wie vorgegeben mit der Familie. Die politischen Vorgaben scheinen hier wieder das christlich-bürgerliche Familienmodell vor Augen zu haben. Zweifel, ob die Einhegung von Grundrechten ein Virus nachhaltig bekämpfen kann, sind angesichts steigender Infektionszahlen nicht ausgeräumt.  

Bleiben Sie gesund!

Tranche vom bretonischen Steinbutt mit geschmolzenem Ochsenmark, Tomatenkompott und „Sauce Africain“ von Thomas Schanz.

Hamachi, gebeizt und als Tatar mit Imperial Kaviar, Ponzu-Gemüseemulsion, Gurken-Tomatensalat mit Austernkraut, Borretsch-Wasabikresse Sorbet von Andreas Krolik.

Kürbis und Ziegenquark von Björn Swanson.

Herbstpilze, Hühnerhaut und Schwarzwurzel von Marco Müller.

 

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