Nobelhart & Schmutzig (*)

Eine kompromisslos regional ausgerichtete Küche zu präsentieren ist schon ein anspruchsvolles Unterfangen. Billy Wagner, u.a. bekannt als Gastgeber und Sommelier in der Berliner Weinbar Rutz, wollte dieses Konzept jenseits der bekannten Sterneküche etablieren. Doch auch beim Guide Michelin ging man mit der Zeit und besternte das Nobelhart & Schmutzig kurzerhand und 

sicherte sich damit eine neue Klientel für den roten Restaurantführer.

Diese kluge Erweiterung mit weniger luxuriösen und regional ausgerichteten Restaurants hat längst auch das Michelinstammland Frankreich erreicht. Letztes Beispiel, das Le Chateaubriand in Paris.

In der Großstadt Berlin, im Bundesland Berlin, kann man leider nicht alles auftreiben, was für ein schmackhaftes Menü benötigt wird. So bekommt der Begriff „Region“ in seiner eigentlichen Bedeutung als „Gebiet, welches geografisch, politisch, ökonomisch oder administrativ eine Einheit bildet“ mehr Gewicht. Das bezieht Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern oder die Ostsee ebenso ein. Diese Ausdehnung des Begriffes „regional“ ist, meiner Meinung nach, kein Kunstgriff sondern durchaus nachvollziehbar.

Schließlich ist die Größe einer Region Auslegungssache.

Aus meiner Sicht ist der Bezug regionaler Produkte auch für den Hausgebrauch von grundsätzlicher Bedeutung. Nicht nur wegen der kürzeren Transportwege, die weniger Umweltbelastung bedeuten, sondern vor allem wegen der transparenten Nahrungskette. Der Erzeuger verliert die Anonymität, erhält einen Bezug zum Verbraucher und die Einnahmen können in der Region reinvestiert werden.

Als weitgereister Gourmet bin allerdings auch für international ausgerichtete Restaurants offen. Ja, diese gehören sogar zu meinen besonders bevorzugten Zielen. Es ist halt die Vielfalt, die unglaubliche Auswahl an Küchenrichtungen, die das Ganze so spannend und interessant macht.

Heute lassen wir uns nun auf Küchenchef Micha Schäfer ein, der uns trotz dieser erheblichen Selbstbeschränkung eine stimmige und kreative Menüfolge kreiert:

Ein Menü, saisonal und regional ausgerichtet. Die Qual der Wahl, wie in vielen Restaurants noch immer üblich, bleibt uns erspart. Das Fotografieren der Speisen wurde mir auf Nachfrage gestattet.

Müritz Aal / Grünkohl Domäne Dahlem

Chicoree / Rose Rosenhof 

Aufguss von Apfel & Minze Grete Peschken

Alfredo Sironi Dinkel-Sauerteigbrot & Rohmilchbutter Erdhof Seewalde 

Rote Bete / Petersilie Domäne Dahlem 

Ikejime Müritz Saibling / Zwiebeln Restaurant „Ernst“ Style

Hecht / Maronen-Röhrling Müritz Fischer

Ei / Senf Fläminger Genussland

Bentheimer Buntes Schwein Potsdamer Sauenhain

Ei / Malz Rhön-Malz 

Mohn Fläminger Genussland

Wegzehrung 

Canele Imkerei Mädelfleiß

Vielleicht noch ein Wort zum „Tresenrestaurant“.

Eine neue Generation von Gourmets, ich weiß noch nicht einmal, ob diese sich selbst so bezeichnen würden, sitzt lieber an blanken Holztischen und ist glücklich darüber, nicht in einem „Gourmettempel“ zu sitzen. Ein Konzept, welches gerade in Berlin besonders gut läuft. 

Am Tresen des Nobelhart & Schmutzig kann man Service und Küchencrew beim geschäftigen Treiben zusehen und erlebt scheinbar eine ungezwungene und entspannte Atmosphäre. Die Entspannung findet schnell ihr Ende, wenn drei Sitze nebenan Unterhaltungen in einer Lautstärke wie in einer Bierschwemme geführt werden und die Ungezwungenheit hört auf, wenn ein Gast wegen eines Handyfotos zur Raison gebracht wird. Die Verbotsschilder an der Eingangstür sind, so hat es den Anschein, Programm.

Der Service ist professionell und freundlich. Gastgeber Billy Wagner ist umtriebig wie eh und je, scheint aber einen Teil seiner Unbekümmertheit verloren zu haben. Der Erfolg fordert anscheinend seinen Preis, auch in des Wortes wahrer Bedeutung. Ab Mai steigt der Menüpreis jeden Donnerstag, Freitag und Samstag und vor Feiertagen. Am Dienstag und Mittwoch bleibt alles beim Alten. 

FAZIT:

Mit großer Ernsthaftigkeit wird nach dem optimalen Geschmackserlebnis gesucht und eine puristische Küche präsentiert. Die Tellerchen werden mit Leidenschaft und Hingabe annonciert, doch ein Aromenfeuerwerk darf man nicht erwarten. Es schmeckt das Produkt so wie es sein soll und das ist das eigentliche Vergnügen. 

Persönlich neige ich zwar anderen Küchenstilen zu, doch einen vergnügten Abend im Nobelhart & Schmutzig gönne ich mir gerne von Zeit zu Zeit.

Kommentare

2 Antworten zu “Nobelhart & Schmutzig (*)”

  1. Hamburger sagt:

    Ach Herr Steinmann,
    ja, man will mit der Zeit gehen, auch ich gehe manchmal aus Interesse ins Ernst oder Nobelhart, aber eben nicht des Genusses wegen.
    Wenn das unsere zukünftigen Gourmets (vulgo: foodies) sind, die sich mit so etwas zufriedengeben und z.B. Schnepfendreck gar nicht mehr kennen, was auch „brutal lokal“ wäre, ists vorbei mit der Haute Cuisine.
    Beste Grüße

  2. B. Steinmann sagt:

    Wenn Ihr Weg nur aus Interesse ins Ernst oder Nobelhart führt und weniger aus Gründen des Genusses, dann zeigt es doch, dass auch Sie an Vielfalt Vergnügen haben.
    Das, was man persönlich unter „Genuss“ oder „Gourmet“ subsumieren würde, findet man eben in anderen Restaurants.
    Beste Grüße
    B.St.

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