Restaurant CODA (**)

Wenn ich einen Bericht über einen Restaurantbesuch schreibe, beginne ich grundsätzlich mit der Beschreibung der Umgebung des Restaurants, vielleicht etwas über die Geschichte der Location und auf jeden Fall erwähne ich den Werdegang des Kochs.

Bei Restaurants in Berlin muss man vor allem an die Berliner Leser denken. Da werden gerne bürgerliche Gegenden, beispielsweise die City-West, als etwas morbide beschrieben, man atmet förmlich den Geist der Vergangenheit ein. Am Prenzlauer Berg ist alles hipp und toll. Da steppt der Berliner Bär. Kommt man in eine Gegend wie Neuköllns Norden, darf man nicht vergessen, das Wort trendig zu benutzen. Denn das ist er, der Neuköllner Norden, trendig.

In diesem trendigen Neuköllner Norden liegt das Restaurant CODA von René Frank. Darüber gibt es viel Bemerkenswertes zu berichten, angefangen mit der Tatsache, dass wir den Altersdurchschnitt der Gäste an diesem Abend mächtig nach oben katapultiert haben. Umgeben von Millennials nahmen wir unsere harten Stühle in Beschlag. Ein Gefühl, das mich an das Bayreuther Opernhaus erinnerte.

Lustigerweise habe ich gelesen, dass das Restaurant von außen betrachtet eher unscheinbar wirkt. Das mag vielleicht so sein, wenn man in der Gegend  wohnt. Doch wer aus dem eher „ländlichen“ Berlin kommt, hat nicht so  einen geschulten Blick und eine Vorliebe für künstlerische Ausdrucksformen wie Graffiti. Bevor ich beispielsweise die Schönheit und die kraftvollen Aussagen beim Aufbrechen trister Betonwände bewundern kann, muss ich erst den Gedanken an illegale Aktivitäten und Sachbeschädigung unterdrücken. Doch als ein in Berlin lebender Großstädter ist man einiges gewohnt. Das können Sie mir glauben. Insofern ist „unscheinbar“ Ansichtssache.

René Frank ist uns nicht unbekannt. Im Osnabrücker La Vie hatten wir bereits mehrfach das Vergnügen. Doch sahen die Desserts damals noch etwas anders aus, sollten diese doch auch das vorangegangene Menü gekonnt abschließen. Im „Akelarre“ in San Sebastian haben wir uns wohl verpasst. 

Entscheidend für seinen Stil dürfte aber sein Engagement im „Nihonryori RyuGin“ in Tokio und im „Kikunoi“ in Kyoto gewesen sein, ausgezeichnet mit jeweils drei Michelinsternen.

Auf die Schwierigkeiten durch die Coronakrise habe ich schon hinreichend hingewiesen. Hier haben es Bars und Restaurants besonders schwer, auch wenn manche Maßnahmen der Landesregierungen schneller von den Gerichten kassiert werden, als man „Infektionsschutzgesetz“ sagen kann. Fallsterblichkeit, R-Wert und Durchseuchungsrate, jetzt die Inzidenz, Corona bildet. Ärgerlich finde ich die sogenannte „Mund-Nasenbedeckung“, die das Personal den ganzen Abend tragen muss, was die Kommunikation erschwert.

Auch der Gast muss das „Instrument der Freiheit“ (Söder) tragen, wenn er im CODA die Unisex-Toilette aufsucht.

Bevor man sich auf den Besuch des CODA einlässt, sollte man seine tradierten Vorstellungen von Desserts über Bord werfen. Wer ein „Nachtisch-Menü“ erwartet wird überrascht sein, ein eigenständiges Menü zu erleben. 

Bilder zum Vergrößern bitte anklicken.

Amuse Gueules:

GUMMIBÄR 

Rote Bete im eigenen Saft gegart

Mit dem Blick auf das oben liegende Gummibärchen verschwinden jedwede Zweifel an der Handarbeit.

CHURRO 

Miso-Dip, getrocknete Sojasauce

EISKONFEKT 

Sesamtaler in Schokolade getaucht, Dulse-Alge

Umami-Geschmack

BEEFCAKE

Rindermark mit Süßkartoffel und Mandeln,

inspiriert von einem persischen Pudding.

Die Amuse Gueules sind trotz des leicht erfassbaren Eindrucks von komplexem Geschmack. Die Ausarbeitung von Details wird auch das nachfolgende Menü prägen.

Die einzelnen Gänge werden von Getränken begleitet, die zur Komplettierung der Speisen beitragen.

GELBE TOMATE, KICHERERBSE, VERNA ZITRONE

Das Kichererbenmousse ist hervorragend. Zarte Säurenoten koalieren mit dem ebenfalls gereichten Getränk. Getrocknete Tomaten und Merinque sollte ich ebenfalls noch erwähnen.

APRIKOSE

LAGERKORN „CIGAR SPECIAL“, Feinbrennerei Sasse 

BRAND VON DER VINSCHGER MARILLE , Mühle 4, Kempen

WASSERMELONE, NORIALGE, TAGGIASCAOLIVE

Melonenkuchen, zwei frische hauchdünne Scheiben Melone, Meloneneis mit Norialge, Norialge als Crunch. Spürbare Umaminoten umspielen die Melone, die in mehreren Variationen die Szenerie beherrscht. 

JUNMAI GINJO SAKE „LEI“ 

Katsuyama, Miyagi, Japan 

SHERRY PEDRO XIMENEZ Valdespino El Candado, Spanien

Gerne auch einmal ein paar Worte zum Getränk. 

Per Gesetz ist die Einteilung von japanischen Premium Sake in Klassen vorgeschrieben. Junmai Ginjo unterliegt dem Reinheitsgebot. Die Zutaten sind Wasser, Reis, Hefe und der Koji Pilz. Der Reis wird hoch poliert gebraut. Die Körner werden auf bis zu 60% Ihrer ursprünglichen Größe reduziert, die anschließende Fermentation findet bei niedrigen Temperaturen und über einen längeren Zeitraum statt. Das Ergebnis ist ein körperreicher Allrounder.

WAFFEL RACLETTE, JOGHURT, MAIS, SALZGURKE

Joghurt-Dip mit geraspelter Salzgurke, Waffel aus Maismehl in Raclettekäse

Tolle Waffeln.

PFIRSICH

PFIRSICHBRAND Brennerei Liebl

SPARKLING SAKE JUNMAI „AWASAKI” Fukuju Brewery, Japan

 

KNUSPRIGE SOJAMILCH, KIWI, HIMBEERE

Sojamilchchip

MIRABELLE VON NANCY Mühle 4, Kempen 

ABELHA CACHAÇA Fazenda Vaccaro, Bahia, Brasilien 

VERJUS Weingut Loimer, Kamptal, Österreich

KAROTTENKUCHEN, MIMOLETTE, APRIKOSE, KOKOSÖL

Rüblikuchen aus Karotte und Haselnuss, dazu Mimolette als Chip, Dip und gehobelt. Die Aprikose wurde mit Kern eingelegt. 

 

LA COSA / THE THING Bodegas Maestro Tejero, Spanien 

ELS BASSOTS Celler Escoda Sanahuja, Spanien

GEGRILLTE FEIGE, PIEMONTESER HASELNUSS, ANCHOVIS

Die Feige wurde über Buchenholz gegrillt (vom letzten Köhler in Deutschland). Ein köstlicher Haselnuss-Cookie wird vom Eis geschmacklich unterstützt. Dazu kommen flüssige Anchovis. Wow.

Dieser Gang wurde von einem philippinischen Gericht inspiriert.

 

JUNMAI SAKE VINTAGE 2017 Kirin, Niigata, Japan 

TAWNY PORTWEIN 10J Quinta do Infantado, Porto, Portugal

AUBERGINE, WILDE PEKANNUSS ,APFELBALSAMICO, LAKRITZSALZ

Ein Signature dish mit reichlich Zutaten. Die Pekanuss kommt in Form eines Pekanusstalers, als Chip, Eis und Crumble. Dazu gibt es eine Auberginenscheibe, Essigtupfen und Essigtrauben

Die Essignoten waren bemerkenswert geschmackvoll.

OOLONG TEE „ROUGUI“ Mingjian, Nantou, Taiwan

SHERRY OLOROSO César Florido, Chipiona, Spanien

ECHTER KORIANDER Georg Hiebl/FMK

NACIONAL KAKAO, ZWETSCHGE, WEIDESCHWEIN

Gepuffte Schweinehaut, Schokoladenmousse und Chip. Zwetschgeneis. Die Schokolade kommt aus Ecuador. Da über Pflaumenholz geräuchert wurde, werden dezente Rauchnoten, spürbar. Das Gericht ist insgesamt süß und leicht. 

LAMBRUSCO GRASPAROSSA Corte Manzini, Italien

MACVIN DU JURA Domaine Pignier, Frankreich

SINGLE MALT WHISKY „CEOBANACH“ Bunnahabhain, Islay, Schottland

CHOCOLATE

 

Getränke und Service

Wir waren uns beim Betreten des Restaurants einig, dass wir die begleitenden Getränke nicht nehmen, da wir befürchteten, zuviel Alkohol konsumieren zu müssen. So sind wir ältere Herrschaften nun mal. Nachdem wir darüber aufgeklärt wurden, dass der Alkoholanteil an den Getränken nur in homöopathischen Dosen zum Einsatz kommt, die Getränke ohnehin nur wenig Volumen haben und für die Speisen nahezu unverzichtbar sind, änderten wir unsere Meinung.

Tatsächlich muss man die einzelnen Gänge mit den sie begleitenden Getränken als ein Ganzes sehen. Und es funktioniert.

René Frank erzählte uns später noch, dass anfangs die Getränke die dreifache Größe hatten und den Gedanken der Dessert-Bar so verwirklicht wurde. Doch mittlerweile gibt es auch eine kleine, feine Weinkarte, aus der wir einen

2010er Riesling, Ürziger Würzgarten 

Großes Gewächs, Alte Reben, Dr. Loosen

auswählten.

Der Service insgesamt ist locker, freundlich und zurückhaltend.

 

FAZIT

René Frank spielt mit Texturen und Temperaturen. Einzelne Produkte werden gerne in verschiedenen Variationen kreiert. Nüsse finden ebenfalls gerne Verwendung.

Die Getränke passen vorzüglich zu den Speisen. Das habe ich bereits ausgeführt. Die Gerichte sind laktosefrei und werden ohne Weißmehl oder weißen Zucker hergestellt.

Dass sich in einem Dessert-Restaurant Desert an Dessert reiht, ist wahrlich kein Anlass zur Verwunderung. Das Menü ist allerdings, um es vereinfacht auszudrücken, ein vollwertiges Menü. Man kann mühelos von der Vorspeise über das Hauptgericht bis zum eigentlichen „Nachtisch“ reden. Dennoch würde ich das Konzept nicht als ungewöhnlich bezeichnen. Die richtige Bezeichnung lautet: Großartig.

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