„Es ist sinnlos, dem Schicksal zu grollen; denn es nimmt keine Klagen an.“
(Marc Aurel)
Ein Besuch im Restaurant Schwarzwaldstube des Hotels Traube Tonbach wird immer von großer Vorfreude begleitet. Diese beginnt bei mir bereits mit der Buchung des Tisches. Der fürchterliche Brand des Stammhauses und mithin auch des Restaurants liegt nun schon über drei Jahre zurück und ich hatte eigentlich nicht vor, dieses Ereignis noch einmal zu thematisieren. Allerdings hat der Südwestrundfunk (SWR) mit seiner 5-teiligen Reihe über den Brand, die Corona-Krise bis zum Neubau des Stammhauses und der Wiedereröffnung der Schwarzwaldstube das Thema eindrucksvoll in Erinnerung gebracht.
Nun bin ich kein Filmkritiker, was mich aber nicht hindert meinen Eindruck nach mehrmaliger Betrachtung der Dokumentation bzw. des „Dokutainments“ zu schildern. Den Schrecken jener Nacht im Januar 2020, das Entsetzen der Familie Finkbeiner mag man sich vorstellen können, dem Betrachter der Doku erschließt sich dies nicht mehr, schließlich kennen wir das Ende der Geschichte bereits. Außerdem zeigt sich, dass die Verantwortlichen schon sehr früh an Wiederaufbau und Schadensbegrenzung dachten und die Zukunft fest im Blick hatten. Anschaulich wird geschildert, wie die Familie Finkbeiner an der Beseitigung des Schadens und vor allem an der Gestaltung der Zukunft arbeitet.
(Fotos zum Vergrößern bitte anklicken)
An das „temporaire“ erinnert noch der Namenszug an der Garageneinfahrt.
„Nach der Pest kam die Cholera“ hört man an einer Stelle von Heiner Finkbeiner, dem Patron des Unternehmens. Gemeint ist die unsägliche Coronazeit mit den bekannten Einschränkungen, die die Rahmenbedingungen für den Wiederaufbau weiter negativ beeinflussten. Nun ja, der weitere Fortgang ist bekannt. Mit dem „temporaire“ gelang eine Übergangsregelung für die beiden Sternerestaurants und mit der Wiedereröffnung der „Schwarzwaldstube“, des „1789“ (früher Köhlerstube) und dem „Schatzhauser“ findet nicht nur die Dokumentation sondern auch eine jahrelange Anstrengung ihr Ende. Alles anzusehen in der ARD-Mediathek unter „Verbrannte Sterne“.
Doch nun zur neuen Schwarzwaldstube.
Besonders viel hat sich nicht geändert. Sucht man den Eingang ist alles noch so ungefähr wie es früher war. Die Fenster sind größer, die Aussicht natürlich unverändert und die damalige Holzdecke ist einer neuen Holzdecke gewichen. Der Raum ist höher, die Holzdecke weniger drückend, alles wirkt lichter und moderner. Vielleicht ein bisschen zu sehr zeitgeistiges Understatement.
Entscheidend ist aber wie immer das, was auf den Tellern vorgefunden wird. Eine allzu detaillierte Bewertung einzelner Gänge erspare ich mir nach so vielen Besuchen. Schließlich wird die Aneinanderreihung von Superlativen, und nichts anderes hat die Küche Torsten Michels verdient, mit der Zeit etwas langweilig.
Die Küche grüßt, wie üblich, deutlich wahrnehmbar mit Crescendo, zumindest wenn man die ersten Miniaturen von rechts nach links verzehrt.
Muhammara, Walnuss, Linsen-Cracker
Lachspraline, Dijonsenf, Imperialkaviar
Hamachi, Misomayo, Algenknusper, Stachelbeermarinade
Tatar vom pommerschen Rind, Wasabi, Gartenkresse
Der Blick auf die Küchengrüße lässt bereits die handwerkliche Präzision erahnen, während der Genuss der Miniaturen das feine Gespür der Küchencrew für Aromen und Texturen bestätigt.
Torsten Michels Küche wird gerne klassisch französisch mit eigenständigem Stil genannt. Viele Gourmets drücken damit ein Lob aus. Gleichwohl wird man Michel damit keineswegs gerecht. Auch sein Ideenreichtum, seine Kreativität, sein Wissen und Gefühl was zusammen passt, was nicht fehlen darf und was eventuell zu viel wäre, hat ihn an die Spitze der Kochkünstler gebracht. Und als Küchenchef ist man nicht einfach so an der Spitze, man muss es Jahr für Jahr beweisen, man darf nie nachlassen.
Das ist bei weitem noch nicht mein Fazit. Das kommt am Ende und wird viel kürzer, dafür etwas kecker ausfallen.
Variationen von der Karotte, Karotteneis, Sud mit Passionsfrucht, Öl aus Karottengrün als kleine Tupfen, Thymiancracker und Macadamianusscreme
Gebeizter Thunfischbauch, Thunfischrücken und Thunfischschmalz, Imperialkaviar, Croutons vom Thunfischspeck, Artischocken mit Sardellen-Kapern-Marinade, getrocknete Poweraden, Lauchringe, abgeschmeckt mit einem Hauch Soja.
Mosaik von marinierter Entenleber, Wachtelbrust und Kalbsbries in Madeiragelee, knuspriger Petersiliensalat in Trüffelvinaigrette
Bretonischer Hummer vom Holzkohlengrill mit Muskat und Macis aromatisiert, grüner Spargel, Passionsfrucht und Paprikachutney, Kokosnussnage
Hummer am Zitronengrasspieß bzw. „Schaschlik“, wie scherzhaft annonciert wurde. Wir waren uns am Tisch uneinig darüber, ob der Spieß unbedingt sein musste. Tja, wenn man sonst nichts zu nörgeln hat.
Gebratene Wolfsbarschschnitte mit krauser Glucke und Lotuswurzel, Mousselinsauce mit gerösteten Barschkarkassen, Bonitoflocken und Sojasauce
Rehmedaillons mit Wachholderkruste gratiniert, geschwenkte Pfifferlinge und glasierte Ananas, Jus von geschmorter Rehschulter mit Sambalita
Meiner zunehmenden Abneigung gegenüber Rehgerichten hat Torsten Michel mit seiner Kreation ein Stoppschild entgegengesetzt. Dabei waren es zwei eher unbedeutende Kleinigkeiten, die mich mit dem Reh versöhnten. Die aus tropischen Gebieten stammende Obstpflanze Ananas und eine Nudel aus Sellerie hatten es mir angetan. Natürlich muss man das Gericht als Ganzes betrachten. Das Reh kommt schließlich mit stattlicher Begleitung. Zur Sellerienudel gesellt sich noch ein Selleriepüree und etwas Entenleber erfreute mich besonders. Der exotisch fruchtige Maracuja Likör Sambalita, sorgte für ein „Südsee-Feeling“, wenn ich mal Anleihen aus der Werbung nehmen darf.
Vordessert: Himbeer-Soja-Sorbet
Herzkirschen in Sherrysud auf Schokoladenbiskuit und Zimtsablé, Holunderweineis und Sauerkirschganache
Schokoladensoufflé „Grand Cru Komuntu“ mit Sauerkirschencoulis und Kirschkompott, sowie ein Rahmeis „Lait Cru“ mit Kirschwasser aromatisiert und karamellisierte Haselnüsse
Mangosorbet mit indischen Gewürzen auf Muscovado-Savarin, salziges Erdnusskaramell und geeister Espresso
Die Patisserie wollte uns verwöhnen, hat uns quasi ein Vier-Gänge-Menü beschert und den Küchenchef persönlich als Servierkraft losgeschickt. Eine ebenso freundliche wie respektvolle Geste gegenüber den Gästen. Das Dessert insgesamt erinnerte mich an Pierre Gagnaire und sein berühmtes „Grand Dessert“. Jedenfalls ist der Patisserie damit ein echtes Meisterstück gelungen.
Und welch ein Schokoladensoufflé! Die Aufnahmefähigkeit meines Magens wurde ausgereizt. Oder wie wir Pfälzer in der Kindheit bei unseren Lieblingsspeisen bemerkten: „Da müsste der Buckel noch Bauch sein“.
Service
Nina Mihilli ist nicht nur Maître der Schwarzwaldstube sondern auch aktuelle Gastgeberin des Jahres des Restaurantführers Gault&Millau. Eine Auszeichnung die ihrem Vorgänger David Breuer und dessen Vorgänger Ansgar Fischer ebenfalls bereits zur Ehre gereichte.
Der Service insgesamt ist freundlich, ungezwungen, einem Restaurant dieser Klasse angemessen.
Naturgemäß sind die Kontakte zwischen Service und Gast eher kurz und durch viele negative Beispiele in der Gastronomie hat sich mit der Zeit ein eher ambivalentes Verhältnis zum Berufsstand einer Servicekraft herausgebildet. Es ist sozusagen ein soziales Vakuum entstanden. Der perfekte Service, den wir alle so herbeisehnen, ist rar.
In der Schwarzwaldstube kennt man solche Problemchen eher nicht. Die Ungezwungenheit, die entspannte Atmosphäre, die Leichtigkeit und Aufmerksamkeit der Servicekräfte tragen einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen des Abends bei. Wobei es meiner Meinung nach unerheblich ist, ob die Damen das Trachtenkleid gegen ein normales Kleid getauscht haben. Allein die Sneaker, offensichtlich ein Must-have der zeitgemäßen Garderobe, wirken an dieser Stelle etwas befremdlich.
Wein
2018 Grauburgunder Eichberg GG, Salwey
Den charaktervollen und fordernden Grauburgunder haben wir uns selbst ausgesucht. Leicht und mit Substanz in der Tiefe hatten wir damit einen ebenbürtigen Begleiter zu Michels Speisen ausgesucht.
Zum Hauptgang empfahl Stéphane Gass einen
2015er Chambolle Musigny 1Cru Les Fuées, Olivier Guyot.
Schöne Aromen von Himbeeren und Erdbeeren zeigten sich am Gaumen körperreich. Ein perfekter Begleiter zum Reh.
Stéphane Gass ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Schwarzwaldstube und das schon über Jahrzehnte. Seine unzeremonielle Lockerheit, sein unaufdringliches Einfühlungsvermögen, seine Treffsicherheit bei der Auswahl der Weine und die Lösung aromatischer Herausforderungen, die Michels Küche manchmal fordert, zeichnen ihn aus.
Fazit
Was will man hier noch nach Worten suchen. Was könnte der Schwarzwaldstube gerecht werden? Lassen Sie mich ein Zitat von Lee Trevino (ehemaliger Profigolfer) etwas abgeändert wiedergeben:
Ich meine, das ist das größte Vergnügen, welches man angezogen erleben kann.
Fotos: Bernhard Steinmann
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