Restaurant Sosein (*)

Im letzten Quartal des Jahres bin ich kreuz und quer in der deutschen Provinz unterwegs gewesen. Fast zwangsläufig führte mein Weg auch nach Heroldsberg in Franken. Ziel war das Restaurant „Sosein“ von Felix Schneider.

Felix Schneider war u.a. als Küchenchef im Nürnberger Restaurant Aumers la Vie und auf der Burg Wernberg tätig.

Es gibt nur ein Menü, das bei unserem Besuch den Namen “Vollreif & Vergehen” trägt. Eine Anspielung auf den Herbst, die auf eher kräftige und erdige Töne hindeutet. 

Regionale und saisonale Produkte bilden den roten Faden im Menü. Das ist jetzt nicht sonderlich neu. In Berlin feiern die streng regional ausgerichteten Restaurants tolle Erfolge auch wenn, meiner Meinung nach, die kulinarischen Glücksmomente sehr rar gesät sind.

Die Einrichtung des Restaurants ist eher nüchtern und zweckmäßig. So hatten wir es auch erwartet.

Der Empfang ist herzlich. Schnell nehmen wir unseren Platz ein.

Und schon geht es los:

Spinatblatt mit Croutons, hergestellt aus einem Schwefelporling, Jostabeeren und Schnittlauch.

Ein scharfes Vergnügen.

Endiviensalat und Hasenpfeffer

Das nenne ich mal einen kreativen Einfall. Schweineblut und Leber werden als Sauce gebunden. Angereichert mit Himbeeressig und pulverisierten Himbeeren.

Waldorfsalat „Fettwaldorf“

Eine gewöhnungsbedürftige Bezeichnung. Es handelt sich zunächst um den Rücken vom Mangalicawollschwein, der sechs Monate trocken reifte und bei 400 Grad mit dem Bunzenbrenner abgeflämmt wurde. Hinzu kommt eine Apfelscheibe eines namenlosen Apfels, der pinkfarben und recht säuerlich ist.

Das Ganze wird mit Apfelessig mariniert, obenauf kommen getrockneter Sellerie und geriebene Walnüsse.

Die Schlachtschüssel ist ein typisch fränkisches Gericht, auch wenn die vor uns stehende Kreation eine eigene Interpretation ist.

Die Basis ist Blaukraut, hinzu kommt sauer vergorene Milch, die wieder eingekocht wurde und das Bamberger Hörnle, eine alte Kartoffelsorte aus Franken. Die Leber vom Mangalicaschwein wurde gepökelt und wird gerieben aufgetragen.

Brot und Butter

Brot gebacken wie vor 300 Jahren. Ganz ohne Würfelhefe, ausschließlich mit Sauerteig, der 90 Stunden gegangen ist. Diese Zeit muss man immer an die äußeren Gegebenheiten anpassen, wobei Wetter und Umgebung immer eine Rolle spielen. Der Vorteig muss kalt gehen. Ein wunderbares Weizenbrot, sehr schmackhaft.

Dazu gab es Sauerrahmbutter, Keulenschinken, gepökelten Schinken und Lardo vom Fettschwein. Kochschinken und Rückenspeck mit dem Geschmack von Gänsestopfleber.

Tomate, Flusskrebskaramell

Felix Schneider baut eine Vielzahl von Tomaten unterschiedlicher Sorten an.

Auf dem Teller finden wir eine „Greenshine Tomate“, eine „Evergreen Tomate“ und eine „Big Jumbo Tomate“. Ob die Blüten und Kräuter allesamt für den Geschmack notwendig sind, glaube ich nicht. Es gehört aber zur Stilistik der Kreation, Farbtupfer zu setzen. Begonienblüten, Kapuzinerblüten und Kräuter ergänzen das Gericht.

Hinzu kommt Austernkraut, eine Basilikumblüte, ein peruanisches Korianderblatt und ein hiesiges Korianderblatt. 

Die Flusskrebssauce, ein reduzierter Fond, gesalzen und mit Sauerrahmbutter gebunden, wird aus Flusskrebsen aus der Gundlach zubereitet. Es handelt sich dabei um einen amerikanischer Flusskrebs, der die deutschen Krebschen verdrängt hat.

Artischocke, Sonnenblumen

Die Artischocke wurde von zwei Seiten „angebruzzelt“. Hinzu kommt eine angedickte Salatsauce aus Sonneblumenkernen und geriebenen Zwiebeln, verziert mit Sonnenblumenblüten.

„Waldspaziergang“

Pilze, Brühe, Douglasie, Rinderconsommee mit Steinpilzen und Maronen. Getrocknete und frische Pilze aus der Oberpfalz. Dabei handelt es sich um Totentrompeten und einen Semmel-Stoppelpilz.

Für das Douglasienöl werden ganz junge Trieben von Fichtennadeln in Öl eingelegt.

Gedämpfter Kohl, Eisbein, Kaviar

Konserviertes Gänseeisbein in einer Beurre blanc und Forellenkaviar. Ein durchaus deftiges Gericht. Kräftig und intensiv im Geschmack.

Wild, Miso

Keule, Niere und Hüfte vom Reh. Quittenkefir (Wasserkefir und Quitte), Flaschengärung (ein Jahr lang in der Flasche). Das Reh war ein Jahr alt und das Fleisch reifte 21 Tage lang.

Kiwi, Petersilie

Kleine Kiwibeeren, die an Stachelbeeren erinnern. Der Bezug zur Region besteht darin, dass die Kiwifrucht vor Ort angebaut wird. Die Früchte werden mit Kürbiskernöl und Petersilieneis serviert.

Gelbe Frucht

Annonciert als Indianerbanane. Angegossen mit Most und verfeinert mit einem Kerbelsorbet.

Baba

3 Sorten alter Birnen von Johannes Haas, ein sehr bekannter Obstbauer aus der Region.

Wein und Service:

2017 Berg 1, Weisser Burgunder, Terrassen, Zehnthof Luckert

Claudio Unali begleitet uns durch den Abend, unterstützt von der Küchencrew und annonciert ausführlich die einzelnen Gänge. Seine Begeisterung für das Menü färbt unweigerlich auf uns ab. 

FAZIT:

Felix Schneider baut Gemüse und Kräuter selbst an und verortet sich stark in  regionaler und saisonaler Ausrichtung. Ein Avantgardist ohne aufdringliches Hipster-Gebaren, freundlich, bescheiden und unglaublich engagiert. 

Ab und zu taucht er mit einem Teller aus der Küche auf und annociert seine Kreationen und die dazugehörigen Ideen. Seine Begeisterung über die Produkte und vor allem die Produktqualität, seine Erläuterungen über das Zustandekommen eines Gerichtes, reißt uns mit.

Mit wenigen Zutaten, aber mit vielen Ideen und Kreativität wird ein Menü zusammengestellt, das in seiner Einfachheit besticht ohne banal zu wirken und leicht nachvollziehbar ist.

Regionalität wird jedoch nicht zum Selbstzweck. Nachhaltigkeit nicht zum Dogma. Felix Schneider überzeugt mit Argumenten, Geschmack und Ideen bei völligem Verzicht auf Belehrung und Umerziehung.

Weiter so!

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