Die Gemeinde Baiersbronn, welche ich besonders aus kulinarischer Sicht schätze, ist nach der Landeshauptstadt Stuttgart die flächenmäßig zweitgrösste Gemeinde in Baden-Württemberg und zählt ca.16.000 Einwohner. Im Teilort Tonbach findet man das Hotel Traube, das mit dem Restaurant Schwarzwaldstube eine der Topadressen für Gourmets in Europa beherbergt, welches im Fenster bescheiden mit dem Hinweis „Französisches Restaurant“ wirbt. Seit 1992 erhält die Schwarzwaldstube unter der Leitung ihres Chefkochs Harald Wolfahrt drei Sterne des renommierten Restaurantführers Guide Michelin.
So gaben wir uns an diesem Abend voller Vorfreude erneut in die erfahrenen Hände von Harald Wohlfahrt und seinem Team um Sommelier Stéphane Gass, Chef-Patissier Pierre Lingelser und Restaurantleiter Ansgar Fischer.
Der Empfang und das Geleit in das Restaurant waren routiniert, freundlich, entsprechend dem Niveau des Hauses.
Unsere Wahl fiel auf das große Degustationsmenü.
Zunächst gab es dreierlei vom Ochsen. Eine großartige Einstimmung auf das Kommende.
Mit Spannung erwarteten wir den für die Schwarzwaldstube typischen viergeteilten Amuse-Gueule-Teller, der uns bisher immer überzeugte und der jeweils ein bestimmtes Produkt in den Vordergrund stellte, welches in verschiedenen Variationen dargeboten wurde. Diesmal wartete er mit überraschenden vegetarischen Kompositionen auf. Daher verdient er die gleiche Beachtung wie die regulären Gänge des erstklassigen Menüs. Für das bessere Verständnis beginne ich links oben und fahre im Uhrzeigerinn fort.
Es beginnt mit einer Hokkaidokürbisschnitte mit Kartfoffelmousse.
Interessanterweise wurde diese Kürbissorte erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch amerikanische Agrarberater auf die zweitgrößte Insel Japans verbracht. Das typische Herbstgemüse wird mittlerweile auch in Europa angebaut.
Gehen wir weiter zu Gyoza Raviolo mit Steinchampignonfüllung auf Parmesanschaum.
Bei dem als „Japanische Ravioli“ bekannten Gyoza handelt es sich um eine ursprünglich aus China stammende, mittlerweile in Japan sehr beliebte Speise. Der Vergleich mit einer Variante der Maultasche drängt sich mir auf. Die Füllung war grandios, aromatisch ausbalanciert.
Es folgt grünes Paprikagelee, rotes Paprikamousse, Crissini mit Wasabischaum.
An dieser Stelle sieht man deutlich, wieviel Aufwand mit diesen „Kleinigkeiten“ verbunden ist. Gelee, Mousse, Crissini, Schaum, großartige Miniaturen, texturell unterschiedlich, optisch ansprechend und blitzschnell verzehrt.
Und schließlich Tomatengeleeterrine, provenzialisches Gemüse, Parmesanchips und Frischkäseschaum. Für mich, der Tomaten immer als Zierpflanzen sah, ein Gedicht. Herrlich aromatisch, stimmig.
Insgesamt äußerst gelungene Kompositionen, die durchaus den Eintrag in die Speisekarte verdient hätten.
Nun zur Terrine von geräucherter Taubenbrust und Gänseleber in Gelee von altem Madeira, Artischockensalat und Pinienkernvinaigrette. Dazu wurde selbstverständlich Brioche gereicht.
Taube und Gänseleber harmonierten prächtig und wurden durch das Gelee ideal begleitet. Der Artischockensalat, deutlich mehr als Beiwerk, verbreiterte das Aromenspektrum erheblich, während die Pinienkerne bzw. die Vinaigrette trotz ihrer wahrscheinlichen Herkunft aus dem Mittelmeerraum, mit leichtem Geschmack von Harz die Nord-Schwarzwälder-Umgebung in Erinnerung brachte.
Gegrillte Langustinen auf Kartoffelemulsion mit schwarzem Trüffel, Korailglace.
Feinste Grillaromen perfekt gegarter Langustinen, gepaart mit schwarzem Trüffel stehen für die gewohnte Klassik. Die Kartoffelemulsion öffnet dabei die Tür zur Moderne ohne dieser komplett zu verfallen. Es ist ohnehin bemerkenswert, wie es Harald Wohlfahrt gelingt, nach einer langen Reihe von Jahren auf höchstem Niveau nicht der Routine zu verfallen sondern seine Stilistik weiter zu entwickeln und stets neue Maßstäbe zu setzen.
Bretonische Rotbarbe mit Kapernpesto und Knoblauchschuppen auf Paprikakompott, Escabechesud. Das Fischlein überzeugte durch den perfekten Garpunkt, während Kapernpesto und Knoblauchschuppen Würze und Aroma optimierten. Durch das Paprikakompott wurde das Aromenspektrum um eine zart süssliche Variante erweitert.
Die kleinen wirbellosen Begleiter rundeten ab.
Zweierlei vom Milchkalb mit Steinpilzen, Gewürztomaten und Estragonsauce.
Hier muss ich einfach mit dem Bäckchen beginnen. Zart zerfällt es und übertrifft noch das Filet. Das Zusammenspiel aller Komponenten jedoch, offenbart erst die Harmonie dieses Gerichtes.
Der Käse vom Wagen wurde in gewohnter Qualität und Auswahl angeboten. Dem reichhaltigen Menü angemessen, habe ich hier nur zurückhaltend geordert.
Variation von Macaé-Schokolade mit Kalamansi-Coulis und Mirabellensorbet.
Kunstvoll arrangiert, überzeugend das Coulis vom Zitrusfrüchtchen,
erfrischend das Mirabellensorbet und köstlich die Schokolade, die, sofern ich richtig unterrichtet bin, mit einem Kakaoanteil von 62 % aufwartet.
Es ist der Verdienst von Chef-Patissier Pierre Lingelser, dass die Desserts in der Schwarzwaldstube das Niveau der zuvor genossenen Speisen halten. Häufig habe ich nämlich in Restaurants erleben müssen, dass den Desserts die notwendige Sorgfalt versagt blieb. Zu einem großartigen Menü gehört meiner Meinung nach ein ebensolches Dessert als Abschluss, sozusagen frei nach Ovid: „ Finis coronat opus“.
Doch vor dem Fazit kommt noch die geeiste gestürzte Krem mit Vanille-Perlen und frischer Mango, bei der die Patisserie erneut auftrumpft.
FAZIT:
Wahrscheinlich reicht an dieser Stelle die Antwort meiner Frau auf die Frage, wohin wir denn als nächstes gehen. Sie sagte: „Warum sollte ich woanders essen wollen?“.
Informationen über die Traube Tonbach erhalten Sie auf deren Hompage, die Sie mit diesem Link erreichen.
http://www.traube-tonbach.de/
Nachschlag:
Ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte in der Köhlerstube gehört mittlerweile bei mir zu einer gerne wahrgenommen Gelegenheit. Für einen Apfelstrudel mit Vanilleeis und Sahne findet sich auch immer ein passender Zeitpunkt.
Toller Bericht, tolle Bilder! Irgendwann muss ich wohl auch den Schwarzwald und seine kulinarischen Highlights heimsuchen!