Unsere Reise zu Spitzenrestaurants in der Schweiz führt uns zunächst nach Zürich.
Am Westhang des Adlisbergs, der nordwestlich in den Zürichberg übergeht, trohnt das Hotel Dolder Grand majestätisch über Stadt und See.
Das seit 1899 existierende Hotel wurde nach Um- und Neubau nach Plänen des Stararchitekten Norman Foster am 3. April 2008 wieder eröffnet. Der Mehrheitsaktionär der Dolder Hotel AG, Urs Schwarzenbach, scheute die enormen Kosten nicht. Zum Glück, muss man wohl sagen, denn das Luxushotel ist eine Traumdestination, auch wenn einige Zweifler das pittoreske Hotel allzu kitschig finden. Gault&Millau haben das Hotel vor wenigen Tagen zum Hotel des Jahres gekürt.
Zum Hotel gehört selbstverständlich ein Gourmetrestaurant. Der Name „The Restaurant“ scheint jedoch, meiner Meinung nach, kein Ergebnis eines kreativen Höhenflugs zu sein. Oder kokettiert man hier mit Understatement? Dagegen ist jedenfalls die Küchenleistung von hoher Qualität und kreativ überzeugend.
Heiko Nieder, der u.a. schon in Bonn erfolgreich war, hat mit seiner Crew zwei Michelinsterne erkocht und wird vom Gault&Millau mit 18 Punkten ausgezeichnet.
Nieder absolvierte seine Ausbildung im Hamburger „Vier Jahreszeiten“ und war danach im „Le Canard“ bei J. Viehhauser tätig.
Es folgte ein Abstecher nach Grevenbroich (Zur Traube) bevor er von 1997 bis 2001 im Berliner „Vau“ tätig war.
Die Hauptstadt tauschte er 2007 gegen die Bundesstadt Bonn aus wo er, wie bereits erwähnt, einen Stern erkochen konnte. 2008 wechselte er nach Zürich zur jetzigen Wirkungsstätte.
Wer im „The Restaurant“ keinen Fensterplatz erhaschen kann, wird sicher das stilvolle Ambiente des Restaurants bewundern. Unser Blick wandert hingegen vom Teller zur spektakulären Aussicht über den See und die fernen Alpen und wieder zurück.
Zum Aperitif werden kulinarische Miniaturen gereicht die bereits einen kleinen Hinweis auf die enorme Leistungsfähigkeit der Küche geben.
„Hausfrauen“-Miso, Kapuziner und Reisessig
Avocado mit Meeresgrün und Chilipfeffer
Vollkornbrotkugel mit Fridolin, Liebstöckel und Tomate
„Egg Benedict“
Gartenkräuterrolle mit Kapern und Senf
Pommes Soefflé mit Kräutersalz
Cracker mit orientalischen Gewürzen
Fotos und nähere Erläuterungen erspare ich Ihnen gerne.
Das folgende Tasting Menu bietet mehr als genügend Anlass, sich mit der Küche Heiko Nieders auseinanderzusetzen.
Nach den Einstimmungen zum Aperitif grüßt die Küche mit einer
Gelbflossenmakrele mit grünen Peperoni und einem aromatischen Misoschaum.
Koriander und Gurke runden das Gericht ab.
Sodann folgt
Thunfisch, mariniert und als Tatar, mit einer kleinen Sauce aus
Eigelb. Das Senf-Gurken-Granitée hat uns besonders beeindruckt. Erfrischend und einfallsreich.
Makrele und Auster,
mariniert, Apfel, Rose, Wasabi, Kaviar.
Ein sehr ausgeglichenes und leichtes Gericht mit intensiven Aromen.
Ich würde die Küche gerne mit dem Prädikat „Aromenküche“ belegen. Heiko Nieder kombiniert gekonnt passendes und scheinbar unpassendes zu einem harmonischen Ganzen. Seine Tellerarrangements sind manchmal leicht verständlich, wie in diesem Beispiel, manchmal auch etwas verkopft. So mag es die Avantgarde.
Flusskrebse,
gekocht, Melone, Dill, Koriander, grünes Curry.
Weißes Curry, von der Küche selbst hergestellt und eine schmackhafte
Melonen-Zitronengrassauce, frisch und leicht, kommen ebenfalls hinzu.
Rotbarbe und Calamares,
gebraten, gebacken, Pfirsich, Basilikum, geräucherte Mandelmilch.
Die Pfirsichnoten bilden einen herrlichen Kontrapunkt zum grundsätzlich ausbalancierten Gericht.
Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht wissen, dass ich einen Tag später erneut ein Rotbarbengericht präsentiert bekomme. Achten Sie bitte im nächsten Bericht darauf, denn gerade hier werden die Unterschiede zu einem eher klassisch ausgerichteten Koch besonders deutlich.
Ora King-Lachs aus Neuseeland,
confiert, Kopfsalat, Kokosnuss, Lakritz.
Der weit gereiste Lachs wird in einer Sauce aus Kopfsalat und Kokosnuss und Kokosnussbrösel serviert.
Die Kreation ist leicht süsslich. An den Geschmack von Lakritz habe ich jedoch keine Erinnerung. Vergesslichkeit kann auch eine Gnade sein.
Tomate und Himbeere,
gefroren, Anchovis, Verveine, Krustentieressenz
Jetzt wird es richtig spannend.
Serviert wird ein Tomaten-Himbeereis angegossen mit einer Krustentieressenz.
Das kalt-warme Gericht ist würzig, texturell interessant und aromatisch ein Hochgenuss.
Optisch assoziiere ich die Kreation mit einem Ei von Fabergé.
Dieses kleine Zwischengericht ist Heiko Nieder besonders gut gelungen.
Auch das
Rind, (o.Abb. da bereits auf Facebook veröffentlicht).
Tatar, Algen, schwarze Oliven, Kirsche, Sesam, mit in Tempura gebackenen Kräutern, ist gut geraten. Jedoch gehört Rindertatar nicht zu meinen Favoriten der Hochküche.
Pfifferlinge, (o.Abb. bereits auf Facebook)
gebraten, Eigelb, Bohnensalat, Cassis
Der Hingucker wird mit Bohnensud und Cassis angegossen.
Die geschmeidige Eigelbcreme unterliegt dem Bohnengeschmack ebenso deutlich wie die restlichen Komponenten.
Reh,
gebraten, Ragout, Gartenkräuter, Sonnenblumenkerne, Angostura
Das Ragout aus der Schulter wird ca. eine Woche lang geschmort und ist dementsprechend zart. Hinzu kommt ein erstklassiges Filet und in der Beilagenstrecke das nussige und feinaromatische Aroma von Kohlrabi.
Gänsemastleber,
gehobelt, Crème, Consommé, Rande, Baumnuss, alter Balsamico, Lavendel
Eine für die Avantgarde typische Präsentation.
Wie bereits vorher ist auch dieses Gericht äußerst aromatisch und einfallsreich gestaltet.
Die gefrorene und geraspelte Gänseleber ist zwar nicht neu für uns, jedoch prima umgesetzt. Das Zusammenspiel aller Komponenten ist geschmacklich hervorragend.
Fourme d’Ambert
Portwein, Champignon-Konfitüre, Essig
Die Verarbeitung des alten französischen Edelschimmelkäses aus der Auvergne in einem Menü scheinen uns mittlerweile zu verfolgen wie einst der Rochenflügel.
Die vor uns liegende Kreation ist allerdings besonders gelungen und zeugt von der Kreativität der Küche. Der mildeste unter den Blauschimmelkäsen wird mit einem Portweinschaum aus 2003er Portwein serviert. Er wird zudem mit Frischkäse gemischt und reift ca. drei Wochen lang.
Hinzu kommen Portweintupfen, Pilze und ein Pilzgelee. Die restlichen Beilagen sind bereits oben erwähnt.
Aprikose
Vollmilchschokolade, eingelegte Pilze, Haselnuss, grüner Tee
Grüner Tee als Eis mit dezentem Geschmack, harmonisch, ein eher schwaches Dessert.
Heidelbeeren, (o.Abb.)
mariniert, Crème, Sellerie, Gurke, Ingwer.
Ingwercrumble und ein Sellerieeis.
Man muss es mögen. Zwar bin ich nicht unbedingt auf Süßes erpicht, jedoch gehören Desserts mit Sellerie, Gurke und Ingwer nicht zu meinen Vorlieben.
Sweets
Campari-O
Mochi (japanischer Reiskuchen) mit roten Trauben, Yoghurt und Minze
Wassermelone mit Früchte-Grüntee
Schokoladenblätterteig mit Ingwer und Kardamon
Mozzarella mit Johannisbeere, Estragon und Erdbeerkernöl
Kataifi mit Nüssen und orientalischen Gewürzen
Schokoladenoblate mit Limone, Beeren und Reis
Wein und Service:
2011, Chardonnay, Barrique, Erich Meier
und einen Rotwein, der mir leider nicht mehr erinnerlich ist.
Der Service ist überaus professionell, engagiert und auskunftsfreudig.
Er trägt wesentlich zur entspannten und angenehmen Atmosphäre bei.
FAZIT:
Heiko Nieder begeistert mit einem großen Aromenspektrum. Beispielhaft sei hier das Gericht mit der Gänsemastleber erwähnt.
Die Küche arbeitet mit hohem Aufwand und Detailverliebtheit. Das betrifft sowohl den Geschmack als auch die Optik.
Das große Menü, mit seinen vielen Kleinigkeiten vorher und nachher, besticht durch überraschende Leichtigkeit.
Eine eigene Stilistik vermag ich bei dem erstmaligen Besuch nicht zu erkennen. Avantgarde ja, wenn auch nicht durchgehend. Der Griff zur französischen Klassik ist offensichtlich.
Unverwechselbarkeit eher nein. Dies erspart die Suche nach einem Signature dish, den Heiko Nieder möglicherweise selbst nicht für notwendig erachtet.
Man muss nicht nach den kleinsten Details im Menü Ausschau halten, die zahlreichen Zutaten aufzählen oder jede Geschmacksrichtung ergründen. Nieders Geschmacksbilder sind breit angelegt. Es schmeckt fantastisch, dem erfahrenen Gourmet ebenso wie dem Gourmetneuling.
Übrigens:
Vom 17. bis 20. September 2015 findet die zweite Ausgabe des Gourmetfestivals THE EPICURE im Hotel Dolder Grand in Zürich statt.
An einem der genussreichen Abende wird Heiko Nieder zusammen mit Christian Bau (3 Sterne) ein 8-Gang-Menü kreieren.
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Der Internetauftritt von Hotel und Restaurant ist mit diesem L i n k erreichbar.
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